"Mit dem Fön ins Gesicht": Hot Slam erhitzt die Gemüter der Profis
Temperaturen bis zu 67 Grad Celsius auf dem Court: Grenzwertige Bedingungen haben am vierten Tag der Australian Open die Gemüter der Profis erhitzt. Für Juan Martin del Potro war die Situation sogar untragbar.
von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet:
18.01.2018, 15:42 Uhr
Von Ulrike Weinrich aus Melbourne
In der Hitze des Gefechts kam sich Angelique Kerber vor wie beim Friseur. "Es hat sich angefühlt, wie ein Fön, der einem ins Gesicht bläst", sagte die Kielerin nach ihrem 6:4, 6:1-Sieg in der zweiten Runde der Australian Open gegen Donna Vekic (Kroatien). Temperaturen von bis zu 67 Grad Celsius auf dem wasserblauen Plexicushion-Belag ließen die Auftritte der Profis am Donnerstag zur Tortur werden. Und die schlechte Nachricht: Am Freitag, dem fünften Turniertag, sollen es sogar noch ein paar Grad wärmer werden.
"Das waren mit die härtesten Bedingungen, unter denen ich jemals gespielt habe", sagte Melbourne-Rekordsieger Novak Djokovic über die Sahara-Zustände, die auch Kerber zusetzten: "Meine Schuhen haben sich so heiß angefühlt wie selten." Djokovics Kontrahent Gael Monfils klagte sogar über Schwindel während seiner Niederlage gegen den Serben und ließ einen Arzt kommen. "Ich hatte Schwierigkeiten, Luft zu bekommen. Ich glaube, ich hatte für 40 Minuten einen kleinen Hitzeschlag", erklärte der Franzose. Sowohl dem "Djoker" als auch Monfils waren die Strapazen noch einige Zeit nach dem Match anzusehen, als sie im Presseraum saßen.
Delpo: "Temperaturen zu hoch zum Tennis spielen"
Viele ihrer Kollegen nahmen zu dieser Zeit in den Stadion-Katakomben bereits ein Eisbad. Auf den Courts hatten die Cool-Down-Westen Hochkunjunktur. Für Juan Martin del Potro wurde allerdings eine Grenze überschritten. "Die Temperaturen waren einfach zu hoch, um Tennis zu spielen", monierte der argentinische US-Open-Sieger von 2009 und fügte mit Galgenhumor hinzu: "Ich habe überlebt."
Zu Spielunterbrechungen kam es allerdings nicht. Noch nicht. Schon am Freitag könnte aber die Extreme Heat Policy (EHP) dann doch zur Anwendung kommen. Matches werden unterbrochen, wenn der sogenannte WBGT-Faktor (Wet Bulb Globe Temperature), der sich aus der Temperatur, der UV-Strahlung, dem Wind und der Luftfeuchtigkeit errechnen lässt, die magische Grenze von 32,5 Grad Celsius übersteigt.
Wassertrinken um Sauerstoffgehalt aufrecht zu erhalten
Kerber, Melbourne-Champion von 2016 und eher hitzeresistent, hat mal ihr Geheimrezept in Sachen Aussie-Hitze verraten. "Man muss sich das Wetter zum Freund machen." Will heißen: Klagen hilft nicht. Mentale und körperliche Vorbereitung sind der Schlüssel. "Temperaturen wie zur Zeit sind eine extreme Belastung", sagte DTB-Arzt Didi Wolter im Gespräch mit tennisnet. Wichtig sei, so der Berliner Mediziner, dass die Spieler und Spielerinnen während der Matches zwei bis drei Liter trinken. "Nur so kann der Sauerstoffgehalt im Blut ausreichend aufrecht erhalten und die Konzentration über den Zeitraum der Spiele gehalten werden", erklärte Wolter.
Die Profis werden deshalb auch schon von den Physios in der Umkleidekabine darauf hingewiesen, wie sie sich zu verhalten haben. Unter anderem wird empfohlen, sich vor und nach dem Match zu wiegen, um so den Gewichtsverlust ausgleichen zu können. "Viele denken nicht an den Salzverlust, das kann zu Krämpfen führen", sagte der langjährige Turnier-Doc Tim Woods.
Klage wegen Treppensturz nach Schattensuche
Szenarien wie 2014 sollen unbedingt vermieden werden. Damals gaben am zweiten Turniertag insgesamt neun Profis wegen der Folgen der damals herrschenden Hitze (bis zu 43,9 Grad Celsius) auf. Ein Jahr später verklagte eine Besucherin die Stadt Melbourne, weil das Dach der Hisense Arena trotz der extremen Temperaturen nicht geschlossen wurde - und sie auf der Suche nach Schatten die Stadiontreppen herunterstürzte.