Kein Cordoba gegen den Tennis-Falco
Alexander Zverev beendet das Wimbledon-Märchen vom Österreicher Sebastian Ofner und steht erstmals in der zweiten Woche eines Grand-Slam-Turniers.
von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet:
08.07.2017, 18:49 Uhr
Von Christian Albrecht Barschel aus Wimbledon
Deutsche Sportfans blicken auf dieses Ereignis sehr ungern zurück. Am 21. Juni 1978 unterlag die deutsche Fußballnationalmannshaft als amtierender Weltmeister und haushoher Favorit im letzten Spiel in der Zwischenrunde gegen die bereits ausgeschiedenen Österreicher mit 2:3. Die Niederlage ging in die deutsche Sportgeschichte als "Schmach von Cordoba" ein, während in Österreich diese Szenen immer wieder gerne hervorgekramt werden, wenn ein sportliches Ereignis zwischen Deutschland in Österreich ansteht.
Alexander Zverev erlebte heute am 8. Juli 2017, auf Court 2 im All England Lawn Tennis & Croquet Club, kein persönliches Cordoba. Der 20-jährige Deutsche setzte sich in der dritten Runde in Wimbledon gegen den klaren Außenseiter, den Österreicher Sebsatian Ofner, souverän mit 6:4, 6:4, 6:2 durch. Für Zverev ist der Sieg ein weiterer Meilenstein in seiner noch so jungen Karriere, bedeutet er doch den erstmaligen Einzug in ein Grand-Slam-Achtelfinale. "Ich fühle mich sehr gut und bin glücklich, wie ich spiele. Heute klappte der Return sehr gut. Ich hatte nie das Gefühl, dass mit das Match aus den Händen gerissen werden kann", kommentierte der Deutsche seinen Sieg.
Die große Achtelfinalchance genutzt
Nach seinem Zweitrundensieg wurde Zverev in der Pressekonferenz darauf angesprochen, ob das Erreichen der zweiten Grand-Slam-Woche ihm etwas bedeuten würde: "Ich habe nun eine gute Chance. Das wäre natürlich schön, aber darüber denke ich nicht wirklich viel nach." Man merkt: Der 20-Jährige hat weitaus höhere Ambitionen, als nur ins Achtelfinale zu kommen. Dreimal zuvor stand Zverev in der dritten Runde eines Grand-Slam-Turniers. Doch diesmal waren die Chancen aufs Achtelfinale so gut, wie sie nicht hätten sein können. Zum einen, weil er als Weltranglisten-Zwölfte ohnehin als Favorit in die Partie gegangen wäre, zum anderen, weil ihm ein Spieler gegenüberstand, der vor zwei Wochen höchstens Tennisinsidern und Österreichern ein Begriff war.
Sebastian Ofner, 21 Jahre als und die Nummer 217 im ATP-Ranking, schrieb in den vergangenen Tagen sein persönliches Wimbledon-Märchen. Nie zuvor hatte der Österreicher auf Rasen gespielt und im Hauptfeld eines ATP-Turniers gestanden. Dann kam Wimbledon, zunächst die drei Siege in der Qualifikation, gefolgt von den beiden Sensationssiegen gegen Thomaz Bellucci und Jack Sock. Ofner stand plötzlich im Rampenlicht, musste Rede und Antwort stehen, auch zu seiner zurückgegelten Frisur. Wegen seines Aussehens hatte er schnell den Spitznamen Tennis-Falco weg. Der Vergleich zum verstorbenen Popmusiker aus Österreicher stört Ofner aber keineswegs.
Drei fast ähnliche Sätze
Gegen Zverev konnte Ofner an seinem persönliches Wimbledon-Märchen nicht fortschreiben. Der Deutsche erwies sich mit zunehmender Spielzeit als der zu erwartende stärkere Spieler, doch der Tennis-Falco hielt das Match lange offen. Zverev gab nach einem Traumstart mit einem Break ebenfalls sein erstes Aufschlagspiel unter der Mithilfe von zwei Doppelfehlern ab. Beim Stand von 4:4 nutzte er auch seine zweite Breakchance im Durchgang und servierte anschließend zur Satzführung aus. Im zweiten Abschnitt sahen die Zuschauer auf Court 2 einen ähnlichen Verlauf: Wieder startete Zverev mit dem Break zum 1:0, wieder gab er seinen Aufschlag ab, diesmal zum 2:2. Nach einem weiteren Break konnte Ofner nicht zurückschlagen.
Und auch im dritten Satz gewann der Deutsche das erste Returnspiel, um sich wie schon zu Beginn des Matches direkt zurückbreaken zu lassen. Doch danach ging alles ganz schnell zugunsten von Zverev. Nach 1:32 Stunden Spielzeit war der Einzug ins Achtelfinale perfekt. Dort geht es gegen den Vorjahresfinalisten Milos Raonic. Zverev hat gegen den Kanadier das bislang einzige Duell gewonnen, in diesem Jahr im Viertelfinale beim ATP-Masters-1000-Turnier in Rom. Im Anschluss gewann er das Turnier.
"Das sind nun komplett andere Umstände gegen Milos, auch ein anderer Belag. Ich erwarte, dass er wie immer gut aufschlägt. Es wird natürlich schwer werden, seinen Aufschlag zu simulieren. Vielleicht lasse ich einen Sparringspartner von der T-Linie servieren", blickte Zverev auf das Achtelfinale voraus.