Die denkwürdigsten deutschen Herren-Matches – Platz 2
Boris Becker gewann im Jahr 1987 im Relegationsduell in den USA gegen John McEnroe die legendäre „Schlacht von Hartford“.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
22.12.2014, 08:45 Uhr

Vom 1. bis 24. Dezember präsentierttennisnet.comeine redaktionelle Bestenliste und kürt die zwölf denkwürdigsten deutschen Matches bei den Damen und Herren. Für die Wertung wurde nicht nur der Spielverlauf und die Dramatik, sondern auch die historische Bedeutung der Matches berücksichtigt. In unseremtennisnet.com-Adventskalenderwerden wir bis Heiligabend abwechselnd ein Türchen bei den Damen und Herren öffnen. Wir wollen euch damit die tennisfreie Weihnachtszeit etwas versüßen. Getreu dem Motto „Ladies first“ haben die Damen immer den Vorrang. Die Herren ziehen dann nach.
Die denkwürdigsten deutschen Herren-Matches: Platz 2
Boris Becker – John McEnroe (USA) 4:6, 15:13, 8:10, 6:2, 6:2
(24. Juli 1987 in Hartford – Zweites Einzel in der Davis-Cup-Relegation USA gegen Deutschland).
Die Vorgeschichte:
Im Jahr 1987 hieß es für die USA und Deutschland im Davis Cup: siegen oder fliegen. Die beiden Top-Nationen standen sich in Hartford im Relegationsduell gegenüber. Sowohl die USA als auch Deutschland waren noch nie aus der Weltgruppe abgestiegen. Eine Nation würde es also zum ersten Mal erwischen. Extra für das bevorstehende Relegationsmatch wurde John McEnroe für den Davis Cup wieder reaktiviert, der knapp drei Jahre nicht mehr für sein Land gespielt hatte, weil er sich weigerte, einen Verhaltenskodex zu unterzeichnen. McEnroe goss zusätzlich Öl ins Feuer. „Ich glaube, das Schlimmste, was uns passieren kann, ist ein knapper 3:2-Sieg.“ Auf Seiten Deutschlands richteten sich alle Augen auf Boris Becker, auf dessen Schultern alle Hoffnungen ruhten. Doch der damals 19-jährige Weltranglisten-Vierte befand sich in seiner ersten großen Krise. Beim vorangegangenen Wimbledonturnier schied er als Titelverteidiger sensationell in der zweiten Runde aus. Und nun sollte Becker im Alleingang drei Punkte für den Verbleib in der Weltgruppe beisteuern. Doch für die Deutschen startete das Abstiegsduell vor 16.000 Zuschauern sensationell. Eric Jelen spielte das Match seines Lebens und gewann das Auftakteinzel gegen den klar favorisierten Tim Mayotte in fünf Sätzen. Im Anschluss kam es zum Duell zwischen Becker und McEnroe. Das Match ging als „Die Schlacht von Hartford“ in die Tennisgeschichte ein.
Das Match:
Um 16:30 Uhr betraten Becker und McEnroe das Civic Center in Hartford. Es sollte lange dauern, bis die beiden die Halle wieder verlassen würden. McEnroe gewann den ersten Satz mit 6:4, weil Becker beim Satzball einen Doppelfehler servierte. Während „Big Mac“ schnell auf Betriebstemperatur war und das Publikum immer wieder anstachelte, brauchte Becker etwas, um komplett ins Match zu finden. Die Intensität und Dramatik der Partie nahm von Minute zu Minute mehr Fahrt auf. Da im Davis Cup der Tiebreak erst 1989 eingeführt wurde, ging jeder Satz so lange, bis ein Spieler zwei Spiele Vorsprung hatte. Becker konnte im zweiten Satz zunächst dreimal einen Breakvorsprung nichts ins Ziel bringen. Immer wieder versuchte McEnroe, Psychospielchen mit Becker anzufangen. Beide riefen sich Beleidigungen über das Netz zu.
Bei 11:10-Führung hatte McEnroe bei Aufschlag von Becker drei Satzbälle am Stück. Den ersten wehrte der Leimener mit einem Ass ab. Doch McEnroe wollte das nicht wahrhaben, flippte regelrecht aus und diskutierte in seiner gewohnten lauten und aufbrausenden Art und Weise mit dem Schiedsrichter. Auch die Satzbälle zwei und drei wehrte Becker mit guten Aufschlägen ab – und anschließend noch zwei weitere. Der Satzgewinn ging dann schließlich mit 15:13 an Becker. Der Deutsche konnte das Momentum und die Schwächephase des erzürnten McEnroes nicht ausnutzen und verlor den dritten Satz mit 8:10. Es waren nun schon knapp fünf Stunden auf der Uhr für drei gespielte Sätze.
Es ging es in eine 15-minütige Pause, die damals nach Beendigung des dritten Satzes im Davis Cup üblich war. Und diese Pause schien Becker gut zu tun. Der Deutsche kam wie verwandelt aus der Kabine. Die Psychospielchen blieben jedoch. Die beiden lieferten sich Wortgefechte und fixierten sich gegenseitig mit ihren Blicken. Becker schaffte den Satzausgleich. Umso lauter es in der Halle wurde, umso besser spielte Becker, der fortan seine bessere Fitness gegen seinen neun Jahre älteren Kontrahenten voll und ganz ausnutzte. Im fünften Satz konnte McEnroe körperlich nicht mehr gegenhalten. Becker beendete um 23:17 Uhr Ortszeit nach 6:21 Stunden Spielzeit das Match mit einem Rückhandvolley und brachte Deutschland mit 2:0 in Führung.
Die Auswirkungen:
Für Becker war es „das größte Match, das er je gespielt hat“. Freundliche Worte für McEnroe fand er aber nicht. „Ich bewundere ihn als Tennisspieler, aber er tut mir als Mensch Leid. Er wird genau wissen, warum“. Der Leimener gab später zu bedenken, dass „es ein Krieg war“. Eine Schlacht war für Deutschland gewonnen, aber noch nicht das große Ziel Klassenerhalt erreicht. Am nächsten Tag ging das Doppel ohne Becker verloren. Am darauffolgenden Sonntag glich McEnroe durch einen klaren Dreisatzsieg gegen Eric Jelen zum 2:2 aus. Nun lag es wieder an Becker, im letzten Einzel gegen Mayotte den dritten und entscheidenden Punkt für Deutschland zu holen. Es entwickelte sich das nächste Drama.
Becker hatte das Match zunächst voll im Griff, kassierte dann aber nach 2:0-Satzführung den Satzausgleich. Es entwickelte sich auch hier ein Spiel der Nerven. Becker wehrte im fünften Satz zwei Breakbälle ab, kam dann ins Rollen und führte Deutschland schließlich zum Klassenerhalt im Davis Cup. Becker schnappte sich eine Deutschland-Fahne und drehte ein paar Ehrenrunden im „feindlichen Hartford“. Seine Teamkameraden und Landsleute jubelten ihm mit „Deutschland, Deutschland“ und „Boris, Boris-Rufen“ zu, der Rest der Halle war still. Wie wichtig der heroische Sieg in Hartford für das deutsche Davis-Cup-Team war, zeigte sich in den nächsten beiden Jahren. Deutschland gewann 1988 zum allerersten Mal den Davis Cup und konnte ein Jahr später den Titel erfolgreich verteidigen. Ohne den Sieg in der „Schlacht von Hartford“ wäre das wohl nie passiert.
Lest hier die ganze Geschichte zum denkwürdigen Davis-Cup-Match zwischen Boris Becker und John McEnroe und der „Schlacht von Hartford“ auf tennisnet.com!
Die denkwürdigsten deutschen Herren-Matches im Überblick:
Platz 3: Michael Stich - Boris Becker
Platz 4: Carl-Uwe Steeb - Mats Wilander
Platz 5: Boris Becker - Stefan Edberg
Platz 6: Boris Becker - Ivan Lendl
Platz 7: Michael Westphal - Tomas Smid
Platz 8: Boris Becker - Pete Sampras
Platz 9: Nicolas Kiefer/Rainer Schüttler - Fernando Gonzalez/Nicolas Massu
Platz 10: Michael Stich - Andrei Chesnokov
Platz 11: Boris Becker/Michael Stich - Wayne Ferreira/Piet Norval
Platz 12: Boris Becker - Ivan Lendl
(Text: cab)