Vereinigung der ATP und WTA – war da was?
Im Frühjahr war der Jubel groß, als eine gemeinsame Herren- und Damentour im Raum stand. Davon scheint man aktuell aber weit entfernt. Nun verschwindet auch die gemeinsame offizielle App.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
26.12.2020, 13:52 Uhr
Roger Federer hatte die Welle ins Rollen gebracht. Er überlege grade, so Federer am 22. April via Twitter, ob er denn etwa als Einziger der Ansicht sei, dass Herren- und Damentennis sich zusammenschließen sollte? Konkret: dass sich die ATP und WTA vereinigen sollten.
Die Reaktion auf Federers Tweet war immens: Rafael Nadal stimmte zu, und Billie Jean King erklärte, die WTA alleine sei immer nur der Plan B gewesen, eine gemeinsame Stimme für alle aber ihre eigentliche Vision.
Dass bereits vor Federers Tweet im Hintergrund etwas am Laufen war, bereits in Melbourne Gespräche stattgefunden hatten, ließ Serena Williams anklingen.
Einheitlichkeit für den Fan
Der Gedanke hinter allem: mehr Einheitlichkeit, ein logischerer Turnierkalender, mehr gemeinsame Events wie in Indian Wells oder Miami – Tennis sollte sich endlich als Ganzes präsentieren, fanfreundlicher. Bestenfalls mit einer offiziellen Anlaufstelle, einer Website, einem einheitlichen Kanal für Livetennis.
Die Corona-Pause schien beinahe der logische Zeitraum, um entsprechende Gespräche fortzuführen, schließlich fanden von Mitte März bis Anfang August keine Turniere statt. Wenn nicht jetzt – wann dann?
Passiert ist offenbar nichts. Im Gegenteil. Beide Touren kamen zu unterschiedlichen Terminen aus dem Corona-Shutdown zurück, und während die ATP im Herbst, nach den French Open, noch einen einigermaßen gefüllten Terminkalender anbot, inklusive der ATP Finals in London, gab es für die Damen nur noch ein Turnier im Oktober (Ostrava) und eines im November (Linz). Ein gemeinsames, zumindest nacheinander stattfindendes Event in Köln verschlief die WTA, sodass man sich beim Matratzenturnier am Rhein zu zwei Herrenturnieren in zwei Wochen entschloss – mit starker Resonanz.
WTA vereinfacht Turnierkategorien, ist aber nicht konsequent
Die WTA machte einzig durch die Vereinfachung ihrer Turnierkategorien auf sich aufmerksam, die sich nun auch schon über mehrere Jahre hingezogen hatte, von der ersten Absicht bis zur Vollendung waren es mindestens fünf Jahre. Immerhin spricht man ab 2021 nun auch bei den Frauen von den Kategorien „WTA 1000“, „WTA 500“, „WTA 250“ und „WTA 125“ anstatt dem undurchschaubaren Wirrwarr aus „Premier Mandatory“, „Premier 5“, „Premier“ und „International“. Warum man die Gewinnerpunkte nicht entsprechend verteilt (1000 für Gewinnerinnen der 1000er-Turniere, 500 für die der 500er…), wie es die ATP macht, bleibt freilich ein Geheimnis.
Hier soll nämlich alles beim Alten bleiben, es wird für manche 1000er-Turniere damit 1000 Punkte geben (für die ehemaligen "Mandatory"-Turniere), für andere 900 (die ehemaligen "Premier 5"), für 500er-Turniere nur 470 Punkte (die ehemaligen "Premier"-Turniere) und für die neuen 250er nun 280 Punkte (die ehemaligen International-Turniere).
Beliebte ATP/WTA-App verschwindet
Ein Schlag ins Gesicht für alle Fans nun eine Reihe von Tweets über Weihnachten, die man – immerhin in einem identischen Wortlaut von ATP und WTA – zu lesen bekam: „ATP und WTA haben die Einstellung der ATP/WTA Live Scores App angekündigt“, hieß es. Man wurde mithin auf die ATP App sowie wtatennis.com verwiesen.
Die Meldung sorgte für Fassungslosigkeit unter Fans und Spielern. Zumal die offiziellen Alternativen kaum welche sind. Die ATP App ist überfrachtet, die WTA hat gar kein eigenes Produkt auf dem Markt. Und die nun eingestellte ATP/WTA Live Scores App war genau das, was man als Fan wollte - eine kleine schnelle App ohne unnötigen Schnickschnack, mit Konzentration aufs Wesentiche: Livescores, Spielpläne, Draws, Statistiken, Ranglisten, Turnierkalender.
„Boooooooooo“, kommentierte Madison Keys, „Warum ist es so hart, einfach Tennis zu genießen“, schrieb ein weiterer User auf Twitter. Will man auf den offiziellen Plattformen nun Tennisergebnisse verfolgen (inklusive offizieller Statistiken, Spielplänen usw.), braucht man nun neun Apps: eine für die ATP, je eine für die Grand-Slam-Turniere, eine für den Davis Cup, den Fed Cup, die Olympischen Spiele, die ITF World Tennis Tour. Und den Link zur WTA.
Eine Reaktion von Tennisfan Roger Federer steht zu diesem Thema noch aus. Von einer möglichen Annäherung oder gar einem zeitnahen Zusammenschluss zwischen ATP und WTA? Scheint man aktuell jedoch weit entfernt.