Zverevs erstes großes Meisterstück
Alexander Zverev feiert mit dem Finalsieg gegen Novak Djokovic beim ATP-Masters-1000-Turnier in Rom den größten Erfolg in seiner noch jungen Karriere. Der 20-jährige Deutsche ist nun auch Mitglied in den Top Ten.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
21.05.2017, 19:28 Uhr
In der Werbekampagne der Spielergewerkschaft ATP ist er einer der großen Stars der "NextGeneration"-Kampagne, eins der jungen Tennis-Gesichter der Zukunft. Doch Alexander Zverev stellt die Zeitrechnung in seinem Sport gerade äußerst tüchtig auf den Kopf, seine Karriere erhält in diesen Tagen eine Beschleunigung der fast schon unheimlichen Art. Spätestens seit diesem 21. Mai, einem strahlend schönen Frühlingstag in Rom, muss sich erst recht niemand auf ein ungewisses Morgen vertrösten, wenn es um große Erfolgsmomente für den 20-jährigen Hamburger geht: "Es ist ein unglaubliches Erlebnis, ein unglaublicher Sieg. Ein Tag, den ich nie vergessen werde", sagte Zverev, als ihm beim ATP-Masters-1000-Turnier in der italienischen Kapitale sein bisher größtes Meister- und Kunststück gelungen war, ein formvollendeter 6:4, 6:3-Sieg gegen Ex-Frontmann Novak Djokovic bei dem Topturnier.
Nicht allein der Sieg des deutschen Himmelsstürmers war eine Überraschung, sondern mehr noch und ganz besonders der abgebrühte, nervenstarke, zupackende Auftritt im ersten größeren Endspiel seiner Laufbahn. "Fantastisch" nannte Djokovic den Finalvortrag des Deutschen, den er nach Matchende intensiv umarmte und beglückwünschte: "Er hat Großes vor sich. Er ist auf dem Weg zu einem Champion." Da passte es ins Bild dieses wie gemalten Finaltages, dass der offizielle Zeremonienmeister für Zverev nach dem Sieg kein Geringerer als der unvergessliche Rod Laver war, der zweimalige Gewinner des echten Grand Slams. Als ihm der Australier den Cup überreichte, konnte Zverev dann auch die Tränen der Rührung nicht mehr verbergen: "Ich bin überwältigt", sagte er, "mir fehlen wirklich die Worte."
Keinen Breakball gegen Djokovic zugelassen
Es war ein historischer, denkwürdiger Tag für Zverev, überhaupt aber für das deutsche Herrentennis und sogar das Welttennis. Denn mit Zverev gewann erstmals ein Spieler, der in den 90er Jahren geboren wurde, einen der bedeutenden Titel auf der Tour - bisher hatten die Großen Vier mit Roger Federer, Rafael Nadal, Andy Murray und Novak Djokovic auch die Masters-Wettbewerb eisern in ihrem Griff gehabt. Djokovic und Nadal teilten sich bis zum heutigen Tag sogar elf der letzten zwölf Rom-Titel untereinander auf - und der Serbe unternahm in diesem Endspiel von Rom gar den Versuch, den 31. Rekordtitel bei diesen Elitewettbewerben zu gewinnen. Doch der Mann, der von Anfang 2015 bis Mitte 2016 die überragendste Nummer eins aller Zeiten gewesen war, war in der 2017er-Auflage der Internationalen Meisterschaften Italiens komplett chancenlos - und zwar, ohne selbst völlig enttäuschend zu spielen. "Zverev strahlte eine Zuversicht aus, die fast schon irritierend war", befand da Amerikas ehemaliger Davis-Cup-Boss Patrick McEnroe.
Djokovic, der am Samstag noch Österreichs Shootingstar Dominic Thiem kräftig im Halbfinale abgewatscht hatte, wirkte von Beginn an in der Defensive - nicht jemand, der das Spiel zu seinen Bedingungen antrieb. Sondern wie ein Getriebener, wie jemand, der seinen Willen, seine Spielidee partout nicht entfalten kann. Zverev servierte kontinuierlich mit einer Präzision und Power, die einem den Atem raubte. Dass er zum ersten Mal auf einer solchen Bühne an solch einem wichtigen Tag stand, merkte man dem Hamburger in keiner einzigen Sekunde an - alles schien eine Selbstverständlichkeit, pure Normalität für ihn, den Hochbegabten, zu sein. Bis zum Ende der Partie musste Zverev keinen einzigen Breakball abwehren, jede ansatzweise kritische Situation regelte er mit dieser verblüffenden Coolness, die ihm inzwischen zu eigen ist.
Von Müdigkeit keine Spur
Vor 16 Jahren gewann Tommy Haas als letzter Deutscher einen dieser begehrten Masters-Titel, damals noch bei den Stuttgarter Eurocard Open. Haas, der gerade auf einer Abschiedstournee unterwegs ist, war auch der letzte DTB-Profi, der einen der Top-Ten-Plätze im Eliterevier des Wanderzirkus belegte, vor zehn Jahren. Dass er in einer der Tennisepoche, in der Karrieren oft erst Mitte Zwanzig Fahrt aufnehmen, nun schon in den Top Ten aufgelistet ist, spricht für Zverevs Klasse - und seine Perspektive im Welttennis. Viele große Talente scheiterten in den letzten Jahren, sogar Jahrzehnten aus vielerlei Gründen, mal lähmte der Erwartungsdruck, mal stimmte das persönliche Umfeld nicht. Zverev hat seine Verhältnisse inzwischen wohlgeordnet, er beschäftigt neben einem persönlichen Fitnesstrainer auch einen eigenen Physiotherapeuten.
Seit Wochen spielt er auf höchstem Niveau, ohne dass man ihm die Strapazen ansieht. "Das Wissen, das man physisch alles durchsteht, gibt einem große innere Beruhigung", sagt Zverev. Einen Nebeneffekt hat der große Tag von Rom auch: Der Tennis-Kaiser aus dem Foro Italico wird nun auch als Mitfavorit für die French Open gehandelt. Stille Tage werden das für Zverev gewiss nicht unterm Eiffelturm.
Das ATP-Turnier in Rom im Überblick