Andrea Petkovic im Interview: "Ich sage immer: Kein Fehler ist Zufall"
Andrea Petkovic ist in der Turnierwoche des Porsche Tennis Grand Prix wieder als On-Court-Präsenterin dabei. Im Vorfeld spricht sie über ihre Erinnerungen an Stuttgart, Lieblinge auf der Tour und die große Frage nach dem Warum.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
14.04.2025, 10:25 Uhr

Andrea, du bist beim Porsche Tennis Grand Prix wieder als On-Court-Präsenterin tätig, zusammen mit Heinz Günthardt. Wie bereitet ihr euch vor?
Wir haben im vergangenen Jahr erstmals zusammengearbeitet, das hat super geklappt. Wir haben uns meist eine Stunde vorm ersten Match getroffen, sind alle Spiele durchgegangen und haben uns gefragt: Gibt es eine Spielerin, die einer besser kennt? Oder weiß, dass die Interviews miteinander gut laufen? Dementsprechend haben wir aufgeteilt. Oft sind wir über die Woche hinweg bei derselben Spielerin geblieben. Heinz hatte beispielsweise Aryna Sabalenka, ich Jasmine Paolini. So weiß man auch, was man schon gefragt hat, und kann Doppelungen vermeiden. Nur die Interviews vor den Matches versuchen wir zu vermeiden. Da sind die Spielerinnen schon zu arg im Tunnel.
Wie läuft es bei der Siegerehrung ab, bei einer Doppelmoderation? Das ist ja auch eine gewisse Choreografie, damit man sich nicht ins Wort fällt.
Die Siegerehrung haben wir im Vorjahr nach den Halbfinals geprobt. Das ist sinnvoll für alle – auch für die Ballkinder oder für die Personen, die den Pokal übergeben. Für die Verantwortlichen von Porsche, die bei der Probe nicht dabei waren, gab es Stand-ins. Das wird in diesem Jahr wohl ähnlich laufen.
Was sind deine weiteren Aufgaben beim in Stuttgart?
Wir haben im Rahmen des Turniers auch einige VIP-Talks, beispielsweise zu Frauen im Sport. Ich halte ohnehin viele Keynote-Speeches unterm Jahr, zu Resilienz oder Disziplin. Das läuft in der Stuttgart-Woche im kleineren Format. Zudem stehe ich auf Abruf, wenn mit den Spielerinnen etwas Spezielles gemacht werden soll. Je weiter das Turnier fortschreitet, umso weniger werden diese Dinge. Am Montag findet außerdem das Mixed-Event „Kick & Serve: VfB Stutthart meets Porsche Tennis“ statt. Nach dem Billie Jean King Cup am Wochenende ist es immer schwierig, jemanden zu finden, der montags auf den Platz will. Da muss ich halt ran (lacht). Die armen Zuschauer, als hätten die mich nicht genug erlebt.
Du hast tatsächlich zwölf Mal beim Porsche Tennis Grand Prix mitgespielt, ein Mal sogar noch in Filderstadt. Dein bestes Ergebnis war das Viertelfinale in 2011. Woran lag es, dass es nie weiter ging – außer an der starken Konkurrenz?
Die Konditionen waren für mein Spiel nie so passend. Der Platz ist sehr schnell, und ich hatte keinen sonderlich guten Aufschlag, habe lieber die Punkte aufgebaut. Gegen starke Aufschlägerinnen kam ich oft nicht hinterher – wie generell gegen Spielerinnen, die den Ball früh genommen und schnell gespielt haben. In den späteren Jahren habe ich jeden Tag neue Schuhe angezogen, das hat geholfen. Aber da war ich selbst nicht mehr so gut wie früher und die Konkurrenz zu stark. Dazu kam, dass wir oft gerade erst vom Billie Jean King Cup zurückgekommen waren. Ich hatte teils beide Einzel in den Knochen, war etwas angeschlagen. Aber letztlich lag mir der klassische langsame deutsche Sand einfach eher.
Wenn man sich die Siegerinnenliste beim Porsche Tennis Grand Prix anschaut, sind darunter wirklich viele Spielerinnen, die schnelles Tennis lieben.
Für die ist es total cool. Die Spielerinnen, die sehr gut auf Hartplatz spielen, freuen sich immer extrem auf Stuttgart. Sie bringen hier ihre Stärken zur Geltung. Wie Aryna Sabalenka oder im letzten Jahr Elena Rybakina.
Gibt es aktuell Spielerinnen und Spieler, die du besonders gerne anschaust?
Die beiden Indian-Wells-Champions. Mirra Andreeva sehe ich unheimlich gerne. Sabalenka und Swiatek spielen schon sehr unterschiedlich, das ist immer ein großer Reiz – wie früher bei Rafael Nadal und Roger Federer. Andreeva kommt nun hinzu und spielt noch mal anders. Sie hat als Konterspielerin begonnen, ist nun aber kräftiger geworden, kann jetzt einen Punch setzen, serviert sehr gut. Und sie ist immer noch erst 17.
Bei den Herren ist es dann Jack Draper?
Seit seinem Halbfinale bei den US Open gegen Jannik Sinner, in dem es ihm so schlecht ging, ist er mir ans Herz gewachsen. Das geht mir oft so. Ich schaue jemandem zu und er überzeugt mich durch etwas. Auch Arthur Fils, als er in Miami gegen Frances Tiafoe gespielt hat. Beide haben gelitten und ihre Schläger zerhackt. Und natürlich Carlos Alcaraz, an ihn haben ja alle ihr Herz verloren.
Du bist in zig Bereichen tätig – führst On-Court-Interviews bei den Grand Slams, kommentierst, schreibst Bücher. Nimmst du Tennis dadurch anders wahr? Oder verläuft eine Vorbereitung zum Kommentieren ähnlich wie zum Spielen früher?
Beim Kommentieren ist’s ähnlich, zumal ich schon früher die Analysen vorm Match selbst gemacht habe. Mir lag immer viel daran, meine Gegnerinnen zu scouten. Ich hatte immer ein dickes Notizbuch, in das ich alles aufgeschrieben habe – das hilft mir heute noch. Wobei, jetzt bin ich seit zwei, drei Jahren raus, es kommen immer häufiger Spielerinnen hinzu, gegen die ich nicht mehr gespielt habe. Wie eben Mirra Andreeva. Aber andere, wie Sabalenka oder Swiatek, kenne ich noch gut.
Und durch deine Tätigkeiten für die Turniere?
Dadurch bekomme ich einen neuen Blick auf vieles, auf die Sicht der Turnierveranstaltung zum Beispiel. Das hat mir eine neue Wertschätzung gegeben. Wie haben großes Glück in Deutschland, so viele und so hochkarätige Turniere zu beheimaten. Das war zu meiner Zeit anders. Damals gab es nur Stuttgart und ab und an den Billie Jean King Cup. Ich hätte mir gewünscht, zu meiner aktiven Zeit mehr über die Vorgänge hinter den Kulissen gewusst zu haben. Wenn man um die Herausforderungen weiß, geht man anders damit um. Durch meine Tätigkeiten habe aber auch den Anspruch, Tennis in Deutschland wieder groß zu machen. In vielen Gesprächen spüre ich, wie sehr die Leute Tennis lieben. Aber sie gucken es kaum im Fernsehen. Tennis ist eine der schönsten Sportarten auf der Welt. Je mehr Leute zuschauen, umso besser.
Hast du einen Tipp, wie man Tennis schauen sollte, um taktisch mehr zu erkennen?
Ich sage immer: Kein Fehler ist Zufall. Wir sprechen über die besten Tennisspieler der Welt – wenn die Fehler machen, hat es meist damit zu tun, wie der andere spielt. Wenn man aufmerksam schaut und hinterfragt: Warum macht der so viele Fehler? Dann kann man etwas entdecken. Auch wenn jemand müde, krank oder verletzt ist und sich schlecht bewegt. Ein Beispiel aus Monte-Carlo, Novak Djokovic gegen Alejandro Tabilo. Djokovic hatte einen schlechten Tag, okay. Aber trotzdem kamen seine vielen Rückhandfehler nicht nur daher, weil er die Rückhand nicht gespürt hat. Tabilo hat immer wieder diese langsamen Schläge mit viel Topspin auf Djokovics Rückhand gespielt und als Linkshänder damit den Platz aufgemacht.
Man sollte also immer nach dem Warum fragen?
Genau das. Denn oft guckt man nur zu und sagt: Der macht so viele Fehler, der spielt keinen rein … Anstatt zu fragen: Warum? Wenn man sich diese Frage stellt, entdeckt man viel. Noch ein Beispiel: Wenn jemand keinen ersten Aufschlag trifft, ist meine erste Nachricht an jemanden vor Ort: Wo steht die Sonne? Wie ist der Wind? Wie sind die Bedingungen und die Bälle? Es ist daher immer von Vorteil, bei einem Turnier vor Ort zu sein.
Wenn man früher Interviews von dir gelesen hat, dachte man immer, du machst nach deiner Karriere etwas ganz anderes – gehst in die Politik oder gründet eine Band. Oder beides. Wieso bist du im Tennis geblieben und was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich lasse alles offen, das habe ich immer schon gemacht. Ich werde gerne überrascht vom Leben. Zum Ende meiner Karriere habe ich jedoch gemerkt, wie viel Freude mir Tennis bereitet hat. Ich habe mich gefragt: Was ist es, das mich so im Tennis hält?
Was war die Antwort?
Es ist wohl die Liebe zum Sport. Manche haben sie von Beginn an, manche entdecken sie erst. Bei mir war sie immer da, auch wenn ich mich eine Weile gewehrt habe. Ich hatte in meinen letzten Jahren als Spielerin einen solchen Spaß am Tennis – und den habe ich jetzt auch, aus einer anderen Perspektive. Aber wer weiß: Es ist ja immer ein ähnlicher Verlauf. Ein neuer Star kommt, er etabliert sich, dann tritt er ab und alle sind traurig. Vielleicht wird mir das irgendwann langweilig. Aber aktuell sicher nicht.
Andrea, lieben Dank für das Gespräch und eine gute Zeit in Stuttgart!