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Wimbledon: Tommy Haas - „So etwas pusht Novak Djokovic“

Tommy Haas wird in Wimbledon wieder im Doppel der Legenden antreten. So das Wetter dies zulässt. Beim Gespräch in der Medienrunde vor Beginn des Wettbewerbs zeigt sich Deutschlands langjährige Nummer eins bestens gelaunt.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 09.07.2024, 15:31 Uhr

Tommy Haas in Wimbledon 2017
© Jürgen Hasenkopf
Tommy Haas in Wimbledon 2017

Von Jens Huiber aus Wimbledon

Tommy Haas hat auch 2024 seine ganz persönliche Rasensaison absolviert. Da steht in den letzten Jahren zunächst Stuttgart an, danach Mallorca - beides begründet in seiner engen Verbindung mit dem Veranstalter der beiden Turniere, Edwin Weindorfer. Und jetzt ist er also im in diesem Jahr extragrauen Wimbledon gelandet, um erneut das Legendendoppel aufzumischen.

Beim dazugehörigen Pressetermin ist der Turnierdirektor von Indian Wells ein von vielen Seiten begehrter Mann. Das Gespräch auf Deutsch wird dagegen zum Einzel-Interview.

tennisnet: Herr Haas. Konnten Sie sich hier vor Ort schon einspielen?

Tommy Haas: Noch nicht. Ich bin erst vorgestern Abend angekommen, wohne in diesem Jahr erstmals auch etwas auswärts. Und habe gestern tatsächlich auf rotem Sand gespielt. Aber ich war ja schon bei den Turnieren in Stuttgart und auf Mallorca dabei, da konnte ich mich auf Rasen einspielen. Was für uns Tennisspieler immer etwas Besonderes ist. 

tennisnet: Alexander Zverev ist am Montag gegen Taylor Fritz ausgeschieden. Konnten Sie das Match mitverfolgen?

Haas: ich habe nichts gesehen, nur davon gelesen, dass er an seinem Knie wohl etwas angeschlagen ist, sich nicht mehr perfekt bewegen konnte. Als ehemaliger Spieler, der auch viel mit Verletzungen zu kämpfen hatte, weiß ich: Das ist nie einfach. Und wenn man eine 2:0-Satzführung noch abgibt, muss es was Gravierendes gewesen sein. Ich will aber auch nichts von Taylor Fritz wegnehmen, der auf Rasen sehr gut spielt und in der Woche vor Wimbledon ja in Eastbourne gewonnen hat. Voll fit hätte Zverev wahrscheinlich gewonnen. Aber so ist das eben im Sport: Manchmal gibt der Schiedsrichter Elfmeter, manchmal nicht … hätte, wäre - man weiß es nie genau.

Alcaraz für dessen Leistungen Respekt zollen

tennisnet: Ein großes Thema der letzten Tage ist, wie Novak Djokovic erneut Energie aus dem Verhalten des Publikums zieht, das nicht hundertprozentig in seiner Ecke steht. Haben Sie auch Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht?

Haas: Früher war die Davis-Cup-Situation ja noch ein wenig anders. Da geht man dann in die Auswärts-Matches rein und weiß, dass man nicht viel Applaus hören wird. Oder sogar ausgebuht wird. Da kann man sich drauf einstellen. Bei Novak ist es, glaube ich, eine etwas andere Situation. Und auch eine ganz andere Dimension angesichts seiner Erfolge. Zumal wir ja auch nicht wissen, wie lange wir einen Novak Djokovic überhaupt noch sehen dürfen. Da geht ihm so eine Situation vielleicht auch mehr unter die Haut. So etwa baut ihn aber andererseits auch auf und pusht ihn. Und das ist für den Gegner nie eine gute Nachricht. Novak hat ja auch gerade eine OP am Knie gehabt. Jetzt steht er zum 60. Mal im Viertelfinale eines Majors und ist eigentlich der Favorit auf den Finaleinzug. Das ist unglaublich.

tennisnet: Die beiden letzten Ausgaben „Ihres“ Turniers in Indian Wells hat Carlos Alcaraz gewonnen. Der dann vor Paris wenig Vorbereitung gebraucht hat, um dort den Titel zu holen. Hat es sie überrascht, dass mit so wenigen Matches so viel möglich ist?

Haas: So etwas gab es immer wieder. Wenn man sich anschaut, wie Pete Sampras generell auf Sand gespielt hat und sich bei den French Open schwer getan hat. Und dann ist er hierher gekommen, ohne davor Queen´s oder Halle gewonnen zu haben, und war dann plötzlich wieder auf das Wesentliche konzentriert. Dazu kommt: Wenn man als Titelverteidiger irgendwo hinkommt, fühlt man sich wohl, weiß, dass man gutes Tennis spielt. Natürlich hätte Alcaraz auch Queen´s gerne verteidigt, keine Frage. Aber an jenem Tag hat Jack Draper einfach stark gespielt. Und wenn Alcaraz ins Überlegen kommt oder zu viel ausprobiert, dann wissen wir auch, dass es in seinem Spiel Schwankungen geben kann. Aber Carlos ist 21 Jahre alt - und was er in seiner Karriere schon gewonnen hat, das ist mit unglaublichem Respekt zu bewerten.

Haas schlägt in Wimbledon Agassi

tennisnet: Wie ernsthaft wird beim Legendenturnier gespielt?

Haas: Ich weiß, wie viel Arbeit im Hintergrund für uns passiert. Und ich habe ja schon einmal gewonnen. Auch ein schöne Erfahrung, weil ich als Junior oder bei den Herren ja leider nie hier gewinnen konnte. Aber klar: Man ist hier, um Spaß zu haben, bekannte Gesichter wiederzusehen. Und es ist angenehm, dass es keinen Druck gibt.

tennisnet: Ihre eigene Wimbledon-Geschichte bringt man ka auch mit dem unglücklichen Tritt auf den Ball in Verbindung, bei dem Sie sich verletzt haben. Wie lange dauert es, bis man über so etwas hinweg ist?

Haas: Man denkt ab und zu darüber nach und denkt sich: Wahnsinn, dass so etwas passiert ist und wie es überhaupt passieren konnte. Das ist immer noch ein kleines Rätsel. Ich habe Wimbledon aber schon als kleiner Junge geliebt. Den Sieg von Boris 1985 mitverfolgt, mich auch für die Generation Borg und McEnroe interessiert, später dann Sampras und Agassi, den ich hier ja 1998 auf dem Centre Court geschlagen habe. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich in Wimbledon weit kommen kann. Und einmal ist es mir gelungen (2009 ging es bis ins Halbfinale; Anm. d. Red.).

von Jens Huiber

Mittwoch
10.07.2024, 11:51 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.07.2024, 15:31 Uhr