Aufschlag von unten: Warum denn nicht?
Der Versuch von Nick Kyrgios, den an der Bande wartenden Rafael Nadal mit einem Aufschlag von unten zu überraschen, sorgte bei vielen Fans für Empörung. Warum eigentlich? Ein Kommentar von Florian Goosmann.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
01.03.2019, 17:41 Uhr
Martina Hingis war es, die im French-Open-Finale 1999 gegen Steffi Graf von unten servierte, nachdem sie ein gewonnen geglaubtes Match aus der Hand gegeben hatte und kurz vorm Matchverlust stand - es war eine Verzweiflungstat und kam bei vielen Fans "unsportlich" an. (Graf sagte im Anschluss, der Ball sei eigentlich stark gewesen.)
Auch der zweite bekannte "Underhand serve" fand in Paris statt, hier war es Michael Chang, der von Krämpfen geplagt gegen Ivan Lendl von unten aufschlug (Lendl war überrascht, Chang passierte ihn.)
Das französische Publikum ist vielleicht das falsche, um Experimente zu wagen, die auch nur annähernd das Fair-Play beeinträchtigen könnten. Aber generell gefragt: Was ist am Aufschlag von unten böse?
Auch der "normale" Stopp ist fair
Die Gegner des Aufschlags von unten kommen gerne mit dem "Unsportlich"-Argument, weil man den Gegner austrickse. Aber das zieht nicht wirklich. Auch beim regulären Stoppball deutet der gute Spieler einen "normalen", harten Schlag an - um im letzten Moment die Ausholbewegung zu verkürzen und den Gegner zu überraschen. Was bitte wäre beim Aufschlag von unten anders? Oder hat der Returnierer ein Recht darauf, einen Ball mit 250 km/h serviert zu bekommen?
Besonders Rafael Nadal lädt in den vergangenen Jahren dazu ein, dass sich endlich mal ein Gegner an den Aufschlag von unten wagt. Nadal wartet mittlerweile gute fünf oder sechs Meter hinter der Grundlinie, um die Granaten von Nick Kyrgios, Kevin Anderson oder John Isner zu entschärfen - was ihm übrigens auch keiner wegen "Unsportlichkeit" untersagt und ihn an die Grundlinie bittet.
Nadals Returntaktik könnte man mit dem Überraschungseffekt eines Aufschlags von unten beikommen.
Roger Federer sieht Potenzial
Wichtig in dem Zusammenhang: der Überraschungseffekt. Ähnlich wie beim SABR, dem Halbvolley-Return von Roger Federer (bei dem 2015 ebenso die Frage nach der Unsportlichkeit diskutiert wurde), wäre der Aufschlag von unten vor allem ein Rezept, den Returnierer zum Nachdenken zu bringen, ihn nicht mehr in der Sicherheit eines 250 km/h-Aufschlags zu wiegen, sondern ihn auf Hab-Acht-Stellung eines Sprints nach vorne zu bringen - und ihn vielleicht so seiner Returnstärke etwas zu berauben.
Voraussetzung dazu aber ist, den Aufschlag von unten zu legitimieren. Gedanklich, versteht sich - denn nach den Tennisregeln ist er ja schon jetzt ein völlig legaler Schlag.
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Das sieht übrigens auch Roger Federer so. "Der Aufschlag von unten ist definitv eine Taktik. Speziell wenn die Leute im Zaun hängen, sollte man sich nicht grämen, ihn auszuprobieren. Man sieht vielleicht blöd aus, wenn er misslingt", sagte der Schweizer, angesprochen auf die Kyrgios-Aktion gegen Nadal. "Das Problem ist das Training: Da übt man ihn nie. Wenn man dann in einem vollen Stadion steht, ist es schwierig, ihn auszupacken."
Probleme mit einer eventuellen Unsportlichkeit sieht Federer nicht. Und ihr? Diskutiert mit auf unserer Facebook-Seite!