Becker-Spektakel - und ein Versprecher
Am Mittwoch wurde Boris Becker auf der DTB-Pressekonferenz offiziell in seiner neuen Rolle vorgestellt: Der beste deutsche Tennisspieler aller Zeiten soll seine Nachfolger wieder nach vorn bringen. Für Becker ist es auch ein "nach Hause kommen".
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
23.08.2017, 15:00 Uhr
Der Name Becker muss wohl übermächtige Wirkung haben. Und so gelang es dem Präsidenten des Deutschen Tennis Bund, dem pensionierten Schuldirektor Ulrich Klaus, doch tatsächlich, den denkwürdigsten Moment dieses großen Nachrichtentages im Frankfurter Römer zu setzen. Kaum hatte der Mittsechziger zu einem Statement über die neuen Personalien beim DTB angesetzt, da war der gallige Versprecher auch schon raus.
"Barbara Becker" nannte Klaus vor einer Hundertschaft Journalisten und 20 Kamerateams die langjährige Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner irrtümlich, so hieß bekanntlich einmal die erste Ehefrau von Boris Becker. Auf dem Podium, auf dem auch noch DTB-Vize Dirk Hordorff, Sportdirektor Klaus Eberhard, Rittner und Becker saßen, wurde etwas betreten dreingeschaut, im Saal bei der Journalistenmeute dezent gelächelt. Alles Becker - oder was?
Neue "Köpfe" im deutschen Tennis
Es war allerdings die einzige Irritation an diesem 23. August, einem Meilenstein-Tag für den größten Tennisverband der Welt - und für das deutsche Tennis insgesamt. Spannende Neuigkeiten gab es nicht mehr zu verkünden im ehrwürdigen Plenarsaal nach den diversen Tennis-Leaks, aber offiziell und amtlich bestätigt wurde, was seit 48 Stunden in der Republik bekannt war und hitzig debattiert wurde. Boris Becker, vor rund 18 Jahren im Unfrieden aus DTB-Diensten geschieden, wird der neue Oberaufseher und Chefkontrolleur im deutschen Männertennis, damit zugleich der Vorgesetzte von Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann.
Und Barbara Rittner, die hochangesehene Bundestrainerin, nimmt die deckungsgleiche Stelle im Frauentennis ein und macht den Weg frei für Jens Gerlach, der ab 1. Januar 2018 neuer Fed-Cup-Verantwortlicher wird. "Head of Men's Tennis" und "Head of Women's Tennis" nennen sich Becker und Rittner, ein sperriger Titel jeweils, internationalen Gepflogenheiten folgend.
Boris Becker: "Ich liebe dieses Land"
Aber was sich dahinter verbirgt, darf man getrost als das denkbar größte Kompetenzzentrum bezeichnen, als eine Gewinner-Koalition. Nämlich zwischen der international erfahrensten, am besten vernetzten Trainerin und einem Mann, der sich, wie er selbst sagte, einen "Vertrauensbonus" für diese Stelle erworben hatte als Coach des Weltklasseprofis Novak Djokovic: "Ich freue mich unglaublich auf diese Aufgabe. Ich liebe diesen Sport. Ich liebe dieses Land. Und ich bin stolz, es wieder in dieser Position vertreten zu können", sagte jener Becker mit gebotenem Pathos beim Pressetermin in Frankfurt, den, standesgemäß für diese Inthronisation, gleich vier Fernsehsender live ins Land übertrugen.
Für Becker, der kurz nach 12 Uhr mittags auf Krücken in den Saal gehumpelt kam (er war vor fünf Wochen am Sprunggelenk operiert worden), war der Tag ein Wiederbeginn, aber ein Beginn, für Rittner war er zunächst gefühlt noch ein Abschied - nämlich der aus der allerersten Reihe: "Alles hat seine Zeit. Ich bin traurig jetzt, aber man muss aufhören und Abschied nehmen, bevor man vielleicht die Leidenschaft verliert", sagte die Leverkusenerin, "für meine Mädels ist es ganz gut, dass sie nun noch mehr Verantwortung selbst übernehmen müssen."
Rittner: "Von Becker kann ich noch viel lernen"
Rittner soll sich in der neuen, herausgehobenen Rolle genau so wie Becker auch intensiv um die Nachwuchsförderung kümmern, es gehe darum, die Lücken zu anderen Big Playern im Tennis zu schließen, sagte dazu DTB-Vize Dirk Hordorff, der den Deal mit dem dreimaligen Wimbledon-Champion bei einer Tasse Kaffee in dessen Londoner Haus perfekt gemacht hatte - und zwar, während draußen Paparazzi vor Beckers Heim herumlungerten.
Becker will, das betonter er mit ausladender Geste, "keinesfalls über den Dingen schweben" und als eine Art Frühstücksdirektor amtieren, sondern auch immer wieder "an die Basis gehen". Schon bald werde er die DTB-Stützpunkte in Oberhaching, Stuttgart und Hannover besuchen, sich über den Stand der Ausbildung informieren und auch Trainingslager abhalten. Es werde dabei auch einen "wunderbaren Austausch" mit Kollegin Rittner geben, befand Becker.
Rittner gab die Komplimente "nur zu gerne" zurück: "Ich glaube, es gibt kaum einen zweiten, der so viel von Tennis versteht wie Boris, der so viel erlebt hat. Ich habe zwar viel Erfahrung und Wissen, aber von ihm kann ich noch viel lernen. Und jetzt kann ich ihn auch offiziell mit meinen Fragen löchern, ihn anrufen, wann ich will."
Das große Ziel: Olympia 2020
Als Becker gefragt wurde, wie es sich anfühle, jetzt nach so langer Zeit wieder für das deutsche Tennis zu arbeiten, da erzählte er, wie er bei den Olympischen Spielen in Rio zum Betreuerstab von Novak Djokovic gehört hatte, aber nach dem dritten Tag dort immer öfter Zeit mit den deutschen Spielern verbracht habe: "Irgendwann dachte ich: Mann, du gehörst doch hierhin."
Auch damals habe man schon über eine Zusammenarbeit gesprochen, insgesamt über 18 Monate - und "jetzt sehen sie hier einen sehr zufriedenen Menschen, der einen tollen Job vor sich hat. Und der ihn gut machen will." Bis zu den Spielen von Tokio im Jahr 2020 habe man sich auf eine Kooperation verständigt, so Becker.
DTB-Präsident Klaus bestätigte auch nachdrücklich, dass der ehemalige Davis-Cup-Held ehrenamtlich tätig werde und nur die Aufwendungen bezahlt bekomme. Der DTB-Boss reagierte damit auf vereinzelt geäußerte Kritik aus den Landesverbänden, es würden weitere hochdotierte Posten geschaffen, während die Kosten für normale Vereinsspieler dauernd anstiegen.
Hordoff lässt sich feiern, Becker setzt auf Zverev
Von diesem Tag solle durchaus eine "verstärkte Aufbruchstimmung" ausgehen, sagte DTB-Vize Hordorff, der einstmals, in Beckers erster Amtszeit von 1997 bis 1999, der ärgste interne Kritiker des Champions war. Und der nun aber sagte: "Zu Beckers Verpflichtung haben mir mehr Menschen gratuliert als zu meinem 60. Geburtstag zuletzt. Es gab und gibt nur positive Reaktionen."
Schon bei den US Open werden die ihm nominell unterstellten Abteilungsleiter, Becker wie Rittner, erstmals in neuer Funktion mit Spielern, Coaches und Managern sprechen und ihrerseits Personalien für die nähere und mittlere Zukunft abklären. Eine der großen Fragen ist dabei, ob der neue Superstar Alexander Zverev zum Davis Cup-Team gehören wird, dass sich im September der Relegationsaufgabe in Portugal stellen muss.
"Ich bin erst mal froh, dass er seine Bereitschaft erklärt hat, spielen zu wollen", sagte Becker dazu, "es ist übrigens unglaublich, dass jemand mit 20 Jahren ein Tennis spielt, wie es Alexander spielt. Und dabei so erfolgreich ist." In Portugal dann könnte sogar Becker wieder mal wieder zum Schläger greifen: "In zwei Wochen kann ich die Krücken endlich wegschmeißen."