Davis Cup: „Dieser Deal ist nicht finanzierbar“ – Skepsis am Milliardenprojekt
Der neue Davis Cup ist gestartet, dank stattlicher Antrittsprämien sind auch Stars wie Novak Djokovic und Rafael Nadal dabei. Die Zukunftsprognosen des Formats sehen Tenniskenner jedoch problematisch.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
19.11.2019, 11:47 Uhr
Es war im Frühjahr, als Gerard Pique und der Chef des Tennis-Weltverbands, der alerte Amerikaner David Haggerty, großartige Perspektiven für den neuen Davis Cup zeichneten. Pique, der spanische Profifußballer und Dirigent des frischen Rechteinhabers „Kosmos“, sprach von einem „Tennisfestival“, das man feiern werde, auch von einem „großartigen Spektakel und dem Aufbruch in eine neue Ära“.
Was von den PR-Trommeleien zu halten ist, werden nun die nächsten Tage in Madrid zeigen, beim Endturnier des Nationenwettbewerbs, bei einer Veranstaltung, die von ihren Kritikern gern auch „Kosmos Cup“ oder „Pique Cup“ genannt wird. Um zu verdeutlichen, dass sie in keinster Weise etwas mit dem alten, angestammten Format zu tun hat. Mit Heim- und Auswärtsspielen bis zum Finale, mit packenden Matches vor eigenem Publikum oder in weiter Ferne.
Deutschland startet am Mittwoch
Bis zum Sonntag wird nun der Jahresgewinner in einem Endturnier mit 18 Mannschaften ermittelt, zunächst in Gruppenmatches, dann in Viertel- und Halbfinals und schließlich in einem Endspiel. Das DTB-Team trifft in der Vorrunde auf Argentinien (Mittwoch) und Chile (Donnerstag), Spitzenspieler ist der in dieser Saison erstarkte Sauerländer Jan-Lennard Struff, ihm stehen der Schwarzwälder Dominik Koepfer und das Doppel Kevin Krawietz und Andreas Mies bei, letztere gerade noch beim WM-Finale der Profigewerkschaft ATP in London im Einsatz.
Deutschland gehörte – und gehört - zu den größten und lautstärksten Skeptikern des umgemodelten Wettbewerbs, gerade weil hierzulande noch immer die Erinnerung an große, emotionale Davis Cup-Momente präsent ist, in den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Aber auch, weil die Befürchtung groß ist, dass sich viele der großen Versprechungen der neuen Veranstalter nicht halten lassen. Boris Becker, der Protagonist unvergesslicher Davis Cup-Duelle, gehörte auch zu den scharfen Kritikern des Reformprojekts. Nun, da die Wirklichkeit eines neuen Formats da ist, sieht der Abteilungsleiter des deutschen Herrentennis das Ganze offiziell im Duktus eines Diplomaten: „Ich gebe dem Wettbewerb eine Chance. Das gebietet die Fairness.“ So viel noble Zurückhaltung kennt Beckers ehemaliger Mastermind, der rumänische Großmanager Ion Tiriac indes nicht, er nennt die Veranstaltung einen „Witz“ und eine „Farce“.
"Keine Überlebenschance"
Tiriac, der gerissene Geschäftemacher, ist keineswegs der Einzige im Tennis-Universum, der sich kopfschüttelnd fragt, wie tragfähig der scheinbar märchenhafte Deal des Weltverbandes mit den Geldgebern von Kosmos ist. Drei Milliarden Dollar sollen in den nächsten 25 Jahren an die International Tennis Federation und die Mitgliedsverbände fließen, 120 Millionen Dollar also Jahr für Jahr. Aber bisher jedenfalls ist unklar, wie Kosmos diese Summen auch nur annähernd stemmen kann - und sogar Profite erzielen will.
Große internationale TV-Stationen sind soweit nicht eingestiegen in die Davis Cup-Finals, auch das Sponsorenportfolio ist eher dünn. Eine der Werbebanden muss schon von der Ankündigung der neuen Tingeltour von Piques Gemahlin Shakira bespielt werden. Dazu kommen durchwachsene Kartenvorverkäufe, schon zu Beginn des Events blieben viele Sitze leer. Mancher erinnert sich an den – womöglich prophetischen – Spruch eines amerikanischen Topakteurs im Tennisbusiness, vorgetragen in der Players Lounge der US Open: „Dieser Deal ist nicht finanzierbar“, war das apodiktische Fazit, das Turnier habe „keine Überlebenschance“.
Antrittsprämien locken die Stars
Das größte Problem, daraus machen Kosmos und sein Frontmann Pique keinen Hehl, ist der Termin ihres Davis Cup-Turniers. Nach dem Spektakel der ATP-WM in London fällt es den meisten Fans und Experten schwer, sich den neuen Davis Cup noch einmal als strahlenden Höhepunkt vorzustellen, am Ende der jährlichen Strapazen im Wanderzirkus. Der späte November-Termin verkürzt den abgekämpften Akteuren die dringend benötigte Saisonpause, die Ausfall- und Absagequote wäre zweifellos noch weit höher, gäbe es nicht dicke Präsenzschecks. Wie zu hören ist, wurden Nadal und Djokovic, die prominenstesten Mitwirkenden, sogar noch mit zusätzlichen Antrittsprämien geködert. Roger Federer und Alexander Zverev gehen gleichwohl eigene Wege, bei einer Schaukampf-Tournee in Südamerika, auch die WM-Finalisten Stefanos Tsitsipas und Dominic Thiem fehlen.
Im Machtgerangel hinter den Tennis-Kulissen stehen die Davis Cup Finals mit dem schlechtesten Termin da – und deshalb auch auf wackligem Fundament. Pique, auch die ITF, würden gern in den September wechseln, auf eine Woche Ende September, kurz nach den US Open. Doch dort haben sich der glamouröse Laver Cup und sein Frontmann Federer behaglich eingerichtet, sie haben sogar die Absegnung der ATP und stehen im offiziellen Turnierkalender. Anfang der Saison kommt nun ab 2020 noch ein weiterer Mannschaftswettbewerb hinzu, der ATP Cup in Australien, mit allen Stars und Superstars der Branche dann. Tiriac, der alte Fuchs, hat vor kurzem einmal süffisant in eine kleine Runde gefragt, welcher Wettbewerb denn am ehesten überflüssig sein werde. Und dann fügte er hinzu: „Dieser Davis Cup hier, der bleibt nicht lange so bestehen, wie er ist“, sagte der Milliardär, „es kann sein, dass er schon in zwei Jahren wieder komplett verändert wird.“