Lass die Leute reden...

Alexander Zverev hat mit seinen Leistungen bei den Australian Open den nächsten Schritt getätigt - spielerisch und mental. Die mediale Wahrnehmung als Hoffnungsträger einer sich im Halbschlaf befindlichen Tennisnation ist nochmals gestiegen. Der 19-Jährige kann sich vor der Davis-Cup-Partie gegen Belgien (ab Freitag 14 Uhr live und exklusiv auf DAZN) über eines nicht beschweren: Zu wenig Druck. Auch, weil sein Management nicht immer ganz glücklich kommuniziert.

von Jannik Schneider
zuletzt bearbeitet: 02.02.2017, 23:30 Uhr

Alexander Zverev überzeugte "Down Under" mit einer ganz starken Leistung gegen Rafael Nadal

Ob das nicht alles etwas unfair sei, wollte eine Reporterin aus dem Boulevard wissen. Unfair, dass "Sie die Erwartungen an Ihre Person nur noch erfüllen und selbst eigentlich nicht mehr überraschen können?".

Alexander Zverev zog die Augenbrauen weit nach oben, schaute die Journalistin während der Presserunde am Rande der Charity-Veranstaltung "Petzschner&Friends" in Köln mit großen Augen an - und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Ich denke schon, dass ich in Zukunft auf den Tenniscourts vielleicht noch das eine oder andere Mal überraschen kann."

Der 19-Jährige war nach intensiven Wochen Down Under müde - das war offensichtlich. Für seine zahlreichen kleinen und großen neuen Fans nahm er sich den Nachmittag dennoch geduldig Zeit, beantwortete jeden Autogramm- und Fotowunsch.

Und beantwortete Fragen der Pressevertreter, waren sie auch noch so - wie oben beschrieben - zugespitzt: "Die Leute dürfen von mir denken, was sie wollen. Denn ihre Erwartungen werden nie höher sein als meine eigenen", beendete Zverev seine Antwort gewohnt selbstbewusst.

"Versuche, wenig auf Euch zu hören"

An Fragen dieser Kategorie hat sich die Nummer 22 der Tenniswelt mittlerweile gewöhnt. Was er dazu sage, dass quasi jeder Topspieler oder Experte ihn als zukünftige Nummer eins und Grand-Slam-Champion sehe. Wie er damit umgehe, der neue Boris Becker zu sein. Wie er der Erwartungshaltung standhalte.

Das Tennis-Panel zum deutschen Davis-Cup-Team

"Ich versuche, relativ wenig auf Euch (Medien) zu hören. Es wird immer viel berichtet und geschrieben", sagte er lächelnd und ergänzte: "Natürlich ist es bemerkenswert, dass sich viele der Topspieler so positiv über mich äußern. Aber Ihr werdet solche Ansagen niemals von mir selbst hören."

Zwischen den Zeilen lesend, war dennoch ein Anspruchsdenken herauszuhören, welches zum einen zu der rasanten Spielweise des hochaufgeschossenen Teenagers passt und zum anderen lange nicht mehr von einem deutschen Spieler ausgestrahlt und angedeutet wurde. "Was ich von mir halte und was mein Team denkt, und vor allem, für welche Ziele wir arbeiten, das wissen wir schon." Und weiter: "Für mich ist glasklar, für was ich diese ganze harte Arbeit mache."

Bekanntheitsgrad außerhalb der Szene steigt rasant

Die Quantität und die Intensivität der Fragestellungen in Köln hatten, das merkte er, nach dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres ein anderes Ausmaß angenommen. Ein Ausmaß, was für einen gerade 19-Jährigen nicht unbedingt gesund sein muss.

Die Zeiten, in denen lediglich Tennis-Insider seinen Namen kannten, sind längst vorbei. Das waren sie in der Tennis-Szene im Sommer 2014 schon. Da sicherte sich Zverev, gerade 17 geworden und Nummer 665 der Weltrangliste, völlig überraschend den Sieg beim deutschen Challenger-Turnier in Braunschweig, rang dabei im Finale den mehr als 600 Plätze vor ihm liegenden Franzosen Paul-Henri Mathieu nieder. Um in der folgenden Woche, von Turnierdirektor Michael Stich mit einer Wild Card ausgestattet, noch sensationeller das Halbfinale des 500er-Turniers am Hamburger Rothenbaum zu erreichen.

Seitdem hat sich Zverev Schritt für Schritt ein professionelleres Umfeld zugelegt - oder besser gesagt - zulegen lassen. Bereits 2013 entschied die Tennisfamilie (sein Vater und Trainer ehemaliger sowjetischer Profi, die Mutter einst unter den besten 30 Frauen der Welt) und natürlich sein von Verletzungen geplagter und sich im Aufwand befindender älterer Bruder Mischa, dass der Jüngste und Talentierteste im Bunde nach der mittleren Reife alles auf die Karte Profispieler setzt. Seit der sechsten Klasse bereits war er an der privaten Sportschule in Mannheim gemeldet, konnte folglich mit der größtmöglichen Flexibilität unterrichtet werden und mit seiner Familie um die Welt reisen.

Schule oder Profi? "Entscheidungen selbst getroffen"

Aber das, so betonte Zverev auch jetzt 2017 noch, "war immer meine eigene Entscheidung. Ich habe auch Hockey und Fußball gespielt. Ich habe Tennis immer geliebt und war dort am besten." Es sei im Nachhinein schön und von seinen Eltern ganz schön mutig gewesen, diese Entscheidung mitgetroffen und unterstützt zu haben. "Ich bin froh, dass ich heute hier stehen kann."

Der Erfolg in der Juniorenkonkurrenz bei den Australian Open 2014 gab ihnen Recht. Trainiert wurde folglich im Winter in Florida und Australien. Mit der stetigen Entwicklung empor der Weltrangliste wuchs das Team Zverev. Als sich Manager um ihn rangen, schlug vor mehr als zwei Jahren der Chilene Patricio Apey zu, der in der Vergangenheit fast ein Dutzend Profis betreute - der Prominenteste unter ihnen sicherlich Andy Murray.

Der Geschäftsmann betonte einst gegenüber dem Tennismagazin, als das den Schotten zu Beginn seiner Karriere porträtierte, dass Murray mal das Gesicht der olympischen Spiele von London werden könne - und lag mit dieser Prophezeiung goldrichtig.

Apey will mit Zverev ähnliche Sphären erreichen und hat für ihn bereits große Deals ausgehandelt, Begriffe wie "Global Player" fielen im Umfeld des Deutschen relativ früh während seiner Karriere. Eine besonders harte Linie fährt der Manager allerdings gegenüber den Medien - Einzelinterviews werden nur seltenst genehmigt.

Managerforderung: Global Player statt Medienliebling?

Diese Vorgabe hatte die deutsche Nummer eins auch rund um den Showkampf in Köln zu erfüllen, entschuldigte sich gar dafür. So zentralisierte sich das gesamte öffentliche Interesse auf zwei kurze Interviewslots - keine einfache Aufgabe für den Youngster.

Nachdem Zverev einige boulevardeske Fragen beantwortete, fragte SPOX unter anderem kritisch zur Davis-Cup-Absage vergangenen Herbst nach. Ob er nach den durchaus negativen Tönen rund um seinen Verzicht für das Relegationsspiel gegen Polen etwa besonders motiviert sei, nun für das Davis-Cup-Team eine gute Leistung abzurufen - schließlich gebe ihm der Erfolg nach dem vorzeitigen Saisonende für eine längere Vorbereitung ja bislang Recht.

Das Tennis-Panel zum deutschen Davis-Cup-Team

"Nein bin ich nicht, ich bin immer motiviert, für den DTB zu spielen. Deshalb habe ich zu Saisonbeginn auch den Hopman Cup in Perth gespielt", entgegnete der Hamburger durchaus mit Nachdruck. Das DTB-Team sei der Favorit und wenn es gut spiele, habe das Team gute Chancen auf eine gute Davis-Cup-Saison.

Zverev kann, das zeigte er vereinzelt bereits in der Vergangenheit und ebenfalls an diesem Tag, auf kritische Fragen ähnlich seines Tennisstils, offensiv antworten. Eine klare Meinung zu vertreten - das sei an dieser Stelle klar vermerkt - ist eine gute Eigenschaft.

Fitnessguru Grund für Davis-Cup-Verzicht?

Zumal das Team Zverev in diesem konkreten Fall in der Tat die richtige Entscheidung getroffen zu haben scheint. Manager Apey verpflichtete kurz nach seiner Übernahme Murrays ehemaligen Fitnessguru Jez Green, der den 1,98 Meter messenden Schlacks Zverev zu der Statur verhelfen soll, die es dem Tennisspieler Zverev irgendwann ermöglicht, dauerhaft über Grand-Slam-Distanzen ein Herausforderer für Top-Ten-Spieler zu sein.

Und eben Green soll es auch gewesen sein, der Zverev im Sinne einer längeren Vorbereitung dazu geraten haben soll, im Herbst 2016 kein Davis Cup zu spielen.

"Ich bin ein Anhänger der Theorie, mit Spielern unter 20 vier bis fünf Wochen Aufbautraining ohne Tennis zu machen. Das ist ungewöhnlich, und das hält auch nicht jeder aus. Aber so viel Zeit hat man nur bei jungen Leuten; wenn sie älter und besser sind, spielen sie länger auch bei den Turnieren am Ende der Saison, da bleibt dann nicht mehr so viel Zeit. 2017 werden wir diese Gelegenheit wahrscheinlich nicht mehr haben, eben weil er sich so schnell verbessert.", sagte Green gegenüber der FAZ zu diesem Thema.

Fehlende Medien-Transparenz wirkt sich negativ aus

Dieser nicht wegzudiskutierende Fakt und die durchaus schlüssige Argumentation wurden vom Team Zverev jedoch nicht nach außen kommuniziert - und falls doch - dann scheinbar nicht transparent genug. Erst deshalb keimte eine negative Berichterstattung 2016 auf, erste Tennisfans hierzulande warfen Zverev Arroganz oder schlicht Unlust vor.

Einem Teenager kann so durchaus Selbstvertrauen geplündert werden. Manager Apey muss sich bei aller Vorsicht gegenüber Medien fragen, ob es clever war, das über seinen Schützling nicht zeitnah und ausführlich kommunizieren zu lassen.

Petzschner nach Comeback im Interview: "Schwer, uns 2017 zu schlagen"

Deutlich besser geplant, war die angesprochene lange Trainingsphase. In den USA haben die Zverev-Brüder diesen Winter solch eine lange und intensive Vorbereitung genossen. Die körperliche Fitness, mit der Zverev sich im Januar präsentierte, spricht für sich. Auch, wenn Michael Stich unlängst gegenüber Sky betonte, dass zu den Top Ten eben noch die körperliche Stabilität fehle.

Zverev widerspricht Stich: "Bin körperlich nah an Top Ten"

Darauf von SPOX angesprochen, relativierte Zverev die Aussage Stichs: "Ich bin körperlich nicht weit von den Top Ten entfernt." Die Begründung lag für ihn trotz des Krampfes in der entscheidenden Matchphase gegen Rafael Nadal in der dritten Runde der Australian Open eben in jenem Match: "Ich habe gegen einen der fittesten Spieler viereinhalb Stunden auf Augenhöhe gespielt und es war alles in Ordnung, außer diesem einen Spiel. Ja genau, es war eben nur ein einziges Spiel." Als Zverev merkte, dass er etwas lauter wurde, nahm er sich eine kurze Pause und ergänzte. "Natürlich muss ich weiter daran arbeiten. Aber ich bin jetzt nahe dran."

Er habe natürlich Nadals weiteren Turnierverlauf verfolgt. "Aber nicht nur seinen. Bei einem Slam verfolge ich jedes Spiel." Zverev, das ist mit jeder Faser seines Körpers spürbar, liebt Tennis. Abschalten von seinem Beruf - das muss und will er scheinbar nicht. Als er in Köln endlich zum Padel-Schläger greifen darf, entspannen sich seine Gesichtszüge. Er spielt Doppel mit Brown und Petzschner, hat Spaß und leistet auch gegen die Padel-Nationalmannschaft vollen Einsatz.

Das allerdings nicht, ohne vorher noch lobende Worte für seinen Bruder und die Vorfreude auf den Davis Cup loszuwerden: "Es ist eine sehr besondere Zeit. Nicht nur, weil wir im Davis Cup zusammen spielen. Davon haben wir immer geträumt." Dass Mischa in Australien derart gut gespielt und Andy Murray geschlagen habe, "hat er sich wohl selbst nie erträumen lassen nach den ganzen Rückschlägen. Für ihn freut es mich so sehr."

Davis-Cup-Erfolg dank Synthese mit Bruder?

Vor einem Jahr war Bruder Mischa nach seiner langen, langen Verletzungspause am Handgelenk in der Qualifikation von Melbourne gescheitert, hat sich 2016 im Schatten seines immer mehr beachteten Bruders erst an, dann unter die Top 100 zurückgekämpft. Und das alles ohne Neid oder sonstige Probleme - im Gegenteil.

Das Brüderpaar profitiert im hohen Maße voneinander. Sie reisen, leben und trainieren zusammen. Und sie haben gemeinsam mit Philipp Kohlschreiber und Jan-Lennart Struff nicht nur gegen Belgien, das ohne David Goffin antritt, 2017 große Möglichkeiten im Davis Cup - wenn alle an einem Strang ziehen.

Ohnehin, das betonte Zverev, sei 2017 ein spannendes Jahr. "Ich habe die vergangenen Monate in der Offseason sehr harte Arbeit abgeliefert. Nicht nur diesen Winter, sondern die vergangenen Jahre auch und ich denke, das sieht man jetzt auch immer wieder und immer besser. Deswegen kommt jetzt auch eine interessante Zeit." Er habe schon ein paar Mal gezeigt, dass er gegen Topspieler mitspielen und vor allem auch gewinnen könne.
Zeigt er das im fortlaufenden Jahr erneut, könnten Zverev nicht nur im Davis Cup große Erfolge bevorstehen. Und dann, so viel wäre sicher, hätte Zverev sicher den ein oder anderen Medienvertreter überrascht.

Deutschland - Belgien in der Übersicht

von Jannik Schneider

Donnerstag
02.02.2017, 23:30 Uhr