Tiefschlag gegen Stan Wawrinka – „Bad Boy“ Nick Kyrgios setzt neuen Tiefpunkt
Die Skandalnudel Nick Kyrgios hat wieder zugeschlagen. Beim ATP-Turnier in Montreal leistet sich der 20-jährige Australier einen verbalen Ausrutscher.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
13.08.2015, 14:02 Uhr
Von Jörg Allmeroth
Nick Kyrgios hatte beim ATP-Masters-1000-Turnier in Montreal gerade den ersten Satz gegen French-Open-ChampionStan Wawrinkaverloren, da setzte der junge Australier seiner jüngsten Sündenbilanz unzweifelhaft die Krone auf. Wie aus dem Nichts versetzte Kyrgios dem prominenten Kollegen, aber letztlich auch sich selbst einen gewaltigen Tiefschlag – wahrlich unter der Gürtellinie.„Kokkinakis (ein anderer australischer Jungprofi; Anmerkung) hat deine Freundin ge..... Sorry, dass ich dir das sagen muss“, sagte der 20-Jährige nach einem Ballwechsel in Richtung des Schweizer Stars, nicht schreiend laut, aber allemal laut genug, dass die Platzmikrofone die unverzeihlichen Worte einfangen konnten.
Mit der neuen Regelverletzung und moralischen Grenzüberschreitung stellte sich der hochgehandelte Youngster am Ende von skandalträchtigen Wochen endgültig ins Abseits.„Ich hoffe, dass eine ganz harte Bestrafung erfolgt. Er benimmt sich in jedem Spiel daneben. Er attackiert Schiedsrichter, Ballkinder, andere Spieler. So geht es nicht“, erklärte Wawrinka und fügte hinzu: „Was er da gesagt hat, würde ich nicht mal meinem ärgsten Feind sagen.“Hintergrund des Zwischenfalls: Dem 30-jährigen Wawrinka wird seit geraumer Zeit im Wanderzirkus eine Affäre mit dem kroatischen SternchenDonna Vekicangedichtet, Wawrinka und Vekic werden auch von der gleichen britischen Managementagentur „Starwing Sports“ vertreten.
Mehrere Eskapaden in Wimbledon
Wawrinka, der die Zweitrunden-Partie beim Stand von 7:6, 3:6 und 0:4 wegen einer Rückenverletzung aufgeben musste, ist das letzte Opfer der Eskapaden eines Spielers, dem eine Nummer-eins-Zukunft im Welttennis vorhergesagt wird. Der aber im Hier und Jetzt einen großen Feind hat: sich selbst. „Ich hoffe, dass er in seinem Umfeld Leute hat, die ihm für sein Leben im Tennis und auch sonst einige wichtige Ratschläge geben können“, sagte Wawrinka-Coach Magnus Norman und kanzelte den Nachwuchsstar kühl ab: „Das war wirklich ärmlich, Nick Kyrgios.“ Nach den Kyrgios-Affären in Wimbledon hatte der frühere englische Top-Mann Tim Henman davon gesprochen, dass die Last der Erwartungen Kyrgios regelrecht erdrücke: „Er kommt nicht mit der Situation zurecht, mit diesem Leben im dauernden Scheinwerferlicht.“ Die Grande Dame des Frauentennis, Martina Navratilova, erschien Kyrgios kürzlich im All England Lawn Tennis and Croquet Club noch wie jemand, „der allein gelassen“ durch den Wanderzirkus zieht: „Ich frage mich, ob er Menschen hat, die ihm wirklich helfen.“
Seinen Ruf als Skandalnudel hatte Kyrgios auf den Grüns im Südwesten Londons unter globaler Beobachtung eindringlich gepflegt.Gleich in seiner Auftaktpartie hatte er damals einen Schiedsrichter als „dreckigen Abschaum“ bezeichnet und war dann, aus Angst vor einer möglichen Disqualifikation, noch zurückgerudert: „Ich habe mich selbst gemeint.“ Selbst im gestrengen Wimbledon zeigten die Offiziellen auch anschließend viel Toleranz mit Kyrgios,denn nach einem ungewollten Schlägerwurf ins Publikum – im Drittrunden-Spiel gegen Milos Raonic– wurde auch ein weiterer verbaler Hieb des Australiers gegen einen Referee geduldet: „Neuerdings holen sie die Leute wohl von der Straße auf den Stuhl“, schleuderte der 20-Jährige in der Achtelfinal-Partie gegen Richard Gasquet dem Mann auf dem Hochsitz entgegen.
Kyrgios: „Es passierte in der Hitze des Gefechts“
Diese Partie hatte freilich noch einen weiteren bizarren Kyrgios-Moment,nämlich als der Bad Boy beim Stand von 5:7 und 0:2 plötzlich aufhörte, Widerstand gegen Gasquet zu leisten. Drei Ballwechsel lang stellte Kyrgios seine Bemühungen nahezu komplett ein, schlug die Bälle lustlos ins Netz. Oder versuchte erst gar nicht, sie zu treffen. Die Menge buhte, später nahmen dann die berüchtigten Beastie Boys vom Londoner Zeitungsboulevard Kyrgios ins Kreuzverhör. Offenbar auch von der übergroßen Nachsicht der Regelhüter animiert, die ihm keine Verstöße gegen die Tennis-Paragraphen nachweisen wollten, gab der Australier zu Protokoll: „Ich habe nichts Falsches gemacht.“ Ähnlich arglos oder dreist gab er sich auch nun, nach der Attacke auf den zweimaligen Grand-Slam-Sieger Wawrinka: „Es passierte in der Hitze des Gefechts. Ich sagte es einfach.“
In Australien herrscht um den oft genug von den internationalen Tennis-Autoritäten verhätschelten Jungstar eine Art permanenter Krisenzustand. Denn wie sein LandsmannBernard Tomicleistet sich Kyrgios auch dauernde Rangeleien mit dem heimischen Tennisverband und dessen Funktionären. Als es der legendäre Altmeister Pat Rafter unlängst wagte, Tomic für sein Fehlverhalten zu kritisieren, war Kyrgios schnell zur Stelle: „Wieder ein negativer Kommentar von Rafter. Wann hört der Bursche endlich auf damit?“ Vor Wimbledon hatte sich Kyrgios von seinem Coach Todd Larkham getrennt und das Grand-Slam-Turnier ohne Coach bestritten. Während der US-Hartplatz-Serie sollte eigentlich Vorruheständler Lleyton Hewitt mäßigenden Einfluss auf Kyrgios nehmen und ihm zu mehr Ausgeglichenheit verhelfen. Weit ist Hewitt, in Montreal auch Doppelpartner von Kyrgios, da allerdings noch nicht gekommen.