Zehn denkwürdige Endspiele bei den French Open
tennisnet.com präsentiert Finals in Paris, die für viel Aufsehen gesorgt haben.
von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet:
23.05.2013, 10:05 Uhr

Von Christian Albrecht Barschel
Herren:
1984: Ivan Lendl - John McEnroe 3:6, 2:6, 6:4, 7:5, 7:5
Für John McEnroe war die Finalniederlage bei den French Open 1984 die wohl bitterste in seiner Karriere, für Lendl war der Finalerfolg einer der schönsten Siege. McEnroe war auf dem besten Weg, seinen ersten Titel bei den French Open zu gewinnen. Der US-Amerikaner ging ins Endspiel mit einer makellosen 42:0-Bilanz in jenem Jahr. An Lendl hingegen haftete der Verlierer-Status, da er seine ersten vier Grand-Slams-Finals allesamt verloren hatte. Für McEnroe lief alles nach Plan. Er gewann die ersten beiden Sätze problemlos. Dann brachte sich"Big Mac" aber selbst aus dem Spiel. Er beschwerte sich lautstark über die Geräusche aus dem Kopfhörer eines Kameramannes und zog sich den Unmut der Zuschauer zu. Lendl kam ins Spiel zurück und rang McEnroe nach 4:08 Stunden nieder. "Es fühlt sich großartig an, endlich andere Fragen zu beantworten", erklärte Lendl nach seinem ersten Grand-Slam-Titel.
1989: Michael Chang - Stefan Edberg 6:1, 3:6, 4:6, 6:4, 6:2
17 Jahre und 110 Tage. So alt war Michael Chang, als er 1989 die French Open gewann. Chang ist damit immer noch der jüngste Grand-Slam-Sieger im Herreneinzel. 21 Stunden und 18 Minuten verbrachte der 17-jährige US-Amerikaner auf dem Platz, um seinen ersten und einzigen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Den meisten Tennisfans dürfte sicherlich Changs Achtelfinale gegen die damalige Nummer eins Ivan Lendl mehr in Erinnerung geblieben sein, in dem er einen 0:2-Satzrückstand aufholte und zum Ende mit Krämpfen in den Beinen Lendl mit Mondbällen und Aufschlag von unten demoralisierte. Das Endspiel gegen Stefan Edberg war aber ebenso dramatisch. Der Schwede nutzte nur sechs seiner 26 Breakchancen und verpasste seine große Chance auf den French-Open-Titel. "Er kommt einfach immer wieder zurück. Ich muss ihn dafür bewundern. Aber man weiß ja, wie es mit den jungen Kerlen ist. Sie schlagen einfach. Sie müssen nicht nachdenken", sagte Edberg hinterher. Chang war von seinem sensationellen Triumph in Paris überwältigt. "Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich es geschafft habe. Was immer nun auch passiert, ob gut oder schlecht, das wird das ganze Leben bei mir bleiben."
1997: Gustavo Kuerten - Sergi Bruguera 6:3, 6:4, 6:2
Vom Ergebnis her war das Finale 1997 kein richtiger Leckerbissen, aus historischer Sicht schon. Gustavo Kuerten tauchte in Paris wie Phönix aus der Asche auf und gewann als Nummer 66 der Welt die French Open. Kuerten wurde der erste Brasilianer, der ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Er ist der am niedrigsten platzierte Spieler, der in Paris triumphieren konnte. Der Brasilianer krönte seinen Sensationslauf mit einem glatten Finalsieg gegen den zweifachen French-Open-Sieger Sergi Bruguera. Im Turnierverlauf hatte Kurten mit Thomas Muster und Yevgeny Kafelnikov bereits zwei Paris-Champions aus dem Turnier geworfen. "Es ist das erste Mal, dass ich auf der ATP-Tour in einem Finale stehe, und das noch bei den French Open. Ich habe diese Trophäe nicht erwartet, deshalb glaubte ich auch nicht daran, dass es passieren kann. Ich hätte das nie für möglich gehalten", sagte Kuerten, der seinen Triumph in Paris wie jeden anderen Sieg auch seinem verstorbenen Vater widmete. "Jedes Mal wenn ich spiele, denke ich an meinen Vater, weil er so einen großen Einfluss auf mich hatte. Nicht nur im Tennis und im Sport, sondern auch bei der Erziehung und beim Rest des Lebens", erklärte Kuerten. Viele Leute sprachen nach dem Turnier davon, dass der French-Open-Sieg von Kuerten eine Eintagsfliege war. Doch sie sollen Unrecht haben. Kuerten avancierte zu einem der besten Sandplatzspieler, gewann die French Open 2000 und 2001 zwei weitere Male und schaffte es auf Platz eins der Weltrangliste.
1999: Andre Agassi - Andrei Medvedev 1:6, 2:6, 6:4, 6:3, 6:4
Mit Andre Agassi und Andrei Medvedev hatten wohl nur die allerwenigsten Tennisexperten im Finale der French Open 1999 gerechnet. Die Karriere von Agassi schien 1997 dem Ende entgegen zu gehen. Der US-Amerikaner war zwischenzeitlich nur noch auf Platz 141 notiert. Doch Schritt für Schritt spielte sich der US-Amerikaner wieder an die Weltspitze heran und erreichte 1999 sein drittes Finale in Paris. Auch die besten Zeiten von Medvedev, ehemals Nummer vier der Welt, schienen schon längst vorüber. Der Ukrainer ging als Nummer 100 ins Turnier und beendete seinen Sensationslauf beinahe mit dem Titelgewinn. Medvedev führte Agassi zwei Sätze lang vor und war auf dem besten Wege, der am niedrigsten platzierte Sieger in Paris zu werden. Der Wendepunkt im Finale kam beim Stand von 4:4 im dritten Satz, als Medvedev einen Breakball zur vermeintlichen Vorentscheidung nicht nutzen konnte. Agassi drehte auf und gewann schließlich nicht nur die French Open, sondern vollendete auch als fünfter Spieler überhaupt und erster in der Open Era den Karriere-Grand-Slam. "Das ist mit Sicherheit das größte Gefühl, dass ich je auf einem Tennisplatz hatte. Ich möchte allen Leuten danken, die nie aufgehört haben, an mich zu glauben", sagte Agassi bei der Siegerehrung und sprach davon, dass sein Triumph "reines Schicksal" sei.
2004: Gaston Gaudio - Guillermo Coria 0:6, 3:6, 6:4, 6:1, 8:6
Im Jahr 2004 kam es zum argentinischen Duell zwischen Guillermo Coria und Gaston Gaudio. Coria ging als klarer Favorit ins Endspiel und hatte von seinen vorherigen 38 Spielen auf Sand nur eines verloren. Das Finale zwischen "El Mago" (der Magier), wie Coria genannt wurde, und "El Gato" (die Katze), wie Gaudio genannt wurde, hatte bereits eine Vorgeschichte. Nach seiner Halbfinalniederlage 2003 beim Turnier in Hamburg verpasste Gaudio seinem Landsmann in der Umkleide eine Ohrfeige, weil er sich von ihm betrogen fühlte. Coria hatte sich nach dem zweiten Satz wegen Verletzung eine Auszeit genommen, war dann putzmunter auf den Platz zurückgekehrt und hatte nach abfälligen Gesten den dritten Satz locker 6:0 gewonnen. Freunde waren die beiden Argentinier fortan nicht. Im Finale konnte Gaudio sich dafür nun endlich rächen. Doch "El Gato" war anfangs gegen die magischen Kräfte von "El Mago" chancenlos und wurde vorgeführt. 0:6 3:6 hieß das ernüchternde Ergebnis nach 60 Minuten. Gaudio gab aber nicht auf und sicherte sich den Satzausgleich, auch weil Coria mit Beginn des vierten Satzes Krämpfe bekam. Der fünfte Satz wurde mit insgesamt neun Breaks zum Nervenspiel. Coria schlug bei 6:5 zum Titelgewinn auf und hatte zwei Matchbälle. Am Ende strahlte jedoch Gaudio, der es als erster Spieler in der Open Era schaffte, ein Grand-Slam-Endspiel nach Matchballabwehr noch zu gewinnen. "Seit meiner Kindheit war dieser Turniersieg mein großer Traum. Jetzt stehe ich hier, und alles ist zu viel für mich", rang Gaudio mit den Worten.Unvergessen ist auch Gaudios Auftritt in Paris ein Jahr später. Im Achtelfinale führte Gaudio gegen David Ferrer mit 4:0 im fünften Satz und sagte zum Coach von Ferrer. "Mach' dir keine Sorgen. Ich werde heute nicht gewinnen." Er verlor tatsächlich sechs Spiele in Folge und das Match.
Damen:
1985: Chris Evert - Martina Navratilova 6:3, 6:7 (4), 7:5
Unglaubliche 80 Mal duellierten sich Martina Navratilova und Chris Evert auf der WTA-Tour - 61 Spiele davon waren Endspiele. Eines ihrer besten Matches war das Finale bei den French Open 1985. Obwohl Evert bereits fünfmal in Paris triumphiert hatte, ging sie als Außenseiterin ins Endspiel. Denn Navratilova hatte 15 der letzten 16 Duelle gegen ihre Landsfrau gewonnen. Evert kam mit den windigen Bedingungen im Finale besser zurecht, kontrollierte das Match und lag die meiste Zeit in Führung. Die US-Amerikanerin servierte im zweiten und dritten Satz zum Matchgewinn, konnte den Sack nicht frühzeitig zumachen. Als Navratilova bei 5:5 im dritten Satz drei Breakbälle in Folge hatte, schien sich Everts Negativserie fortzusetzen. Doch die 30-Jährige behielt gegen ihre zwei Jahre jüngere Dauerrivalin die Oberhand und durfte nach 2:45 Stunden ihren sechsten French-Open-Titel bejubeln. "Das war wahrscheinlich das beste Grand-Slam-Finale, das wir jemals gespielt haben. Sicherlich war es das engste und spannendste", sagte Navratilova. "Es war eines der dramatischsten Spiele, die ich je gespielt habe. Niemand gab mir eine Chance im Match. Ich glaube nicht, dass die Leute dachten, dass es ein episches Navratilova-Evert-Match wird. Als ich gewonnen habe, hatte ich das glücklichste Gefühl nach einem Grand-Slam-Titel", freute sich Evert.
1988: Steffi Graf - Natalia Zvereva 6:0, 6:0
Viel Tennis für ihr Geld bekamen die Zuschauer beim Damenfinale 1988 nicht geboten. Das Teenager-Finale zwischen der 18-jährigen Steffi Graf und der 17-jährigen Natalia Zvereva dauerte gerade einmal 32 Minuten. Graf überrollte die völlig überforderte Zvereva mit 6:0, 6:0. Es war das kürzeste Grand-Slam-Finale, das je gespielt wurde. Zvereva machte im Finale nur 13 Punkte, elf davon bekam sie durch Fehler von Graf geschenkt. Die einstündige Regenunterbrechung bei 3:0 im ersten Satz dauerte länger als das Match selbst. "Nach dem ersten Satz habe ich mir überlegt, was ich später am Abend essen würde", sagte die frustrierte Zvereva, die später auf der Pressekonferenz heulte. "Was soll ich machen? 0:6, 0:6 in einem Grand-Slam-Finale zu verlieren, ist die Hölle. Aber ich bin Sportlerin und versuche immer, das beste Tennis aus mir herauszukitzeln", versuchte sich Graf zu entschuldigen. Graf war in diesem Jahr nicht zu bremsen und krönte ihren Lauf mit dem bislang einmaligen "Golden Slam". Zvereva kam in ihrer Karriere dennoch zu großen Triumphen. Sie ist mit 18 Grand-Slam-Titeln eine der besten Doppelspielerinnen aller Zeiten.
1992: Monica Seles - Steffi Graf6:2, 3:6, 10:8
Anfang der Neunziger dominierten Steffi Graf und Monica Seles das Damentennis nach Belieben. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass es bei den French Open 1992 zum Endspiel zwischen der 22-jährigen Graf und der 18-jährigen Seles kam. Seles strebte nach den Erfolgen in den beiden Vorjahren den Titelhattrick in Paris an. Das Finale hatte alles, was sich ein Tennisfan wünschen kann - mit zwei Spielerinnen, die ihr gesamtes Repertoire abriefen. Im dritten Satz entwickelte sich ein Schlagabtausch auf allerhöchstem Niveau. Graf wehrte fünf Matchbälle ab, doch letztendlich setzte sich Seles nach 2:43 Stunden durch und gewann ihren dritten French-Open-Titel in Serie. Die Zuschauer hätten lieber Graf als Siegerin gesehen und unterstützten die Deutsche mit lauten "Steffi"-Rufen. "Ich war an vielen Orten, aber ich hatte nie ein Publikum wie dieses - niemals bevor", sagte eine emotionale Graf im Anschluss ans Match. "Ich glaube, dass es das emotionalste Match war, das ich je gespielt habe, nicht nur bei den Grand Slams, sondern bei allen Turnieren", sagte Seles nach ihrem Triumph.
1999: Steffi Graf - Martina Hingis 4:6, 7:5, 6:2
Es ist bis heute eines der packendsten Spiele, das es im Damentennis je gegeben hat. Das French-Open-Finale 1999 zwischen Steffi Graf und Martina Hingis hatte alles, was zu einem guten Tennisdrama dazu gehört. Zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten und Generationen standen sich gegenüber, die auf ihre Weise dem Damentennis in Sachen Stil, Strategie und Verhalten ihren Stempel aufdrückten. Die Sympathien der Zuschauer waren dabei klar verteilt. Auf der einen Seite mit Graf der Liebling des Pariser Publikums, auf der anderen Seite die respektierte, aber nicht wirklich geliebte Hingis. Nach einem spannenden Finale mit vielen Aufs und Abs gab es Tränen bei der Verliererin und Freudestrahlen bei der völlig überwältigten Siegerin. Der Weltranglisten-Ersten Hingis fehlte nur noch der Sieg bei den French Open, um den Karriere-Grand-Slam zu vervollständigen. Graf stand in den Endzügen ihrer Karriere und erreichte recht überraschend das Endspiel. Hingis drückte dem Spiel lange Zeit ihren Stempel auf und servierte bei 5:4-Führung im zweiten Satz zum Titelgewinn. Doch Graf schaffte den Ausgleich und übernahm das Kommando im Match. Die Deutsche ließ sich auch von den Spielchen von Hingis nicht aus der Ruhe bringen, als die Schweizerin bei Matchbällen von Graf von unten aufschlug. Graf gewann schließlich ihren sechsten Titel bei den French Open und den letzten Grand-Slam-Sieg in ihrer Karriere. "Es ist der größte, unerwartetste Triumph, den ich je gehabt habe. Es war eines der verrücktesten Matches aller Zeiten, es hatte alles", erklärte Graf. Für Hingis war die Finalniederlage ein Wendepunkt in ihrer Karriere. Die Schweizerin schied zwei Wochen später in Wimbledon in der ersten Runde sang- und klanglos aus und gewann kein weiteres Grand-Slam-Turnier mehr.
2001: Jennifer Capriati - Kim Clijsters 1:6, 6:4, 12:10
Das Endspiel 2001 zwischen Jennifer Capriati und Kim Clijsters war das bislang längste Damenfinale, das über drei Sätze ging - und es war ein hochdramatisches. Capriati setzte sich mit 12:10 im dritten Satz durch. Es war der längste Satz, der jemals in einem Damenfinale bei den French Open gespielt wurde. Clijsters war einen Tag vor dem Endspiel 18 Jahre alt geworden. Ein überragendes Geschenk zu ihrer Volljährigkeit konnte sich die Belgierin aber nicht machen. Im dritten Satz ging es hin und her. Clijsters war in zwei Spielen nur noch zwei Punkte von ihrem ersten Grand-Slam-Titel entfernt. Capriati servierte zweimal zum Matchgewinn, beim dritten Mal klappte es schließlich. "Ich hätte nie gedacht, dass ich elf Jahre nach meinem Debüt hier noch einmal gewinnen kann. Ich warte darauf, dass ich aus dem Traum aufwache, es scheint mir nicht so, als wäre er Wirklichkeit", zeigte sich die 25-jährige Capriati fassungslos. Bei ihrem Debüt in Paris hatte die US-Amerikanerin im Alter von 14 Jahren schon das Halbfinale erreicht. Capriati hatte zuvor schon die Australian Open gewonnen und war damit auf dem Weg zum Grand Slam. Dieser Traum zerplatzte dann aber im Halbfinale von Wimbledon.
(Foto: GEPA pictures)