Zverev neuer Kurs: Abschottung und einfache Wahrheiten
Nach das Handy von Alexander Zverev in Rom einem Unfall zum Opfer fiel, läuft es besser. Aber wie geht es weiter mit Supercoach Ivan Lendl?
von Jörg Allmeroth aus Paris
zuletzt bearbeitet:
29.05.2019, 18:45 Uhr
Alexander Zverev saß kürzlich in einem Shuttlewagen des Masters-Turniers in Rom, als sich ein folgenreicher Zwischenfall ereignete. Der Fahrer des Autos bremste auf dem Weg ins Hotel plötzlich so stark, dass Zverevs geliebtes Mobiltelefon zu Boden krachte. Und hinüber war. Zverev lief allerdings nicht etwa gleich in den nächsten Laden, um sich Ersatz zu beschaffen. Er entschied sich, typisch für seine aktuelle Lebensphase, zu einem radikalen Schritt. Kein neues Handy, kein Anschluss mehr unter irgendeiner Nummer, stattdessen absolute Konzentration auf das Wesentliche, aufs Tennis und nichts sonst. „Es tut gut, sich nicht mit tausend Sachen am Telefon beschäftigen zu müssen“, sagt Zverev.
Der 22-jährige Hamburger macht sich seine Welt gerade in jeder Beziehung einfacher, nicht unüblich für jemanden, der in Schwierigkeiten steckt. Und der gegen die größte Krise seiner noch jungen Profikarriere ankämpft. Zverevs Welt ist Schwarz und Weiß geworden, eine Welt der schlichten Wahr- und Weisheiten, man konnte es auch in Paris sehen und hören – rund um seinen qualvollen Fünf-Satz-Marathonsieg am Dienstag gegen den wackeren Australier John Millman. Kurz gesagt: Siegen und wieder Anschluss an die Stärksten zu finden, das ist alles für Zverev, nichts anderes zählt. Und „Verlieren ist Mist“. Punkt. Aus. Dass er wieder einen Zwei-Satz-Vorsprung versiebte, sich über Gebühr schwer tat gegen den Außenseiter vom anderen Ende der Welt, war „am Ende des Tages nicht entscheidend“, so Zverev, „ich will nur Spiele gewinnen.“ Und die Energie- und Kraftverschwendung im Vier-Stunden-Marathon? Auch nicht weiter tragisch für Zverev: „Ich bin noch im Turnier. Ich mache mir keine Gedanken über meine Physis.“
Mit "Rasen-Liebhaber" Lendl geht es weiter
Etwas tiefer und detallierter müsste Zverev eigentlich schon in die Analyse gehen mit dem Mann, der ihm als sogenannter Supercoach zur Seite steht. Besser: Stehen sollte. Denn Ivan Lendl, der grimmige Altmeister, ist auch in Paris nicht zur Grand-Slam-Mission im Team Zverev aufgetaucht. Zverev wehrte sich am Dienstag gegen jene, die schon das Ende der Partnerschaft spekulativ ausgerufen hatten. Allerdings klang die Erklärung für Lendls Fernbleiben seltsam - nachdem man wegen Zverevs kurzfristigem Turnierstart in Genf keine gemeinsamen Trainingseinheiten habe absolvieren können, sei die Entscheidung gefallen, dass Lendl erst zur Rasensaison einfliegen werde. Es war, wie Spötter anmerkten, die Umkehrung von Lendls einstigen Praktiken als Spieler. Damals war er der Sandplatz-Experte schlechthin, während ihm Rasen als Belag galt, „der für Kühe gedacht ist.“
Doch ernsthaft blieb schon die Frage, welchen Sinn die Allianz zwischen dem Champion der 80er-Jahre und dem deutschen Hoffnungsträger machte – wenn ausgerechnet in den herausforderndsten Wochen von Zverevs Laufbahn der vermeintliche Stratege nicht in seiner Nähe war. Und das Kommando in Zverevs Truppe führte. Er telefoniere viel mit Lendl, man schaue sich auch gemeinsam Videos an, hatte Zverev unlängst erklärt, „es gibt schon regelmäßigen Kontakt.“ Aber ersetzen konnte die Fernbeziehung gewiss nicht das Coaching vor Ort, die persönlichen Gespräche, das Arbeiten mit der ganzen Zverev-Truppe – schon gar nicht in der sportlich angespannten Großwetterlage. „Das ist keine optimale Situation für Sascha“, sagte ein europäischer Spitzentrainer, gut vertraut mit dem Tennis-Unternehmen Zverev, „ich denke schon, dass ihm Lendl hier ziemlich fehlt.“
Zverev will die Angelegenheit in Paris nun trotzig alleine stemmen, ohne den Teilzeitpartner Lendl. Er sagte nach dem Auftakterfolg auch noch, er sei doch schon länger irgendwie der Boss seiner Karriere, fälle selbstständig dauernd Entscheidungen. Er blendet alles aus, was schädlich sein könnte, auch das, was über ihn geschrieben und geredet wird in den Welten des Internet, in den sozialen Medien. „Wer mich erreichen will, muss erst mal andere anrufen. Meine Eltern, meinen Bruder“, sagt Zverev, „und dann entscheide ich, mit wem ich reden will.“ Es seien „nicht viele Gespräche dieser Tage“, sagt Zverev. Um dann noch einmal zu betonen, dass nur eins relevant sei, das nächste Spiel, der nächste Sieg. In Paris jetzt gegen den 20-jährigen Schweden Mikael Ymer.