Wien-Chef Herwig Straka - "Wildcard für Andy Murray ist reserviert"
Herwig Straka, Manager von Dominic Thiem und Veranstalter der Erste Bank Open 500 in Wien, im tennisnet-Interview zu den Herausforderungen für die ATP, dem Befinden seines Schützlings und dem Starterfeld in der Wiener Stadthalle.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
02.09.2019, 12:20 Uhr
tennisnet: Herr Straka. Sie sind in diesen Tagen in ihrer Funktion als Mitglied des ATP Boards in New York. In welchem Zustand befindet sich der Tennissport?
Herwig Straka: Die ATP hat sehr viel richtig gemacht und ist in einer guten Position. Wir haben mit dem #NextGen-Masters etwas Bahnbrechendes kreiert, wir haben die ATP Finals neu ausgeschrieben und an einen Ort vergeben, wo mehr Geld hereinkommt, und wo wir davon ausgehen, dass die Begeisterung sehr groß sein wird. Und auch der ATP Cup geht in die richtige Richtung, wenn man sieht, wie die Spieler darüber sprechen und wie groß die Akzeptanz für diesen neuen Wettbewerb ist.
tennisnet: Welchen Herausforderungen muss sich gerade die ATP stellen?
Straka: Die Spieler geben natürlich das Thema Preisgeld vor, das immer und überall präsent sein wird. Egal, wie gut oder wie schlecht es jemandem geht, man kann immer mehr haben. Diese Diskussion ist normal, aber eigentlich auch verzichtbar. Der zweite größere Themenbereich ist immer die Zusammenarbeit mit den anderen größeren Organisationen: der ITF, der WTA, den Grand Slams. Weil wir befinden uns alle in derselben Sportart. Und der Konsument, vor allem jener der nächsten Generation, nicht verstehen will und auch nicht muss, warum es hier unterschiedliche Organisationen gibt und nicht alle an einem Strang ziehen.
tennisnet: Die ATP ist nach wie vor auf der Suche nach einem Nachfolger für Chairman Chris Kermode. Wie weit ist diese fortgeschritten?
Straka: Der Prozess wird von einem professionellen Unternehmen begleitet. Es gibt einige Kandidaten, die sich auch Richtung Short List bewegen. Namen kann ich natürlich keine nennen.
"Federers und Nadals Meinungen sind wichtig"
tennisnet: Wir hätten einen Vorschlag: Michael Stich.
Straka: Der ist nicht auf dieser Liste. Michael hat sich offensichtlich gar nicht darum beworben. Auf jeden Fall ist ein Kandidat gut, der Spieler und Turniere gleichermaßen gelebt hat und versteht. Insofern wäre Michael Stich von der Papierform her tatsächlich gut geeignet gewesen.
tennisnet: Nun sind Roger Federer und Rafael Nadal in das Players Council zurückgekehrt, zwei Spieler, die als Unterstützer von Chris Kermode gelten. Kann es hier noch einmal zu einer Kehrtwende kommen?
Straka: Dass Chris exakt dieselbe Rolle weiter ausübt, weil nun Federer und Nadal an Bord sind, ist auszuschließen. Allerdings ist es für den Entscheidungsprozess sicherlich gut, wenn die beiden ihre Meinung und Einschätzungen einbringen. Da geht es aber eben auch um das vorhin angesprochene Preisgeld-Thema.
tennisnet: Nick Kyrgios hat nach dem ATP-Masters-1000-Turnier in Cincinnati eine saftige Strafe ausgefasst, auch eine Sperre steht im Raum. Wird diese Thematik auch im Board diskutiert?
Straka: Hier sind wir als Board nicht eingebunden. Das ist eine Sache der „Rules and Officials“. Persönlich finde ich, dass es Spieler wie Kyrgios braucht, vielleicht nicht in dieser extremen Ausprägung. Aber polarisierende Spieler hat es schon immer gegeben - und die sind auch das Salz in de Suppe. Klarerweise muss man diesen Spielern Grenzen setzen, und das ist jetzt auch passiert.
tennisnet: Mit einer Strafe von deutlich mehr als 100.000.- US Dollar …
Straka: Meines Erachtens wurde hier ein bisschen über das Ziel hinaus geschossen. Aber weil Kyrgios schon des öfteren aufgefallen ist, war das wahrscheinlich notwendig. Man sollte trotzdem versuchen, den Weg weiter gemeinsam mit ihm zu gehen. Ich halte von einer Sperre gar nichts. Man sollte das Gespräch suchen. Weil ich das Gefühl habe, dass er, wenn man mit ihm eine Stunde nach dem Match spricht, seine Aktionen dann schon wieder bereut.
"Dominic Thiems Turnierkalender ausmisten"
tennisnet: Seit ein paar Monaten haben Sie auch das Management von Dominic Thiem übernommen. Wie geht es Dominic?
Straka: Dominic ist noch am Mittwoch nach Österreich geflogen, hat dort einige Vertrauenspersonen und Ärzte konsultiert um zu testen, was der Verursacher sein könnte. Am Ende des Tages sind die gesundheitlichen Probleme eine Mischung aus verschiedenen Umständen, der Kalender ist sicher einer davon. Wir werden definitiv noch mehr versuchen, Höhepunkte zu setzen. Und gleichzeitig aber etwas im Turnierkalender auszumisten. Was aber nicht ganz einfach ist. Es gibt einfach ein paar Sachen, die Dominic spielen wird und will. Und auch muss.
tennisnet: Die Kollateralschäden des Erfolges …
Straka: Für einen Top-Ten- oder Top-Fünf-Spieler ist es natürlich schwierig, wenn man bei einem Grand-Slam-Turnier weit kommt. Da können sich andere Spieler, etwa in der zweiten Woche eines Majors schon wieder vorbereiten. Wenn man in Paris im Finale steht, dann fehlen einem natürlich ein, zwei Wochen Vorbereitung auf die Rasensaison.
tennisnet: Das große Tennis-Highlight aus österreichischer Sicht sind natürlich die Erste Bank Open 500 in der Wiener Stadthalle. Dominic Thiem, Daniil Medvedev, Kei Nishikori werden neben anderen am Start sein. Auch Juan Martin del Potro hat genannt. Sind Sie schon zufrieden - oder suchen Sie nach einem weiteren Zuckerl für die Fans?
Straka: Wir haben im Moment vier Top-Ten-Spieler, was für diese Woche parallel zu Basel sehr gut ist. Weil man davon ausgehen muss, dass ein, zwei Spieler zu jenem Zeitpunkt nicht spielen wollen oder verletzt sind. Auch aus den Top 20 kommen noch einige Spieler dazu, wir haben wieder ein super Starterfeld. Andy Murray ist ein Thema, wir sind im Gespräch. Andy schaut von Turnier zu Turnier. Er liebt Wien, das hat er mehrmals betont. Sollte er in dieser Woche verfügbar sein, haben wir auf jeden Fall eine Wildcard für ihn reserviert. Del Potro hat Wien ja gewonnen, als er gerade am Höhepunkt war. Und hat dann ein paar mal Basel gespielt. Insofern freut es mich, dass er sich nun für Wien entschieden hat.
"Eine Multifunktionshalle á la Madison Square Garden"
tennisnet: Nachdem Roger Federer in Basel spielt, wären von den Großen Drei Novak Djokovic und Rafael Nadal frei. In der grauen Theorie.
Straka: Klarerweise wollen wir einen der beiden bei uns haben. Bei Djokovic war es die letzten beiden Jahre einfach so, dass er zum Jahresende hin zu dominant war. Und dass er diese Woche einfach nicht gespielt hat. Bei Rafael Nadal war es leider so, dass er in dieser Phase der Saison öfter verletzt war. Dennoch spekulieren die 500er-Turniere damit, dass manche Spieler noch Punkte brauchen oder sich für das letzte 1000er-Turnier oder die Finals einspielen. Aber natürlich ist es unser Ziel, diese beiden Spieler in Wien an den Start zu bringen, bevor sie ihre Karriere beenden.
tennisnet: Abschließend die Frage nach der mittelfristigen Location für die Erste Bank Open 500. In München wird derzeit eine neue Halle gebaut, ein Sponsor steuert dazu 100 Millionen Euro bei. Wie sieht es in Wien aus?
Straka: Die Halle in Wien wird eine ganz andere Dimension haben, wir sprechen hier von einer Multifunktionshalle á la Madison Square Garden. Da sind die Vorlaufzeiten länger. Es gibt das Grundstück, das ist bereits entschieden. Es wird EU-weit ausgeschrieben. Das genaue Budget kenne ich nicht, es ist aber sicher ein Vielfaches der angesprochenen 100 Millionen. Tennis soll eines der Eye-Catcher-Events sein, aber der Bau ist eine Sache der Wien Holding. Das gesamte Projekt wird aber sicher noch fünf Jahre in Anspruch nehmen.