Mona Barthel exklusiv: "Ich hatte irgendwie meine Identifikation verloren"
Im tennisnet-Interview spricht Mona Barthel über schwierige Momente, Bücherkäufe als Zeichen von Selbstverantwortung, das Mental-"Monster" Caroline Wozniacki und ihren Coach Christopher Kas.
von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet:
14.02.2018, 15:29 Uhr
Von Ulrike Weinrich aus Doha
Trotz einer vielversprechenden Vorbereitung spielt Mona Barthel bislang eine eher enttäuschende Saison. Die Nummer 75 der Welt, die in ihrer Karriere immer wieder von Krankheiten und Verletzungen zurückgeworfen wurde, hat aber weiter die Top 20 im Visier. Die knappe Auftaktniederlage gegen Agnieszka Radwanska in Doha gab der smarten Barthel Anlass zu einigem Optimismus.
tennisnet: "Im Match gegen Agnieszka Radwanska in Doha haben Sie neun Matchbälle abgewehrt - und verloren dann trotzdem unglücklich in drei Sätzen. Ist Ihnen etwas Ähnliches schon einmal passiert?"
Mona Barthel: "Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Ich glaube, ich habe einmal acht Matchbälle selbst vergeben, das war irgendwann in der Bundesliga..."
tennisnet: "Gemessen an den Ergebnissen verlief Ihr Saisonstart relativ enttäuschend. Ähnlich wie die letzten Monate 2017. Macht Ihnen der Auftritt gegen Radwanska trotzdem Mut?"
Barthel: "Ja, das war eines meiner besten Matches. Ich hatte einen ganz klaren Plan und habe ihn auch durchgezogen. Ich bin viel ans Netz gegangen und habe mir immer wieder neue Chancen gegeben. Das hat sich total gut angefühlt. Im Großen und Ganzen ziehe ich positive Dinge aus dieser Niederlage. Wichtig war, dass ich mich als Spielerin wiedererkannt habe. Viel mehr als in den Wochen zuvor. Ich hatte irgendwie meine Identifikation auf dem Platz verloren. Sie kommt jetzt langsam wieder zurück."
"Das normale Leben ist manchmal dem Tennissport sehr ähnlich"
tennisnet: "Warum läuft es bislang noch nicht so richtig?"
Barthel: "Natürlich habe ich viel darüber nachgedacht. Aber einen einzigen Grund gibt es wahrscheinlich nicht. Meine Vorbereitung in der TennisBase in Oberhaching verlief super. Es gab wirklich keine Einheit, die nicht gut war. Deswegen bin ich auch mit hohen Erwartungen in die Saison gegangen. Und deshalb war ich auch umso enttäuschter darüber, wie es in den ersten Spielen gelaufen ist. Das kam ein wenig aus dem Nichts. Es war eine unglaublich schwierige Zeit, sehr herausfordernd - gerade mental. Denn ich wusste, mein Tennis ist ja da. Aber ich konnte es im Wettkampf nicht auf den Platz transportieren. Vielleicht war das so ein bisschen ein Wake-up-Call."
tennisnet: "Wie meinen Sie das?"
Barthel: "Ich habe zuletzt viele Dinge verändert. Gerade aus diesen schwierigen Zeiten kann man viel lernen. Das ist ein Prozess, der auch noch nicht abgeschlossen ist, nur weil ich die letzten Matches eindeutig besser gespielt habe. Es geht in die richtige Richtung. Das ist schonmal gut zu wissen."
tennisnet: "Was haben Sie konkret getan, um gegenzusteuern?"
Barthel: "Ich habe bereits im letzten Jahr angefangen, mit einem Mentalcoach zu arbeiten. Und weil ich auch Selbstverantwortung übernehmen wollte, habe ich mir Bücher zum Thema gekauft. Darin ging es nicht nur um Sport, denn das normale Leben ist manchmal dem Tennissport sehr ähnlich. Das lässt sich ganz gut übertragen, denn vom Prinzip her geht es ja immer um die gleichen Dinge. Ich wollte sehen, wo liegt das Problem - und wie kann ich es rational angehen. Es gehört ja eigentlich zu meinen Stärken, logisch zu denken."
tennisnet: "Wie sieht denn aus Ihrer Sicht die ideale Spielerin Mona Barthel aus, die ja schonmal auf Position 23 im Ranking stand?"
Barthel: "Ein wenig so, wie ich es gegen Radwanska gezeigt habe. Ich will druckvoll spielen und den Weg ans Netz suchen, um dort die Punkte abzuschließen. Auf der anderen Seite möchte ich mir die Freiheit lassen, ein bisschen zu variieren, damit das Kreative in meinem Spiel vorhanden ist. Ich denke, der Aufschlag ist eine große Stärke, auf der ich aufbauen sollte."
Caro Wozniacki als "Mental"-Monster das Vorbild
tennisnet: "Schaut man auch auf die Konkurrentinnen, um sich dadurch weiterzuentwickeln?"
Barthel: "Natürlich. Ich habe mir auch aufgeschrieben, wie mein Spiel aussehen soll und mich mit anderen Spielerinnen verglichen. Da fragt man sich: Wo fehlt es bei mir noch, woran muss ich jetzt noch arbeiten? Beim Service bin ich ein großer Fan der Pliskova-Zwillinge, sie haben eine tolle flüssige Aufschlag-Bewegung. Mental gefällt mir Caroline Wozniacki, weil ich finde, dass sie sehr tough ist. Aber gleichzeitig sieht man ihr an, dass sie Spaß hat auf dem Platz. Caro gelingt diese Balance sehr gut. In Sachen Vorhand hat mich Ana Ivanovic immer beeindruckt. Bei der Rückhand nehme ich aber dann doch meine eigene."
tennisnet: "Wie wichtig ist das sonnige Gemüt Ihres Coaches Christopher Kas - gerade auch in diesen sportlich nicht einfachen Zeiten?"
Barthel: "Unglaublich wichtig. Ich finde, wir sind sehr konträr und können uns dadurch ziemlich gut ergänzen. Er bringt mir auch außerhalb des Platzes viele Dinge bei. Es ist eine wirklich gute Zusammenarbeit, der Teamgedanke steht immer im Vordergrund. Es hat natürlich auch in den letzten Wochen enorm geholfen, dass er so ein positiver Mensch ist. Er versucht immer, eine Lösung zu finden und hilft mir, die Sachen etwas pragmatischer anzugehen."
tennisnet: "Sie standen beim überraschenden 3:2-Sieg der deutschen Fed-Cup-Manschaft gegen Gastgeber Weißrussland in Minsk nicht im Aufgebot. Was war der Grund?"
Barthel: "Die Mädels haben eine unglaublich gute Leistung gezeigt. Ich wäre auch gerne dabei gewesen, aber ich habe zusammen mit dem neuen Teamchef Jens Gerlach entschieden, dass es einfach nicht der richtige Zeitpunkt für eine Nominierung war. Wir saßen bei den Australian Open zusammen und haben uns unterhalten. Und wenn man ehrlich ist, waren meine letzten sechs Monate nicht so prickelnd. Doch in den Wochen bis zum Halbfinale kann viel passieren. Angie Kerber und Jule Görges werden gesetzt sein, aber der Rest ist so dicht beeinander. Der Fed Cup ist für mich auf jeden Fall auch in Zukunft weiter ein Thema, denn ich mag Teamsport total gerne."
tennisnet: "In Angelique Kerber und Julia Görges stehen zwei Deutsche in den Top Ten. Wie sehr dient dies als Motivation?"
Barthel: "Klar ist das ein Ansporn. Bei Angie war es unglaublich schön zu sehen, wie sie nach ihrem so schwierigen Jahr 2017 in die neue Saison gestartet ist und wieder super spielt. Und auch Jule ist sehr inspirierend. Ich finde, man merkt, wie gelassen sie ist. Sie genießt alles, auch weil sie einfach in einem mental guten Zustand ist. Jule hat ein super Team um sich herum. Jahrelang hat sie konsequent weitergearbeitet - und das zahlt sich dann auch aus."