Der skurrilste Spieler der Welt: Ivo Karlovic, Doktor Hammer und Herr der Asse
Fast 39 Jahre und noch nicht müde: "Wenn ich morgen aufhören würde, wüsste ich nichts mit mir anzufangen", sagt Ivo Karlovic. Der Aufschlaggigant unterlag Andreas Seppi in Melbourne trotz 52 Assen.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
19.01.2018, 19:34 Uhr
Als die Tenniswelt im letzten November gespannt zum neuen Showturnier der jungen Wilden nach Mailand blickte, schaltete sich schnell auch noch mal Ivo Karlovic ein. Für seine 122.000 Twitter-Jünger hatte er eine scheinbar traurige Botschaft parat: "Sorry, dass ich nicht beim NextGeneration-Finale mitmachen kann. Ich habe eine Knöchelverletzung."
Es war der üblich lakonische Humor des 2,11-Meter-Riesen, der keineswegs zu den Nachwuchshoffnungen des Wanderzirkus gehört. Sondern der Methusalem der Branche ist. Ende Februar 2018 wird der Gigant, der wahre Herr der Asse, schon 39 Jahre alt. Aber der Schelm, der älteste Grand-Slam-Spieler der Gegenwart, hat noch längst nicht genug, und zwar aus einem ebenso guten wie vielleicht frustrierenden Grund: "Wenn ich morgen aufhören würde, wüsste ich nichts mit mir anzufangen."
50-Asse-Marke erneut gebrochen
Also macht Karlovic, den sie in der Tenniswelt gern Doktor Hammer nennen, einfach weiter. Er spielt und spielt und spielt. Und er schlägt Asse und Asse und Asse. Bei den Australian Open in Melbourne schied der dürre Schlaks zwar am Freitag in einem seiner gewohnten, endlosen Fünf-Satz-Dramen aus, dieses Mal nach knapp vier Stunden mit 7:9 im Schluss-Akt gegen den Südtiroler Andreas Seppi, aber ohne einen weiteren Rekord ging der skurrile Kroate nicht heim.
Denn sowohl in dieser Partie wie auch in einem über vier Stunden währenden Zweitrunden-Duell gegen den Japaner Yuichi Sugita schlug er jeweils hintereinander mindestens über 50 Volltreffer ins gegnerische Feld - eine bisher unerreichte Bestleistung in der Tenniswelt. 53 Asse waren es gegen Sugita, 52 Asse gegen Seppi. Nun steht seine ohnehin schier unerreichbare Bestmarke für die ganze Karriere bei 12.428 Assen. Die Zehntausender-Grenze haben bisher nur drei Spieler überschritten: Roger Federer, Goran Ivanisevic (beide aber knapp über 10.000) und eben Karlovic, der pro Spiel etwa 20 Asse schlägt.
Im Extremfall aber noch viel mehr. So wie bei den Australian Open 2017, als er in einen anderen Abnutzungsfight verstrickt war - gegen den Argentinier Horacio Zeballos. Am Ende, nach sage und schreibe fünf Stunden und 14 Minuten, verbuchte der XXXL-Mann 75 Asse, ein einsamer Melbourne-Rekord. Karlovic brilliert aber keineswegs nur bei diesen schlagzeilenträchtigen Matches mit seinem Hochgeschwindigkeits-Aufschlag, sondern auch im eher grauen Touralltag.
85 Prozent seiner ersten Aufschläge landen im Feld, 92 Prozent seiner Aufschlagspiele gewinnt "Incredible Ivo" ("Der unglaubliche Ivo"/The Times London) dann auch. Frustrierend wirkt die Präzision des coolen Riesen für seine Gegner, die oft machtlos die Seiten hin und her wechseln, ohne auch nur an den Ball zu gelangen. 71 Prozent aller Breakbälle wehrt King Carlo ab, mit trockener Miene, ein ausdrucksloser Vollstrecker von der Servicelinie. "Ich mache am liebsten, was ich am besten kann: Aufschlagen", ist so einer dieser lustigen, von den Fans geliebten Karlovic-Sätze.
Er ist einer der letzten unverwechselbaren Typen in der zunehmend uniformen Branche - geschätzt bei den lieben Kollegen, auch wenn sie ihn auf dem Court, im Duell Mann gegen Mann, als Nervensäge empfinden. "Niemand ist frustrierender als Gegner als Ivo", sagt selbst ein Mann wie Novak Djokovic, der schon zwei Vergleiche mit der "Bohnenstange" (L´Equipe) verlor. Karlovics Karriere war 2013 ernsthaft in Gefahr, als er an einer tückischen Hirnhautentzündung litt und selbst glaubte, er müsse sterben. "Einige Tage meines Lebens hatte ich nicht mehr auf meiner Rechnung", sagt Karlovic, "es war ein kleines Wunder, dass ich danach wieder mit dem Tennis anfangen konnte und durfte."
"Bum-Bum-Karlo"
Und sein Comeback war mehr als beeindruckend: 2015 markierte der immer etwas grobmotorisch wirkende Karlovic sogar einen persönlichen Rekord, trommelte 1447 Asse in der Saison übers Netz. Auch bei den Gerry Weber Open hinterließ Karlovic in jenem Jahr bleibenden Eindruck - mit einem neuen Weltrekord von 45 Assen für Matches über zwei Gewinnsätze. Vorübergehend gehörte ihm auch das Allzeit-Geschwindigkeitshoch beim Service, mit 251,4 km/h. Diese Bestleistung klaute ihm dann allerdings schnell der Australier Sam Groth (263 km/h).
Karlovic war schon immer für Rekorde gut. Mit elf Jahren war er bereits 1,90 Meter groß, mit 13 Jahren dann schon zwei Meter. "Ich habe nur zwei, drei Mal Menschen getroffen, die größer waren als ich. Etwa den Basketballspieler Pau Gasol, der ist 2,13 Meter groß", sagt Karlovic. Die Spielervereinigung ATP notierte ihn viele Jahre lang nur bei 2,08 Metern, bis es Karlovic zu bunt wurde. Er forderte eine Nachmessung, die dann 2,11 Meter ergab. Er lebt auch auf äußerst großem Fuß, allerdings nur im Wortsinne. Seine Schuhgröße ist 52. "Ich muss mir immer ausreichend Schuhe mitnehmen auf Reisen, Ersatz zu finden, ist schwer", sagt er.