Günter Bresnik und die Besserwisser
Trotz Viertelfinal-Niederlage in Indian Wells: Dominic Thiem scheint auf bestem Wege, weiter Richtung Weltspitze zu gehen. Auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen.
von Manuel Wachta
zuletzt bearbeitet:
17.03.2017, 08:09 Uhr
Um eines vorab klarzustellen: Dieser Kommentar hätte hier schon vor einigen Wochen stehen können. Noch bevor Dominic Thiem mit dem Triumph beim ATP-World-Tour-500-Turnier in Rio de Janeiro sein erstes größeres Ausrufezeichen in der neuen Saison gesetzt und hiermit zu seiner Linie gefunden hat. Denn bereits seit Monaten macht es sich auf facebook eine Gruppe vermeintlich Allwissender zur Hauptaufgabe, Günter Bresnik zu diskreditieren und ihn als das Haupthindernis zwischen Thiem und noch größeren Erfolgen zu bezeichnen. Eine Gruppe, die die Aufmerksamkeit in Form dieses Blogs eigentlich gar nicht verdienen sollte und die einmal mehr beweist, dass die durch die Phrase "Das Land der acht Millionen Teamchefs" manchmal teils milde belächelten österreichischen Fußball-Fans genauso im Tennis anzutreffen sind.
Keine Frage: Günter Bresnik ist ein Charakter, der schon seit vielen Jahren polarisiert und der auch einige menschliche Eigenschaften besitzt, die keineswegs zwingend allseits auf Gefallen stoßen müssen. Ja, er gilt als beinharter "Schleifer" (doch mit weniger als 100 Prozent Einsatz ist im heutigen Tennis auch nichts mehr zu erreichen). Ja, er gilt als Sturschädel (doch man könnte ihn auch beharrlich nennen). Ja, ihm eilt in beruflichen, finanziellen Angelegenheiten ein allzu nehmender Ruf voraus (doch das ist auch sein Job als Trainer- und Manager-Ich-AG). Ja, Günter Bresnik macht, auch wenn er für Anfragen meistens bereitsteht, immer wieder klar, dass er von enger medialer Zusammenarbeit nichts hält, auch wenn jedem, der sich mit der Materie einigermaßen auskennt, die recht simplen Zusammenhänge zwischen Medienberichterstattung, Sponsoreninteresse und somit Preisgeldern und Existenz der Tennis-Tour klar sein sollten (doch vielleicht macht er das auch nur, um seine Schützlinge vor den oft zu vielen, teils aufdringlichen Medienmenschen zu schützen). Und ja, er wird von nicht selten mit ihm "verhaberten" heimischen Journalisten gerne geradezu in den Himmel gehoben (doch das auch nicht gänzlich zu Unrecht).
Wo aber eigentlich keinerlei Zweifel aufkommen sollten, das sind seine fachlichen Qualitäten. Nicht umsonst wurde Bresnik bei den ATP World Tour Awards 2016 in der Kategorie "Coach of the Year" unter die Top drei gewählt. Und nicht umsonst hat er das einzigartige Kunststück geschafft, Thiem als damals kleinen Jungen zu übernehmen und ihn in die absolute Weltspitze zu führen. Klar ist also: Thiem ist nicht noch nicht unter den besten Fünf der Welt, weil er mit Bresnik arbeitet, sondern wohl eben deshalb schon unter den besten Zehn und auf dem bestem Wege, sich dort 2017 weiter zu etablieren. Eine Leistung, die in solch einer Weltsportart nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und für die Thiem, als auch Bresnik international längst jene Anerkennung erhalten, die ihnen dafür auch zustehen sollte. Außer natürlich von ein paar heimischen Realitätsverweigerern, die sichtlich keine Ahnung haben, was es alles braucht, um im harten Tennisbusiness erst mal so weit zu kommen und wie schwierig es ist, bei der immer dünner werdenden Luft an der Spitze noch weiter in diese vorzudringen.
Die kontinuierlichen Fortschritte sind nicht zu übersehen
Thiems Auftritte in Indian Wells waren wieder ein Schritt in diese Richtung und dennoch - da bin ich mir sehr sicher - erst der Anfang von noch weitaus mehr. Warum? Weil Thiem fraglos die richtige, höchst ehrgeizige Einstellung und das Potenzial besitzt, um eines Tages vielleicht auch um die ganz großen Titel und den Tennisthron zumindest mitzuspielen. Und gerade weil er immer noch so viele Verbesserungsmöglichkeiten besitzt - und mit Bresnik wohl auch den richtigen Mann an seiner Seite, um diese kontinuierlich weiter zu reduzieren. Wirft man einen Blick zurück um ein paar Jahre, so wird man feststellen: Die Baustellen waren noch weit größer und bedeutender, weil in drei der wichtigsten Bereiche angesiedelt - dem Return, dem Aufschlag (vor allem in Sachen Percentage) und der Shot Selection, zudem beim Volley.
Und heute? Da ist die Returnschwäche längst ausgemerzt. Beim Service hat Thiem Repertoire und Variationsfähigkeit allzu deutlich ausgeweitet. Vor allem die Aufschlagquote lässt jedoch oftmals immer noch zu wünschen übrig. Die Schlagauswahl sitzt weitaus besser, auch als zum Jahresbeginn - doch als in der glücklichen Lage Befindlicher, mehr oder minder jeden Schlag zu können, sitzt sie immer noch nicht perfekt, ein Problem, das mich stets an Roger Federer in jungen Jahren erinnert. Zu oft überpowert Thiem noch und setzt er auf Schlaggeschwindigkeit statt auf Präzision (bezeichnendes Beispiel: der Satzball gegen Stan Wawrinka im ersten Satz, als er diesem mit einem zwar krachenden, doch zu unplatzierten Angriffsball einen Passierball erst ermöglichte). Und auch der Volley ist - nicht zuletzt durch seine häufigen Doppelauftritte - bedeutend besser geworden, freilich aber ebenfalls noch nicht am Zenit angelangt.
Exakt die Tatsache, dass Thiem bereits die Nummer neun der Welt ist und noch immer viel an Luft nach oben besitzt, lässt für die Zukunft Erfreuliches ahnen - wenn es ihm gelingen sollte, auch die letzten, schon viel kleiner gewordenen Baustellen noch aus dem Weg zu räumen. An dieser Stelle kommt Bresnik wieder ins Spiel: Wem sollte man es mehr zutrauen als dem wohl renommiertesten österreichischen Trainer und jenem Mann, der Thiem schon so weit gebracht hat, auch die letzten Schritte mit diesem zu gehen? Und warum sollte man dran zweifeln, dass Bresnik mit Thiem schon längst an unter anderen genau diesen Bereichen intensiv arbeitet? Es liegt an seinem Schützling, das Gelernte dann auch umzusetzen - was freilich mal besser, mal schlechter gelingen mag.
Fakt ist: Die Fortschritte in Thiems Spiel sind in allen Bereichen nicht zu übersehen. Doch die größte Kunst der Realitätsverweigerung besteht wohl darin, sich - obwohl man permanent des Unrechts überführt wird - trotzdem im Recht zu wähnen. Ein paar Besserwissern kann man in diesem Sinne herzlich dazu "gratulieren", die höchste Stufe schon erreicht zu haben.