„Quo vadis, Tennis?“, Teil 3 – Körperliche Weiterentwicklung der Spieler
Wir beleuchten in unserer Serie „Quo vadis, Tennis?” die Veränderungen des Tennissports.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
21.12.2015, 17:31 Uhr

Von Philipp Heger
Im letzten Teil unserer Serie „Quo vadis, Tennis?“ haben wir unsmit der Weiterentwicklung der Materialienbeschäftigt. Heute beleuchten wir die Spieler selbst, genauer gesagt, wie sie sich körperlich verändert haben und durch mehr Athletik das Spiel auch schneller geworden ist.
Steigerung des Fitnesslevels
Dieser Aspekt ist die Grundvoraussetzung, um heute im Leistungstennis mithalten zu können. Weil der Tennissport im Hochleistungsbereich viel athletischer und schneller (wie auch in fast allen anderen Sportarten) geworden ist, das heißt, die Schläge härter oder mit mehr Spin gespielt werden, müssen sich die Spieler auch entsprechend besser bewegen.Boris Beckersagte einmal in einem Interview kurz nach seinem Sieg bei den Australian Open 1996, „wenn er noch so spielen würde wie vor 10 Jahren (als er ja zum zweiten Mal Wimbledon gewann), wäre er nicht mehr in der Weltspitze, da sich das Niveau extrem gesteigert habe". Eine ähnliche Aussage tätigte auch der Eurosport-Experte und ehemalige Weltranglisten-ErsteMats Wilandervor einiger Zeit, „dass sich das Spielniveau und vor allem das Spieltempo in den letzten fünf Jahren nochmals gesteigert habe“. Diese beiden Aussagen belegen die ständige Weiterentwicklung des Spielniveaus, denen sich die Spieler anpassen müssen. Zum einen müssen die Spieler ein weitaus höheres Fitnesslevel erreichen als in der Vergangenheit. Dies schlägt sich auch in den Trainingsplänen nieder. Wurde bis Ende der Neunzigerjahre hauptsächlich nur Tennis trainiert, und das teilweise sehr lange und monoton, so hat hier ein starkes Umdenken stattgefunden. Mittlerweile trainieren die Profispieler weniger ihre Schläge, sondern investieren ihre Zeit öfter für Koordinations-, Schnelligkeits- und Krafttraining. Außerdem spielt die Regeneration eine viel größere Rolle und auch die Flexibilität und Beweglichkeit.
Heutzutage arbeiten viele Spieler mit anerkannten Fachleuten aus dem Leichtathletikbereich zusammen. Zudem wird viel stärker auf die richtige Ernährung geachtet. Gerade die unangefochtene Nummer eins,Novak Djokovic, zieht daraus unter anderem seine Stärke. Kurz nachdem er seine Ernährung auf glutenfreie Kost umstellte, begann Djokovics Dominanz im Jahr 2011. Auch seine Beweglichkeit und Flexibilität suchen seinesgleichen unter den Topspielern.
Die Größe der Spieler
Neben einem weitaus höheren Fitnesslevel gibt es noch einen zweiten Aspekt, der auffällig ist, wenn man sich die vorderen Plätze der Weltranglisten anschaut. Und zwar ist dies die Größe der Spieler. Im zweiten Jahr der Open Era im Jahr 1969 gewannRod Laverden Grand Slam und war der alles überragende Spieler dieses Jahres. Laver ist mit 1,73 m jedoch relativ klein. Heutzutage hätte er mit seiner Größe kaum mehr Chancen, auch nur annährend ähnliche Erfolge zu erzielen. Mit 1,75 Meter ist David Ferrer der kleinste Spieler unter den Top 50. Ansonsten gibt es mitKei Nishikori,Fabio FogniniundPhilipp Kohlschreibernur noch drei weitere Spieler, die kleiner als 1,80 Meter sind. Die „Big Four“ sind alle 1,85 Meter oder größer.
Die Durchschnittsgröße der Top Ten der ersten Weltrangliste vom 23. August.1973 betrug 1,801 Meter. Anfang 1980 war die Durchschnittsgröße der Top-Ten-Spieler hingegen nur noch 1,785 Meter. Bis Anfang 1990 stieg sie wieder auf 1,829 Meter. Bis Anfang 2000 stieg die Durchschnittsgröße unter den Besten zehn Tennisspielern der Welt abermals auf 1,875 Meter. Die Durchschnittsgröße der Top-Ten-Spieler Ende 2009 lag dann sogar bei 1,881 Meter. Die Durchschnittsgröße der aktuellen Top Ten von Dezember 2015 liegt bei 1,854 Meter. Zwar hat sich die Prophezeiung Thomas Musters, die er 1997 in einem Interview mit dem Tennismagazin äußerte, „dass in 10 Jahren nur noch über 2,05 m große Tennismaschinen die Tour dominieren würden“, nicht bewahrheitet, aber der Trend geht in Richtung 1,85 bis 1,90 Meter.
Die Gründe für diese Tendenz sind vor allem in der Entwicklung des Tennisspiels an sich zu suchen. Große Spieler haben eine größere Reichweite und bessere Hebel. Vorteile ergeben sich vor allem beim Aufschlag. Die Nachteile sind, dass sich große Spieler oft schlechter bewegen. Deshalb ist auch festzustellen, dass es unter den Top 100 mitKevin Anderson,John IsnerundIvo Karlovicnur drei Spieler gibt, die größer als zwei Meter sind. Allerdings ist in den Spielen der drei häufig zu sehen, dass sie ihren Kontrahenten von der Grundlinie unterlegen sind, vor allem wenn sie den Ballwechsel nicht diktieren können. Spieler, die kleiner als 1,75 Meter sind, findet man gar keine in der absoluten Weltspitze (Top 50). Denn sie haben auf Dauer zu große Nachteile, was den Aufschlag anbetrifft. Außerdem müssen kleine Spieler mehr laufen, da sie über eine geringere Reichweite verfügen. Auf Dauer ist dies sehr kraftintensiv.
Festzustellen bleibt, dass eine gewisse Größe von mindestens 1,80 Meter wichtig ist, da der Aufschlag eine enorme Bedeutung hat, aber auch zu große Spieler entsprechend zu unbeweglich sind. Hier ist uns auch aufgefallen, dass die sehr großen Spieler zwar in der Lage sind, jeden Spieler zu schlagen oder zumindest zu gefährden, wie auch die Ergebnisse in diesem Jahr verdeutlichen. So schlug Karlovic zum Beispiel zu Jahresbeginn Djokovic, Anderson schlug Murray und Wawrinka und war am Sieg in Wimbledon gegen Djokovic dran. Und auch Isner schlug Federer. Allerdings fehlt diesen Spielern dann oft die Konstanz oder auch Kraft, mehrere intensive Matches durchzustehen, da sie auch ein ganz anderes Gewicht durch die Gegend schleppen müssen. Kleine Spieler dagegen sind oft sehr konstant, jedoch fehlen Ihnen dann oft die freien Punkte durch die Aufschläge beziehungsweise, die langen Rallys sind sehr ermüdend.
Weniger Muskelaufbau bei den Profis
Ein weiterer Faktor ist auch das Gewicht der Spieler. Ging die Tendenz vor Jahren manchmal zu muskelbepackten Spielern wie beispielsweise einem Spieler wie Mark Philippoussis, sehen die meisten Spieler heute eher drahtig aus. Wenig Gewicht, dafür gut definiert und sehr dehnbar. War ein Spieler wieRafael Nadalin seinen Anfangsjahren noch extrem muskelbepackt, so wirkt es inzwischen, als hätte er abtrainiert. Auch Federer und Djokovic wirken alles andere als muskulös, eher sehnig und definiert. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zum einen sind schwere bodybuilderähnliche Spieler deutlich verletzungsanfälliger. Zum anderen ermüden diese Spieler schneller, da sie durch das Mehrgewicht einen höheren Energieaufwand haben. Gerade bei Grand-Slam-Turnieren in der Endphase sind diese Reserven oft die Entscheidenden. Allerdings hängen diese Faktoren auch mit der aktuellen Spielanlage der Profispieler zusammen. Die Ballwechsel sind inzwischen wieder länger und intensiver als vor 15 bis 20 Jahren, als Spieler wiePete Sampras,Goran Ivanisevic,Patrick Rafterunter anderem zu den dominanten Spielern zählten, die ihr Spiel auf kurze Ballwechsel angelegt hatten. Aber mit dieser Thematik wollen wir uns im vierten und letzten Teil unserer Serie „Quo vadis, Tennis?“ befassen, nämlich der Spieltaktik und den Spieltypen.