Vor 30 Jahren: Das Attentat auf Monica Seles - Eine nie verheilende Wunde

Das Attentat auf Monica Seles erschütterte die Tenniswelt und veränderte das Leben der einstigen Weltranglistenersten. Am Sonntag jährt es sich zum 30. Mal.

von SID
zuletzt bearbeitet: 27.04.2023, 14:51 Uhr

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Die große Monica Seles anno 1993
© Getty Images
Die große Monica Seles anno 1993

Monica Seles' Liebe zum Tennis ist geblieben. In Indian Wells verfolgte die einstige Weltranglistenerste jüngst einen Auftritt von Topstar Carlos Alcaraz - dem Ausnahmespieler, der sich mit 19 Jahren anschickt, eine Ära zu prägen. "Ich bin überrascht von seiner mentalen und physischen Stärke", sagte die 49-Jährige der Marca.

Im Teenageralter der Tenniswelt den Stempel aufdrücken - das gelang einst auch Seles, sogar noch nachdrücklicher als Alcaraz. Bereits sieben Grand Slams hatte die Weltranglistenerste aus Jugoslawien triumphal mit ihrem Powertennis gewonnen und war auf bestem Wege, alle bisherigen Rekorde zu brechen. Doch dann veränderte sich ihr Leben an einem Freitag in Hamburg so brutal. Am Sonntag jährt sich das Attentat vom Rothenbaum zum 30. Mal.

Attacke in Hamburg

"Ein Sekundenbruchteil machte aus mir einen anderen Menschen", schrieb Seles in ihrer 2009 erschienenen Biographie "Immer wieder aufstehen" über die schockierenden Erfahrungen, über die sie bis heute kaum spricht: Der geistig verwirrte Günter Parche aus Thüringen hatte die damals 19-Jährige am 30. April 1993 während einer Spielpause ihres Viertelfinals beim WTA-Turnier in der Hansestadt mit einem Ausbeinmesser hinterrücks attackiert. Der arbeitslose Dreher wollte sein entthrontes Idol Steffi Graf wieder siegen sehen.

"Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass irgendjemand Steffi Graf schlagen könnte", sagte Parche bei seiner Vernehmung. Das psychiatrische Gutachten diagnostizierte bei dem Täter "eine irreale Idealisierung mit wahrscheinlich unbewussten sexuellen Elementen und einem Fanatismus, der bis zur Selbstaufopferung ging". Die Justizbehörden in Hamburg verurteilten ihn später wegen gefährlicher Körperverletzung nur zu einer Bewährungsstrafe, was Seles nicht verwinden konnte: "Ich kann nicht verstehen, warum dieser Mensch nicht für seine Tat büßen musste."

Seles gewinnt nach Comeback noch einmal in Melbourne

Die körperlichen Wunden des schrecklichen Angriffs verheilten nach Wochen, durch glückliche Umstände war das Messer lediglich knapp zwei Zentimeter zwischen Wirbelsäule und Schulterblatt eingedrungen. Die seelischen Verletzungen blieben. Die dominante Spielerin des Frauentennis fühlte sich fortan auf den Center Courts nicht mehr wohl und setzte mehr als zwei Jahre aus. Seles verspürte Angst, litt unter Depressionen und Essstörungen.

Nach dem vielbeachteten Comeback im August 1995 in Toronto gelang ihr mit beidhändiger Vorhand und Rückhand noch einmal ein Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier: 1996 gewann sie das Finale von Melbourne in zwei Sätzen gegen Anke Huber. Die einstige Ausnahmestellung erreichte Seles in ihrem Sport nicht mehr. Graf, die sie in Hamburg im Krankenhaus besuchte, gewann Titel um Titel.

Seles kam wieder im Leben an. Sie überwand nach dem Ende ihrer Karriere die Essstörungen, schrieb Bücher und heiratete den 32 Jahre älteren amerikanischen Milliardär Tom Golisano. Und hin und wieder genießt sie auch Besuche der Matches einer neuen, beeindruckenden Tennis-Generation, die heute deutlich umfassender bewacht wird als noch vor 30 Jahren.

von SID

Donnerstag
27.04.2023, 18:00 Uhr
zuletzt bearbeitet: 27.04.2023, 14:51 Uhr