ATP Finals 2020: Alexander Zverev - "Es war nicht gut genug"
Alexander Zverev ist in der Gruppenphase der ATP Finals 2020 ausgeschieden. Der Deutsche ließ im zweiten Satz seiner Niederlage gegen Novak Djokovic einige Chancen aus.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
20.11.2020, 18:04 Uhr
Novak Djokovic schickte gerade ein Stoßgebet unters Dach der O2-Arena, da schlich Alexander Zverev mit hängenden Schultern aus der menschenleeren Halle heraus. Verheerend hatte sein Arbeitstag begonnen, das dritte und entscheidende Gruppenspiel, nach kaum einer Viertelstunde lag er schon 0:3 zurück gegen den Nummer eins-Spieler der Welt, es drohte ein wahres Debakel. Doch Zverev steigerte sich mit jeder Minute der plötzlich umkämpften Partie, er fightete auf Augenhöhe mit Djokovic, er ließ auch nicht nach, als er den ersten Satz verloren hatte.
Doch das bittere Ende blieb dem 23-jährigen Hamburger nicht erspart, ein Ende, das an seine enttäuschendste Stunde in dieser Saison erinnerte: Wie bei den US Open gegen Dominic Thiem, damals im fünften Satz, beschloss ein unglücklich verlorener Tiebreak in Durchgang 2 das Turnier für Zverev. 2:0 führte er zwar in der Glückslotterie, aber es reichte nicht, um schließlich die 3:6, 6:7 (4:7)-Niederlage zu verhindern. Genau um 16.47 Uhr war schlagartig die WM vorbei für Zverev – und damit auch eine Saison mit vielen Höhen und Tiefen. Auf und neben dem Tennisplatz. „Ich habe mein bestes Spiel bei diesem Turnier gemacht, aber es war trotzdem nicht gut genug. So einfach ist es“, sagte Zverev in einem TV-Interview nach der Partie. Djokovic trifft nun im Halbfinale auf Thiem, den US Open-König.
Zverev mit drei vermeidbaren Niederlagen
Was von diesem Jahr für Zverev bleibt, sind vor allem drei vermeidbare Niederlagen auf den großen Tennisbühnen. Das Halbfinal-Aus zu Jahresbeginn in Melbourne gegen Thiem, an diesem Freitag in London das Scheitern im Saisonfinale gegen Djokovic. Aber vor allem, und zwar weiter mit emotionalem Nachhall, der verpasste Sprung auf den US Open-Thron gegen Thiem nach einer 2:0-Satzführung. Es hätte gut und gerne eine Durchbruch-Spielserie für den jungen Deutschen werden können, der eigentlich der erfolgreichste Grand-Slam-Akteur überhaupt war.
Aber zu Zverevs Profil gehört immer noch die Fahrlässigkeit und auch Fahrigkeit bei den Big Points, die fast immer die bedeutenden Matches entscheiden. Insoweit blieb sich Zverev auch bei seinem allerletzten Auftritt 2020 treu: Denn auch gegen den keineswegs am Leistungslimit spielenden Djokovic hatte der Riese seine Möglichkeiten, aber wieder und wieder war er es selbst, der sich mit leichtfertigen Schnitzern ein günstigeres Ergebnis oder gar den Sieg verbaute. Kein Wunder, dass Zverev auch bei diesem dritten WM-Einsatz ein ums andere Mal schimpfend über den Centre Court marschierte und mit seinem Betreuungsteam diskutierte. „Es war ein gutes Jahr, aber es wäre viel mehr drin gewesen 2020“, sagte Zverev, „aus der Saison hätte man gut einen Film machen können. Es war mehr drin als in jedem anderen Saison zuvor.“
Gegen Schwartzman glanzlos die Pflich erfüllt
Vor zwei Jahren war Zverev am dritten November-Wochenende überraschend Weltmeister geworden, damals hatte ihm das niemand nach durchwachsenen Tourmonaten zugetraut. 2020 gehörte er zu den eindeutigen Favoriten, auch weil er zuletzt bei zwei Kölner Turnieren auf schnellem Hartplatz zwei Mal den Titel geholt und damit noch größere Hoffnungen geweckt hatte. Aber so richtig kam Zverev lange Zeit nicht in Schwung in London, beim letzten Hurra im Geisterhaus der O2-Arena. Gegen den Russen Medwedew verpatzte er den Start gründlich, er stand neben sich, es war eins der schwächsten Spiele der ganzen Saison. Danach erfüllte er glanzlos seine Pflicht gegen den Argentinier Diego Schwartzman, noch längst erinnerte das nicht an den Zverev etwa der US Open oder auch unterm Kölner Dom.
Erst gegen Djokovic gewann Zverevs Spiel die nötige Kontur, wenn auch erst mit dem Verzug eines fatalen 0:3-Fehlstarts. Djokovic rettete sich mehrfach nur mit starken, effektiven Aufschlägen ins Ziel von Spielgewinnen, aber absetzen konnte er sich gerade im zweiten Satz nicht mehr vom deutschen Rivalen. Zverev fand sein Selbstvertrauen, er fand auch die Courage, wiederholt entschlossen in die Offensive zu gehen. Aber herumreißen konnte er sein Schicksal dennoch nicht mehr, im Tiebreak nutzte er das Momentum des frühen Vorsprungs nicht. Wie es nun für ihn und den Tennisbetrieb weitergeht, ist offen. Vor Anfang Januar wird wohl keiner zu den Australian Open auf den Fünften Kontinent anreisen können. Was zunächst bleibt, ist Pause vom Tennis. Abschalten, ausruhen. Und auf 2021 hoffen. „Ich fahre jetzt erst Mal in Urlaub, auf die Malediven. Zusammen mit der Familie meines Bruders“, sagte Zverev.