Schwierige Phase für die zweite Swiss Miss
Gut gegen Serena Williams dagegen gehalten - und dennoch musste Belinda Bencic aus dem Einzel-Wettbewerb Abschied nehmen. Landsfrau Timea Bacsinszky ist hingegen eine Runde weiter.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
17.01.2017, 16:22 Uhr
Belinda Bencic hätte die Angelegenheit auch gut sein lassen können. In jenem Moment, als sie gegen Serena Williams mit 4:6 und 0:5 zurücklag, in der ersten Australian Open-Runde, auf dem Centre Court. Aber Belinda Bencic wäre nicht eine außergewöhnliche Tennisspielerin, hätte sie nicht auch im Angesicht der klaren Niederlage weiter gefightet, Moral gezeigt und alles nur Menschenmögliche versucht. Bencic verhinderte dann zwar nicht das Turnier-Aus, aber ihr kleines Comeback zum 3:5 im zweiten Satz war so etwas wie eine Ansage für die Zukunft. Für eine bessere, wieder unbeschwertere und erfolgreichere Zukunft - ohne kleinere und größere Wehwehchen, mit neuen Siegen. "Ich bin enttäuscht, dass ich verloren habe. Das ist normal", sagte Bencic in einem TV-Interview nach dem 4:6, 3:6-Aus. "Aber nicht total unzufrieden mit meiner Leistung. Gut spielen heißt gegen Williams eben nicht automatisch, dass du gewinnst."
Mit Verletzungen kennt sich leider auch Timea Bacsinszky gut aus, gerade erst musste sie die beiden geplanten Auftaktturniere der Saison in Shenzen und Sydney ausfallen lassen und somit ohne ernsthafte Spielpraxis in das Grand Slam-Abenteuer von Melbourne gehen. Und ein Abenteuer mitsamt Krimi war es dann auch wahrlich, was sich zwischen Bacsinszky und der Italienerin Camila Giorgi in der ersten Australian Open-Runde abspielte. Es gab drei vergebene Matchbälle der Romande, es gab eine ungemein aggressiv spielende Giorgi, die sich aber sage und schreibe 69 leichte Fehler leistete. Es gab Hitze mit 35 Grad, es gab eine Berg-und-Talfahrt, immer wieder Aufs und Abs bei beiden Spielerinnen, es gab einen 5:2-Vorsprung für Bacsinszky im letzten Satz, der dahinschmolz und bei 5:5 wieder völlig verschwunden war. Aber es gab schließlich doch noch den aufreibenden 6:4, 3:6, 7:5-Sieg für die Schweizerin, den man trotz ihrer nominellen Favoritinnenrolle nicht unbedingt erwartet hatte. "Wie ein Sprung ins Ungewisse" sei ihr dieser Einstieg in den ersten Grand Slam vorgekommen, sagte Bacsinszky später: "Ich wußte nicht, was kommt. Es war sehr schwierig. Aber ich bin natürlich sehr glücklich, das Spiel durchgebracht zu haben."
Keine Selbstverständlichkeiten mehr
Bacsinszky wird am Donnerstag nun auf die Montenegrinerin Danka Kovinic treffen, es ist eine lösbare Aufgabe gegen die Nummer 68 der Weltrangliste. Doch Selbstverständlichkeiten gibt es für Bacsinszky im Moment genau so wenig wie für Bencic, die lange Zeit umschwärmte und gefeierte neue Miss Swiss. Das letzte Tennisjahr war schwierig für Bencic, kompliziert und belastend. Ganz einfach, weil sie viel zu selten das tun konnte, was sie am liebsten tut: Auf den Platz gehen, schmerzfrei trainieren. Oder bei Turnieren Tennis spielen, Frau gegen Frau. Fast immer, wenn sie und ihre Fans glaubten, es könne nun endlich wieder richtig losgehen, stoppte sie eine neue Verletzung. Es gab dann sogar Grafiken, die zeigten, wo Bencic binnen weniger Monate überall verletzt war: Am Rücken, am Steißbein, an beiden Handgelenken, an den Adduktoren. "Es war eins der schwersten Jahre für mich. Und es war nicht immer leicht, den Kopf oben zu behalten", sagt Bencic. Sie glaubt und hofft jetzt, dass das Schlimmste überstanden ist. Sie will auch lieber nach vorne blicken als zurück - zurück zu dieser Seuchensaison, in der auch der Traum vom Start bei Olympischen Spielen platzte.
Melbourne, überhaupt die Australien-Tour - es war ein sportlicher Neustart, fast vom Punkt Null aus. Aber es gab auch Veränderungen abseits der Spielbühne, Bencic nämlich war und ist auf dem Roten Kontinent ohne Vater Ivan unterwegs. Das soll sich bei manchem kommenden Turnier zwar wieder ändern, aber die stetige, immerwährende Präsenz des Vaters soll es anscheinend auch nicht geben. Wer die Lücke schließen soll, weiß die 19-jährige selbst noch nicht ganz genau. Jedenfalls ist es noch kein Thema, das öffentlich erörtert werden soll.
Erst mal richtet sich Bencics Fokus noch auf die Doppelkonkurrenz in Melbourne, die sie mit ihrer kroatischen Partnerin Ana Konjuh angehen wird. Auslosungsglück sah aber auch hier anders aus für Bencic - in der ersten Runde geht es gegen die an Nummer 1 gesetzten Französinnen Caroline Garcia und Kristina Mladenovic.
Hier die Auslosungen und Ergebnisse der Australian Open: Einzel, Einzel-Qualifikation.