Das mentale Spiel von Jakub Mensik
Jakub Mensiks Triumph in Miami war auch einer der mentalen Stärke. Der Tennis-Insider klärt auf.
von Marco Kühn
zuletzt bearbeitet:
02.04.2025, 11:33 Uhr

15. März 2025. Cap Cana Challenger. Gegner: Damir Dzumhur.
Ergebnis? 7:5, 4:6 und 4:6 aus Sicht von Jakub Mensik.
16 Tage später schlug der junge Tscheche sein Idol Novak Djokovic in seinem ersten Masters-Finale in Miami. Tennis ist ein verrückter Sport. Oft nicht zu erklären.
Das Besondere an Jakub Mensik ist, dass er nicht besonders spielt. Im Stadionschatten des Center Courts von Miami schlich er sich an Joao Fonseca vorbei. Ein Jahr jünger, aber mit wesentlich mehr Strahlkraft als der Tscheche.
Spielerisch sieht das alles nicht so spektakulär aus. Mensik serviert wie ein Bär. Interessanter Fakt: Mensik hat den größten Unterschied in der Aufschlaggeschwindigkeit zwischen seinem ersten und zweiten Aufschlag in den Top 50 der Weltrangliste. Den ersten Aufschlag serviert er durchschnittlich mit 130 mph, seinen zweiten mit 95 mph.
Der Djoker erklärte nach dem Match, die Aufschläge von Mensik seien zu präzise und zu konstant, um sie entschärfen zu können. Mensik nutzt für jede Aufschlagvariation und jede Aufschlagrichtung den exakt selben Ballwurf. Das macht es selbst für einen Djoker schwierig, die Aufschläge zu lesen.
Dadurch ergeben sich zwei große Stärken im Spiel des Youngsters: Konstanz und Präzision. Keine spektakulären Schläge. Keine großen Emotionen. Alles ist in Balance. Was uns direkt zu seinem mentalen Spiel führt, das ein Grundbaustein für seinen Erfolg ist.
Lass uns in den folgenden Zeilen schauen, welche mentalen Eigenschaften und Fähigkeiten Jakub Mensik zum ersten Masters-Titel seiner Karriere geführt haben. Wir klären dabei auch, ob Mensik diesen Titel für eine Eintagsfliege hält - oder bereits mit mehreren Titeln plant.
Akzeptanz der Umstände
Mal war es windig. Dann kam der Regen. Das Finale musste sogar um mehrere Stunden nach hinten verschoben werden. Die Turniertage in Miami verlangten den Spielern einiges ab. Von all dem ließ sich Jakub Mensik nicht aus seiner stoischen Ruhe bringen. Mit Novak Djokovic stand sein Jugendidol auf der anderen Seite des Netzes. Aber auch das schien der junge Tscheche komplett ausgeblendet zu haben. Immer wieder schaute er nach wichtigen Punkten zu seiner Trainerbox. Blick nach vorn, fokussiert und immer den nächsten Punkt vor Augen.
Mensik ist im Match unglaublich stark darin, sich nur auf das zu konzentrieren, auf das er zu 100 % Einfluss hat. Das sind starke Aufschläge, eine gute Beinarbeit, wenig Fehler und das Abhaken leichter Fehler. In dieser mentalen Disziplin, der Akzeptanz der Umstände, war Mensik während des Masters in Miami der beste Spieler im Feld. Diese Akzeptanz der Umstände führt zu einem Verhalten im Match, das wir uns als Nächstes genauer anschauen.
Nie zu euphorisch, nie zu negativ
Als ich vor zwei Jahren Mensik das erste Mal bei einem Challenger sah, fiel die Gelassenheit des Tschechen auf. Er feierte Punkte nicht zu übertrieben. Er war aber auch nie zu negativ, wenn es im Match nicht lief. Nie ließ er den Kopf hängen oder zeigte seinem Gegner, dass er mental angeschlagen war. Diese Fähigkeiten hat er in den letzten zwei Jahren weiter ausgebaut.
Beobachtet man die Körpersprache des Youngsters, so entdeckt man keine negativen Bewegungen. Er bietet dem Gegner mental nichts an. Das ist ein Spiegel seiner Spielweise im Ballwechsel. Im Halbfinale von Miami gegen Arthur Fils vergeigte Mensik eine klare Führung im ersten Satz. Aber das schien ihn nach außen nicht zu interessieren. Fils, ein Charakter mit wesentlich mehr Emotionen im Match, sprang, nachdem er den Rückstand aufholte, euphorisch und die Faust ballend über den Platz. Mensik marschierte stoisch Richtung Bank. Das Blatt wendete sich im Tiebreak des ersten Satzes erneut. Fils schaute nach Hilfe suchend und Schulter zuckend zu seiner Box. Was tat Mensik? Er marschierte stoisch von Punkt zu Punkt.
Im zweiten Satz ging es dann schnell. Fils, der zu viel Energie durch seine Emotionen verschwendet hatte, verlor die Konzentration und den Bezug zum Match. Einmal darfst du raten, was Jakub Mensik tat. Du hast recht: Er marschierte stoisch von Punkt zu Punkt.
Jedes Tennismatch ist eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Der Spieler, der hier die innere Balance hält und nie zu euphorisch und nie zu negativ bleiben kann, hat einen mentalen Vorteil. Dieser mentale Vorteil wirkt sich unweigerlich auf die spielerische Klasse des Spielers aus. Wer ruhiger denkt, der kann bessere Entscheidungen treffen. Sei es in einem laufenden Ballwechsel oder zwischen den Ballwechseln, wenn man den nächsten Punkt planen muss.
Durch diese stoische Ruhe trifft Mensik hervorragende Schlagentscheidungen in den Ballwechseln. Diese Ruhe ist es vermutlich auch, die ihm bei seinen starken Aufschlägen hilft. Schaut man genau hin, überträgt sich seine geistige Ruhe auf seine Aufschlagbewegung. Durch diese ruhige Aufschlagbewegung kann er präziser und konstanter servieren.
Demut
Im Tennis gibt es das Phänomen "des nächsten Matches". Schlägt ein Außenseiter einen großen Favoriten, so geht er im Match danach oft unter. Ähnliches gilt auch für überraschende Turniersieger, die dann im nächsten Turnier direkt in der ersten Runde gegen einen krassen Underdog den Kürzeren ziehen.
Es ist verführerisch, den Sieg und damit den Erfolg im Kopf zu haben. Es ist nur menschlich, sich dann zu entspannen und den "Triumph zu genießen". Das führt aber leider direkt zu einem Spannungsabfall. Die Intensität in den Schlägen ist nicht mehr da. Die Körperspannung fehlt und auch die Konzentration auf den Ball und die Bewegungen zum Ball hin können unter diesem Spannungsabfall leiden.
Mensik wird jetzt nicht jedes Match gewinnen, das ist klar. Aber seine Äußerungen nach dem Erfolg in Miami lassen erahnen, wie er sich selbst sieht. Wie er sich und seinen Weg als Tennisspieler sieht. Er sagte nach dem Sieg gegen Novak Djokovic den doch überraschenden Satz: "Ich bin auf einem guten Weg!". Danach führte er aus, dass er sehr viel Arbeit in diesen Erfolg gesteckt hätte. Es schwang eine große Portion Demut in diesen Aussagen mit. Eine gesunde Einstellung dem Erfolg gegenüber, der Hochmut immer direkt bestraft. Mensik sieht diesen großen Master-Titel als einen Teil seines Weges. Nicht als Endziel, das er jetzt erreicht hat. Diese Ansichten verraten ein wenig, dass er bereits zuvor an seine Chancen auf einen solchen Triumph geglaubt hat. Das ist die Basis. Man kann nur etwas erreichen, an das man zuvor glaubt.
Lernen aus Niederlagen
Der beste Tennistrainer ist neben Patrick Mouratoglou die gute, alte Niederlage. Nichts lehrt einen Tennisspieler mehr als eine krachende, bitterböse Niederlage. Mensik verlor 2024 beim Turnier in Shanghai sein erstes Duell gegen Novak Djokovic. Auch in diesem Match gewann er den ersten Satz im Tiebreak mit 7:6.
Mensik erzählte nach dem Miami-Finale, wie er sich nach dem ersten Satz an das Match aus Shanghai zurückerinnerte. Dort war der Start in den zweiten Satz entscheidend für den weiteren Verlauf des Matches. Mensik sagte: “Ich habe die Erfahrung aus dem Match in Shanghai mitgenommen und habe mein Bestes gegeben, um es hier so gut wie möglich zu machen.” Sein Ziel war es, einen dritten Satz gegen den Djoker zu vermeiden - was ihm gelang. Mensik konnte den Lerneffekt aus seinem ersten Match gegen den Djoker direkt im nächsten Match adaptieren. Zur richtigen Zeit im Match. Er war in der Lage, in den wichtigen Phasen des Matches die richtigen Gedanken zu wählen und diese umzusetzen. Das ist für einen so jungen Spieler mental eine ziemliche Wucht.
Fazit
Jakub Mensik besticht durch Konstanz und Präzision. Spielerisch wie auch im Kopf. Für einen 19 Jahre jungen Typen bringt er eine große emotionale Reife mit auf den Court. Nicht jeder Youngster schlägt in seinem ersten Masters-Finale den Tiebreak-König Novak Djokovic mit 7:6 und 7:6.
Mensik spielt das mentale Spiel schon jetzt auf Top-10-Niveau. Die dazu passende Weltranglistenplatzierung wird vermutlich bald folgen.
Um es mit den Worten von Mensik selbst zu sagen, die er nach seinem Sieg in Miami auf die Kamera schrieb:" The first of many".
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