Dominic Thiem auf Sand: Jagd auf Nadal, Djokovic und Federer
Nach einem Auf und Ab auf den Hartplätzen kehrt Dominic Thiem in Monte Carlo auf den geliebten Sand zurück. Fünf Klassiker stehen auf seinem Programm.
von Fritz Hutter
zuletzt bearbeitet:
14.04.2019, 07:29 Uhr
Günter Bresnik mag seinen Musterschüler so gar nicht als Sandplatzspezialisten typisiert sehen: „Sein Spiel ist eigentlich prädestiniert für Hartplatz. Vom Aufschlag her, aber auch vom stark verbesserten Return und einem Repertoire, das es ihm grundsätzlich ermöglicht, praktisch jeden Gegner wegzuspielen.“
Trotzdem räumt er ein, dass die Thiem-Stats auf pulverisiertem Ziegelstein unübersehbar mächtig sind: „Wer in Paris dreimal hintereinander das Semifinale erreicht, zählt logischerweise zu den allerbesten Sandplatzspielern. Aber Dominic ist auf diesem Belag ja buchstäblich aufgewachsen.“
Die Leistungsbilanz des 25-jährigen Niederösterreichers erzählt ähnliches. Zwar steht mit dem jüngst fixierten Sieg beim ATP-1000-Event von Indian Wells ein Hartplatztriumph auffällig fett im Lebenslauf und auch der letztjährige Hallentitel von St. Petersburg sowie die vollen Erfolge am Hardcourt von Acapulco bzw. am Rasen von Stuttgart (beides 2016) untermauern das Bild vom Gesamtkunstwerk.
Nichtsdestotrotz hat Österreichs Top-Mann bislang acht seiner 12 ATP-Turniersiege auf Sand erobert, sechs der übrigen sieben Endspiele gelangen ebendort. Vor Beginn der Euro-Sandsaison 2019 steht die Karriere-Siegquote des Rechtshänders auf Asche bei strammen 74,2 Prozent. Zum Vergleich: Auf Hartplatz hielt Dominic Thiem zuletzt, nach der Erstrundenpleite von Miami gegen Polens Aufsteiger Hubert Hurkacz, bei unter 57.
Siegquote: Nadal weit weg, Federer und Djokovic in Reichweite
Kann gut sein, dass er in den nächsten Wochen und Monaten sein Dreckige-Socken-Konto weiter aufbessert. Zwei der Allergrößten nimmt er jedenfalls schon mal ins Visier. Roger Federer hat auf ATP- und Major-Niveau 76 Prozent seiner Sandplatzmatches gewonnen, Novak Djokovic gar 79 Prozent. Unerreichbar scheint in absehbarer Zukunft hingegen – erraten – Rafael Nadal. Der Mallorquiner bilanziert mit sagenhaften 92 Prozent siegreichen Sandspielereien. Eine aufgefettete Zwischenrechnung könnte Dominic Thiem heuer Anfang Juni, nach vorerst fünf geplanten Clay-Court-Klassikern legen.
Vor der diesjährigen Sandplatz-Tournee blicken wir zurück auf alles, was dem rot-weiß-roten Top-5-Mann bisher in Monte Carlo, Barcelona, Madrid, Rom und Roland Garros gelungen ist und was nicht. Eins vorweg: Statistisch gesehen stehen Dominic Thiems Chancen auf einen vollen Erfolg grad auf der größten Bühne am besten.
Thiem beim ATP Masters 1000 in Monte Carlo (14.4. bis 21.4. 2019)
Bisherige Thiem-Bilanz: 5 Match-Siege bei 5 Starts
- 2014: Zur Premier setzt es für die Nummer 84 der Welt ein knappes Erstrunden-Aus gegen Frankreichs um 44 Plätze besser gereihten Offensivgeist Nicolas Mahut.
- 2015: Eine durchaus überraschende Auftaktpleite als Weltranglisten-44. gegen die damalige Nummer 108, Lucas Pouille.
- 2016: Als 14. der Weltrangliste lässt Thiem auf Siege über Struff und Daniel ein starkes aber letztlich verlorenes Zweisatzmatch gegen den späteren Turniersieger Rafael Nadal folgen.
- 2017: Nach Freilos und Sieg über Robin Haase steht für die Nummer 9 der Welt ein Drittrunden-Out gegen den vier Ränge weiter hinten platzierten David Goffin zu Buche.
- 2018: Eine schmerzhafte aber lehrreiche 0:6, 2:6-Viertelfinalklatsche von Rafa muss als „Erfahrung“ abgeheftet werden. Eine Runde davor kann Thiem allerdings erstmals Novak Djokovic biegen. Und zum Auftakt Russen-Rookie Rublev.
Thiem beim ATP 500 Barcelona (22.4. bis 28.4.2019)
Bisherige Thiem-Bilanz: 10 Match-Siege bei 4 Starts
- 2014: Als Nummer 80 zunächst den arrivierten Cracks Radek Stepanek und Marcel Granollers zu stark, unterliegt Thiem dem physisch noch reiferen Kolumbianer Santiago Giraldo in Runde drei knapp.
- 2015: Eine eher glanzlose Erstrundenniederlage gegen den dominikanischen Insel-Oldie Victor Estrella Burgos ist die Ausbeute.
- 2017: Finale! Dort war dann allerdings einmal mehr Herr Nadal eine Nummer zu groß (4:6, 1:6). Einen Meilenstein kann Dominic Thiem in der katalonische Metropole trotzdem setzen und biegt im Halbfinale mit Andy Murray seine erste, amtierende Nummer 1 der Weltrangliste.
- 2018: Nach Favoritensiegen über Munar und Kovalik unterliegt die damalige Nummer 7 der Welt dem zu diesem Zeitpunkt um 56 Ränge weiter hinten geführten Stefanos Tsitsipas.
Thiem beim ATP Masters 1000 Madrid, (5.5. bis 12.5. 2019)
Bisherige Thiem-Bilanz: 12 Match-Siege bei 4 Starts
- 2014: Nach zwei Quali-Siegen und einem Erstrundenerfolg über Top-40-Mann Dmitry Tursunov liefert die damalige Nummer 70 im ATP-Ranking die Sensation des Turniers und schickt mit Stan Wawrinka die Nummer 3 der Welt nach Hause. Schon vor dem Drittrundenmatch gegen Feliciano Lopez „verliert“ Thiem aber gegen einen Darmvirus.
- 2016: Raus in Runde eins gegen den gerade wieder einmal comebackenden Juan Martin del Potro (damals Nummer 274) – Thiems bislang einzige Madrid-Niederlage gegen einen schlechter gereihten Gegner.
- 2017: Als Nummer 9 der Welt schlägt Thiem hintereinander Donaldson, Dimitrov, Coric und Cuevas bevor er im Endspiel Rafael Nadal einen dramatischen Fight liefert, aber knapp mit 6:7 und 4:6 unterliegt.
- 2018: Nach engen Partien gegen Delbonis und Coric besiegt die Nummer 7 zum dritten Mal Rafael Nadal (nach Buenos Aires 2016 und Rom 2017) und wird damit endgültig dessen erster Herausforderer auf Sand. Danach bezwingt Thiem noch Kevin Anderson, ehe er im Endspiel gegen Sascha Zverev 4:6 und 4:6 den Kürzeren zieht.
Thiem beim ATP Masters 1000 Rom (12.5. bis 19.5. 2019)
Bisherige Thiem-Bilanz: 8 Match-Siege bei 4 Starts
- 2015: Als Nummer 49 gestartet, ist nach Erfolgen über Simone Bolelli und Gille Simon diesmal Stan Wawrinka um eine Kleinigkeit zu stark – 6:7, 4:6.
- 2016: Mit dem Drittrundensieg, seinem ersten über Roger Federer (7:6, 6:4), erfüllt sich Dominic Thiem einen Kindheitstraum. Im Viertelfinale folgt aber dann das Out gegen Kei Nishikori.
- 2017: Als Nummer 7 der Welt gewinnt Thiem zunächst knapp gegen Pablo Cuevas und Sam Querrey eher er im Semifinale mit einer Glanzleistung Rafa Nadal einigermaßen glatt mit 6:4 und 6:3 verputzt. Im Halbfinale ist der Österreicher aber dann selbst das Opfer: 1:6, 0:6 gegen Novak Djokovic.
- 2018: Eine eher überraschende Auftaktniederlage gegen den aber immer unberechenbaren Fabio Fognini (damals Nummer 21) – Dominic Thiems erstes und bislang einziges Rom-Aus gegen einen hinter ihm platzierten Spieler.
Thiem bei den French Open (26.5. bis 9.6.2019)
Bisherige Thiem-Bilanz: 18 Match-Siege bei 5 Starts
- 2014: Drei Jahre nach dem hauchdünn verlorenen Juniorenfinale gegen US-Boy Björn Fratangelo die Rückkehr zu den French Open als Nummer 57 des Herren-Rankings. Fazit: Glatter Sieg über Paul-Henri Mathieu, strenge Lehrstunde von Rafael Nadal (2:6, 2:6, 3:6)
- 2015: Als Nummer 31 der Welt gewinnt Thiem eine Viersatzpartie gegen Aljaz Bedene und verliert die zweite gegen Pablo Cuevas (damals 23.).
- 2016: Auf dem Weg ins erste Paris-Semi müssen sich hintereinander die Herren Cervantes, Garcia-Lopez, Sascha Zverev, Granollers und Goffin der Überlegenheit des 22-jährigen Österreichers beugen. Im Halbfinale kennt dann aber Novak Djokovic keine Gnade und siegt glatt mit 6:2, 6:1 und 6:4.
- 2017: Das Jahr der Revanche. Nach glatten Dreisatzsiegen über Tomic, Bolelli, Johnson und Zeballos bekommt „Nole“ im dritten von wieder nur drei Sätzen gar das Monokel verpasst. Im Semifinale dann das umgekehrte Bild. Nach 3:6 und 4:6 setzt es von Rafael Nadal im dritten Durchgang dann für Dominic Thiem die Höchststrafe.
- 2018: Ivashka, Tsitsipas, Berrettini, Nishikori, Sascha Zverev und Cecchinato – so die Liste jener, die im Vorjahr am frischgebackenen Triple-Semifinalisten und Endspieldebütanten zerschellt sind. Im Finale war dann aber wieder einmal Rafael Nadal mit 6:4, 6:3, 6:2 zu stark. Und trotzdem: In den vergangenen drei Jahren konnte Dominic Thiem in Roland Garros gleich viele Matchsiege wie Spaniens 11-facher French-Open-Triumphator einfahren. Dies war freilich nicht nur starken Leistungen sondern auch Rafas Drittrunden-w.o. im Jahr 2016 geschuldet. Für den Titel „Kronprinz von Paris“ reicht die Bilanz des Österreichers aber allemal …