Görges und die Top 10: "Da hat man schonmal ein Tränchen im Auge"

Julia Görges hat auch in ihrem Debüt-Match als Top-Ten-Spielerin ihre starke Form eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Weltranglistenzehnte besiegte in Doha die Tschechin Lucie Safarova - und hat sich das Motto von Biathlon-Heldin Laura Dahlmeier zu eigen gemacht: "Scheiß da nix, dann feid da nix."

von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet: 14.02.2018, 09:59 Uhr

Julia Görges

Von Ulrike Weinrich aus Doha

Natürlich hat Julia Görges auch in diesen olympischen Tagen wieder Biathlon geschaut. Die Sportart, die sie so fasziniert, weil es ein Balanceakt zwischen zwei Extremen ist: Erst das Laufen bis zum Maximum - und dann das Runterkommen, um am Schießstand die Politik der ruhigen Hand zu verfolgen. Görges hat Laura Dahlmeier gesehen, wie sie in Pyeongchang zweimal Gold holte. Und sie muss immer über diesen einen Satz lachen, den die Doppel-Olympiasiegerin so gerne sagt: "Scheiß da nix, dann feid da nix." Will heißen: Habe keine Skrupel! Denk dir nichts, dann passiert dir auch nichts. Den Spruch hat Dahlmeier sogar auf ihrer Waffe stehen.

Ob Görges das coole Motto auf ihren Schläger eingravieren lässt? Eher unwahrscheinlich. Aber momentan erweckt es auch nicht den Anschein, als ob die 29-Jährige ein Leitmotiv bräuchte. Zu gefestigt und konstant stark wirkt "Jule" in diesen für sie so rosigen Zeiten. Was nicht heißt, dass sie die schönen Begleiterscheinungen ihres hart erarbeiteten Erfolges nicht zu schätzen weiß.

Top Ten? "Ein Moment, in dem man sich kneifen muss"

Vor gut einer Woche, nach ihrem Halbfinal-Aus in St. Petersburg, verfolgte sie am Flughafen zufällig ihren erstmaligen Sprung in die Top Ten. Es passte ins Bild, dass der Flieger nach Hause Verspätung hatte. Selbst die höheren Mächte scheinen des derzeit gut zu meinen mit der Auckland-Siegerin. Also sah sich Görges am Airport zusammen mit ihrem Physio und Fitnesscoach Florian "Flo" Zitzelsberger den Sieg der Tschechin Petra Kvitova in der Zarenstadt an, der die Wahl-Regensburgerin auf Platz zehn der Weltrangliste bugsierte.

"Als der Matchball vorbei war, war das schon ein besonderer Moment, in dem man auch mal das ein oder andere Tränchen in den Augen hat und sich kneifen muss", verriet Görges in Doha im tennisnet-Interview. Sie dachte in den Minuten des vollkommenen Glücks auch an die vielen Rückschläge. "Ich habe einiges durchgemacht in meiner Karriere. Und es da hoch zu schaffen, ist schon ein spezielles Gefühl." Die Emotionen kochten noch einmal hoch, als am Montag darauf die offizielle Weltrangliste erschien: Schwarz auf weiß stand da geschrieben: 10. Julia Görges. Sie gehört jetzt auch offiziell zur Beletage - ist ein Fixstern im riesigen Tennis-Universum.

Das Drücken des "Reset"-Knopfes als Erfolgsrezept

"Ich denke, die Top Ten sind der größte Meilenstein", meinte die Porsche-Botschafterin. Wohwissend, dass durch ihren Vorstoß der öffentliche Druck sogar ein wenig geringer geworden ist. "Ich kann hinter das Thema 'erste Zehn' jetzt einen Haken machen. Und nun konzentriere ich mich wieder auf das, was ich machen möchte: Mich weiterzuentwickeln." Görges spricht klar und zielorientiert, wenn sie das sagt. Ein verbaler Angriff auf die Top 5 - oder gar die Top 3? Nicht mit ihr, der Realistin mit dem trockenen Humor, die forsche Sprüche so gar nicht mag.

Die Powerspielerin aus Bad Oldesloe ist lang genug im Wanderzirkus WTA-Tour dabei, um zu wissen, wie schnelllebig das Geschäft ist. "Es geht jetzt darum, sich dort oben zu etablieren und weiter hart zu arbeiten. Aber es ist nicht immer nur eine Nummer, um die es geht." Und doch darf sich Görges auf die Schulter klopfen. Ihr Mut wurde belohnt. Ende 2015 war sie vom Norden nach Bayern gezogen und hatte ihren Betreuerstab komplett ausgetauscht. Das Drücken des "Reset-Knopfes" hatte den gewünschten Erfolg. "Das ist einfach eine ganz andere Jule als früher", sagte Görges bereits im vergangenen Jahr, als sie zwei Titel (Zhuhai und Moskau) holte - und was viele vergessen: Drei weitere Finals erreichte.

Rückkehr ins Fed-Cup-Team bestätigt

Erstmals seit September 1997 und damit seit 244 Monaten stehen in Görges und Angelique Kerber (9.) zwei deutsche Spielerinnen in den Top Ten. Und das Tennis-Jahr 2018 könnte ein ganz besonderes werden. Görges bestätigte tennisnet am Rande des Turniers in Doha, bei dem sie am Mittwoch in der zweiten Runde auf die Tschechin Barbora Strycova trifft, ihre Rückkehr ins Fed-Cup-Team für das anstehende Halbfinale gegen Tschechien (21./22. April). "Ja, ich bin auf jeden Fall dabei", sagte die 29-Jährige. Görges hatte in der Auftaktpartie des DTB-Teams am Wochenende gegen Gastgeber Weißrussland in Minsk (3:2) ebenso wie Kerber pausiert.

Ohne ihre beiden Stars, die in den vergangenen Jahren stets für die deutsche Auswahl zur Verfügung gestanden hatten, gelang der Equipe des neuen Kapitäns Jens Gerlach die große Überraschung im Duell mit dem letztjährigen Finalisten. "Da haben die Mädels Unfassbares geleistet", lobte Görges ihre Kolleginnen Tatjana Maria, Anna-Lena Grönefeld, Antonia Lottner und Anna-Lena Friedsam.

Biathlon-Gutschein muss noch eingelöst werden

In Doha will Görges aber erst einmal ihre Erfolgsserie ausbauen. Und ab und an etwas Biathlon im TV schauen. Apropos: Noch immer hat sie einen Gutschein von Fritz Fischer, der sie berechtigt, einmal selbst in die Loipe und in den Schießstand zu gehen. "Das werde ich nach der Karriere machen", kündigte Görges mit strahlenden Augen an: "Und auf dieses Erlebnis freue ich mich schon jetzt". Wetten, dass ihr Motto dann lauten wird: "Scheiß da nix, dann feid da nix."

von Ulrike Weinrich

Mittwoch
14.02.2018, 09:59 Uhr