Laura Siegemund – Mit Charme und Chuzpe ins Finale?

Der Traumlauf der Laura Siegemund in Stuttgart geht weiter. Am Samstagabend trifft die Lokalmatadorin auf die Nummer eins des Turniers.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 24.04.2020, 11:08 Uhr

STUTTGART, GERMANY - APRIL 22: Laura Siegemund of Germany serves in her match against Roberta Vinci of Italy during Day 5 of the Porsche Tennis Grand Prix at Porsche-Arena on April 22, 2016 in Stuttgart, Germany. (Photo by Dennis Grombkowski/Bongar...

Von Florian Goosmann aus Stuttgart

Sie ließ sich nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Den kurzen Ausrutscher zu Beginn des zweiten Satzes wischte Laura Siegemund sowohl gedanklich als auch physisch, mit Hilfe eines Handtuchs, weg. Und die Verwarnung wegen Zeitüberschreitung, kurz vor Ende, beantwortete sie humorlos mit einem Ass.

Siegemund steht nach ihrem 6:1, 6:4 gegen die Italienerin Roberta Vinci im Halbfinale des Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart , es ist ihr bislang größter Karriere-Erfolg. Entsprechend groß fiel der Jubel aus: Siegemund sprang über den Asche-Court der Porsche-Arena, dabei fast in die Arme ihrer unterlegenen Gegnerin Vinci, dann sprang sie weiter in Richtung Betreuerbox. Heute, im Halbfinale gegen die topgesetzte Agnieszka Radwanska , will sie ins Finale springen (ab 18 Uhr auf Eurosport oder im Livestream auf ran.de/tennis.de).

Power-Tennis statt Gewalt-Tennis

Der Erfolg der Lokalmatadorin aus Filderstadt kommt für viele überraschend. Ja, er ist tatsächlich überraschend. Und doch irgendwie nicht. Auch für Siegemund selbst, die nicht erst seit gestern Profi ist, als Kind bereits als neue Steffi Graf gehandelt wurde, aber mit der Welt des Profitennis nicht gleich klar kam. Erfolge fehlten, Siegemund nahm vor ein paar Jahren das Tempo raus, studierte zwischenzeitlich Psychologie, schloss mit Note 1,3 und einer Bachelor-Arbeit mit dem Titel "Versagen unter Druck" ab.

Die Tage in Stuttgart nach drei Siegen in der Qualifikation und nun auch dreien im Hauptfeld: Sie sind eine glatte 1, der Titel könnte lauten "Siegen ohne Druck" oder auch "Ich will den roten Porsche haben". Sie sind ebenso ein Ausrufezeichen an die Konkurrenz. Denn mit Siegemund kommt eine, die mittlerweile weiß, was sie will. Und was sie kann.

Siegemund spielt anders als andere

Eine genaue Erklärung, warum es plötzlich läuft, mit 28 Jahren, hat sie dabei nicht. Viele Faktoren seien dafür verantwortlich, "durch die Auszeit und den Abstand, den ich mir genommen habe, habe ich eine neue Perspektive auf den Profisport bekommen", sagt sie. "Aber es steckt natürlich viel Arbeit dahinter." Verbesserungen im Spiel selbst, im mentalen Bereich, auch die Ernährung hat sie umgestellt. "Es ist eine Kombination aus vielen Dingen, die sich verbessert haben und die auch schon über längere Zeit aufgebaut wurden."

Eine Kombination ist es auch, mit der sie auf dem Platz begeistert. Siegemund spielt Power-Tennis, aber kein Gewalt-Tennis, sie spielt selbstbewusst, aber nicht überheblich, "ich muss mich pushen, damit ich mein bestes Tennis abrufen kann", weiß sie. Zudem variiert die Stuttgarterin wie kaum eine andere in der Szene, spielt mit Winkeln, mit dem Slice, mit dem Stopp. Wird aggressiv, wenn es möglich ist, antwortet schlau, wenn sie mal selbst in Bedrängnis kommt. Siegemund spielt anders als andere, "eigenartig", wie Gegnerin Vinci später feststellte. Und das darf Siegemund durchaus als Lob auffassen.

Noch zwei Schritte bis zum Sieger-Porsche

Auf Turnieren, wenn sie mal eine Auszeit habe, sei sie eher der Gemütlichkeitsmensch, sagt Laura Siegemund. Sonst aber könne sie nicht einfach auf dem Sofa sitzen und ein Buch lesen, sondern sei ein super aktiver Mensch, habe "Hummeln im Hintern". "Auffällig ist, wie schnell du zwischen den Ballwechseln hin und her gehst", beobachtete auch Heinz Günthardt, der sie im Anschluss an ihren Vinci-Sieg interviewte.

Geht's nach Laura Siegemund, kann es auch in Zukunft recht zügig weitergehen. Auf dem Tennisplatz, aber auch auf dem Weg von A nach B. Noch zwei Siege fehlen und sie könnte bald noch ein paar PS mehr unterm Hintern haben: in Form des Siegerautos - einem roten Porsche 718 Boxster.

von Florian Goosmann

Freitag
22.04.2016, 20:35 Uhr
zuletzt bearbeitet: 24.04.2020, 11:08 Uhr