Zverev-Aufschwung im Herbst lässt WM-Hoffnungen aufleben

Trotz seiner eindeutigen Finalniederlage beim Masters-Turnier in Shanghai kann Alexander Zverev ein positives Fazit seiner Asien-Reise ziehen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 13.10.2019, 18:55 Uhr

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Daniil Medvedev, Alexander Zverev
© Getty Images
Daniil Medvedev, Alexander Zverev

Immer wieder starrte Alexander Zverev an diesem Finalsonntag hinauf in die Ränge des Qi Zhong Stadions von Shanghai. Und manchmal, nach einem der vielen verlorenen Ballwechsel, wirkte es, als suche der junge Deutsche auf den Tribünen nach seinem Aufschlag. Oder überhaupt nach jenen Stärken, die ihn in der Turnierwoche zurecht in die Nähe des Pokaltriumphs gebracht hatten.

Es war schließlich ganz und gar nicht Zverevs Tag, dieser Endspieltag, an dem er den Start verschlief, nur zwei der ersten zwölf Punkte holte, den ersten Satz mit zwei Doppelfehlern verlor und danach nur noch den besten Platz beim 6:4, 6:1-Triumphzug seines Gegenspielers Daniil Medvedev inne hatte. „Es ist unglaublich, wie Du im Moment spielst. Du bist der beste Spieler im Moment“, sagte Zverev hinterher über den Russen, der tatsächlich die prägende Figur dieses zweiten Tennis-Halbjahres 2019 ist. Und dem derzeit am ehesten zuzutrauen ist, die Machtphalanx der Großen Drei (Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer) im Wanderzirkus zu durchbrechen.

Medvedev: "Die Leute wollen etwas Neues, ich gebe es ihnen"

Medvedev spielt in diesen Tagen die Rolle, die die Fachwelt eigentlich Zverev nach dessen WM-Triumph im vergangenen November in London zugetraut hatte. Nämlich die Rolle des Kronprinzen, des Mannes, der das Establishment aufschrecken und ernsthaft bedrängen kann – und zwar nicht nur in blitzlichtartigen Momentaufnahmen, sondern mit einer gewissen Regelmäßigkeit, mit Konstanz auf höchstem Niveau. „Die Leute wollen etwas Neues. Ich gebe es ihnen“, sagte Medvedev nach seinem Schanghai-Sieg, dem zweiten Masters-Erfolg in Serie.

In der Jahresrangliste verdrängte der 23-jährige nun sogar schon Federer auf Platz 4, vor Medvedev sind nur noch Djokovic und Nadal platziert. Fast mehr noch als Medvedevs zurückliegende Turniersiege hatte allerdings sein Gastspiel bei den US Open imponiert – dort sah es anfangs so aus, als würde der Moskowiter als Skandalnudel in Unehren seinen Abschied geben. Ehe dann alles anders kam, mit Medvedev als klammheimlichem Publikumsliebling, der in einem faszinierenden Finale über fünf Sätze auch Nadal die Stirn bot. Er ging zuguterletzt als gefühlt zweiter Sieger.

Zverev dank Laver Cup im Aufschwung

Wobei: Auch Zverev erlebte zuletzt einen Dreh seines Tennisjahres. Nicht so imponierend und beharrlich wie Medvedev, der Generationsgenosse. Aber doch in einem Maße, das es ihm erlaubt, nicht mit Grimm und Verbitterung auf 2019 zu schauen und neue Zuversicht zu schöpfen. Seit dem Laver Cup-Schaukampf im September hat Zverev wieder Boden unter die Füße bekommen.

Damals gewann er, auch mit intensivem Coaching von den Altvorderen Nadal und Federer, das entscheidende letzte Match des Europa gegen den Rest der Welt-Vergleichs. Und auch wenn es dafür keine Ranglistenpunkte und offizielle Anerkennung gab, tat ihm das Erfolgserlebnis offensichtlich gut. Beim ATP 500er-Turnier in Peking erreichte er vorletzte Woche das Halbfinale, nun, in Shanghai, beim Masters das Endspiel. Viel besser spielte er in dieser herausfordernden Saison kaum einmal.

Teilnahme bei den ATP Finals nun realistisch

Auch wenn ihm Medvedev schonungslos die Grenzen des derzeit Machbaren aufzeigte, konnte Zverev ein passables Fazit seiner Asien-Tour ziehen. Vor allem, weil er sich nun wieder berechtigte Hoffnungen machen darf, seinen WM-Titel in London verteidigen zu können. Mitzumischen beim Saisonfinale der besten Acht. Vor allem in den beiden Wochen ab dem 21. Oktober wird sich entscheiden, wer die letzten beiden Plätze bei den ATP Finals einnehmen wird – Zverev ist auf einmal in der Pole Position mit seinen 2855 Punkten, vor dem Italiener Matteo Berrettini (2545), dem Spanier Roberto Bautista Agut (2485) und dem Belgier David Goffin (2325).

Schafft Zverev den Sprung in die fortgeschrittenen Turnierrunden bei den Starts in Basel (ATP 500) und Paris (Masters), müsste schon viel passieren, um ihn noch zu verdrängen. "Wir werden noch viele gute Tage haben, auch Turniersiege", rief Zverev seinem Team auf dem Centre Court in Shanghai denn auch zu.

Ganz hat Zverev seine Labilität aus den ersten Saisonmonaten indes noch nicht abgelegt – die beiden Spiele des Finalwochenendes in Shanghai zeigten das deutlich auf. Gegen den Italiener Berrettini im Halbfinale imponierte Zverev mit Aufschlagwerten, die ihn unangreifbar erscheinen ließen. 80 Prozent seiner ersten Aufschläge landeten im Feld, er schlug auch elf Asse und nur einen Doppelfehler. Gegen Medvedev gewann er indes nur vier von acht Aufschlagspielen, streute Doppelfehler in kritischen Momenten ein, war sich seiner Sache deshalb generell nicht sicher. Es war ein Tag, an dem der Aufschlag eher Feind als Freund des Deutschen war.

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von Jörg Allmeroth

Sonntag
13.10.2019, 17:09 Uhr
zuletzt bearbeitet: 13.10.2019, 18:55 Uhr

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