Alexander Zverev bei den US Open: "Sein Spiel entwickelt sich nicht weiter"
Auf einen Mann mit grimmigem Blick und undurchdringlicher Miene muss Alexander Zverev auch in New York nicht verzichten. Auf das Bild zweier Trainer mit Pokerface am Rande des Centre Court allerdings schon.
von Jörg Allmeroth aus New York
zuletzt bearbeitet:
26.08.2019, 16:09 Uhr
Wenn der ATP-Weltmeister am Dienstag auf Court 17 des Billie Jean King National Tennis Centers in seine US Open-Mission startet, gegen den Moldawier Radu Albot, dann ist erstmals seit den New Yorker Ausscheidungsspielen des Vorjahres Ivan Lendl nicht mehr als Supercoach bei einem Grand-Slam-Turnier im Team Zverev dabei – das Gastspiel des ehemaligen Weltranglisten-Ersten war eine eher flüchtige Episode im Leben von Zverev junior, eine sehr limitierte Allianz.
Ganz anders als die bisher lebenslange Arbeit mit Vater Alexander Zverev, dem Mann mit dem spärlichen Mienenspiel, dem großen Schweiger. „Zwei Trainer sind einer zu viel“, hatte Zverev senior inmitten des Kabale-und Hiebe-Spiels hinter den Zverev-Kulissen gesagt und letztlich den Prozess in Gang gesetzt, der zu Lendls schnödem Abgang führte. Während des Hamburger Turniers verkündete der gebürtige Tscheche und ehemalige Weggefährte von Daddy Zverev in einem unfreundlichen Akt über Nacht den Abschied – ohne damit große Wirkung bei Zverev junior zu erzielen. Der sagte nur trocken: „Es ändert sich nicht so viel. Mein Vater ist ja noch mein Trainer. Er wird es irgendwie auch immer sein.“
Was bedeutet die Zverev-Krise für Papa Alexander?
Doch eine Frage wird Zverev bei diesen US Open, im Rest der Saison 2019 und auch darüber hinaus dennoch begleiten: Wird die Vater-Sohn-Beziehung allen Stürmen trotzen? Wird der Vater auch dann der Hauptverantwortliche im Team Zverev bleiben, wenn die Krise des Sohnes sich fortsetzt, vielleicht sogar verschlimmert? Eine Krise, die für die Öffentlichkeit am ehesten sichtbar wird am Psycho-Knacks bei dem 22-jährigen Hamburger, an einer fatalen Kaskade von Doppelfehlern in nahezu jedem Spiel.
Als Zverev im letzten Jahr ohne große Rücksprache mit dem Papa auf einmal Lendl ins Team holte, schien es auch so etwas wie ein Indiz für einen Abnabelungsprozess zu sein, für eine neue Offenheit in seinem Tennisunternehmen. Stets war die Firma auf Schlüsselpositionen nur als Familienbetrieb geführt worden, mit Ergänzung von Fachkräften wie Physiotherapeut Hugo Gravil oder Fitmacher Jez Green. Lendls Einstieg bildete eine Zäsur, jedenfalls aus der Sicht des Spätsommers 2018. Aber durchgesetzt hat sich schließlich Vater Zverev, Lendl blieb nur eine Randfigur, sein Wirken und Tun ein Intermezzo.
Zverev erscheint in diesem Jahr nicht nur auf den Center Courts meistens in der Defensive, in einer Verteidigungspose. Sondern auch abseits des Spiel-Platzes. Denn vielen in der Branche kommt der junge Deutsche in seiner ganzen Erscheinung nicht mehr wie der stürmische Newcomer vor, der die Hackordnung durcheinanderwirbeln und sogar eine Bedrohung für die ganz Großen sein könnte. „Zverev ist für mich in einem Prozess der Stagnation begriffen“, sagt John McEnroe, der ehemalige Genius und heutige TV-Experte, „sein Spiel entwickelt sich nicht weiter.“
McEnroe, und nicht nur er, stichelt damit natürlich auch unterschwellig gegen Daddy Zverev, den ewigen Wegbegleiter des Sohnes. Auch einer wie Mats Wilander, der frühere Tennis-Frontmann, sieht Zverev in Nöten: „Der Abgang von Lendl hat die Probleme nicht gelöst. Sondern Probleme aufgezeigt.“ Zverev müsse sich schon von der Vorstellung lösen, „dass immer irgendwie die Familie alles regeln kann und wird.“
Zverev nun bei Team8 mit Federer
Alle großen Spieler haben früher oder später in einem manchmal durchaus schmerzlichen Prozess ihre Entdecker und Förderer und auch Eltern dankend aus der Karriere-Verantwortung verabschiedet. Becker, der deutsche Held, kann sich noch gut erinnern, wie er sich einst bei den Australian Open von Günter Bosch trennte: „Es ging ein Aufschrei durchs Land. Ich war der böse Bube.“
Auch Maestro Roger Federer beendete immer wieder Trainerbeziehungen, wenn er glaubte, einen neuen Entwicklungsschritt gehen zu müssen. Federer trennte sich allerdings nicht in der Krise, sondern meist im Erfolg von seinen Coaches. Tony Godsick, Federers langjähriger Agent, beobachte einiges aus der Nähe mit, er beriet sich natürlich auch mit dem Schweizer über alle möglichen Personalien. Nun wird Godsick bald auch Zverevs Geschäftsbesorger, als Chef der Agentur Team8, die er mit Federer ins Leben gerufen hat. Man darf gespannt sein, was Godsick jenseits von Sponsorenverträgen, von Zahlen und Daten, seinem Klienten zu sagen hat.
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