DTB-Damen-Bundestrainer Torben Beltz: „Im nächsten Jahr wollen wir angreifen!“

Torben Beltz im tennisnet-Gespräch über seine neue Aufgabe als DTB-Chef-Bundestrainer der Damen, die wackelige Vorhand von Coco Gauff und Erinnerungen an seine tolle Zeit mit Angelique Kerber.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 12.12.2024, 10:10 Uhr

Teamchef Torben Beltz mit dem Siegerpokal des United Cup 2024
© Getty Images
Teamchef Torben Beltz mit dem Siegerpokal des United Cup 2024

Torben Beltz ist vor allem als Erfolgscoach von Angelique Kerber bekannt, die er bis auf Platz 1 der Weltrangliste führte. Zusammen holten beide zwei Grand-Slam-Turniersiege. Der 48-Jährige trainierte zudem Carina Witthöft, Donna Vekic, Emma Raducanu und Anett Kontaveit. Anfang Dezember wurde bekannt, dass Beltz als neuer Chef-Bundestrainer der DTB-Damen übernehmen wird. 

Herr Beltz, Barbara Rittners Vertrag als DTB-Bundestrainerin wurde zu Beginn des Jahres beendet. Wann kam der DTB auf Sie zu, wie hat sich das entwickelt? 

Ich hatte Angie Kerber noch bis zu den Olympischen Spielen in diesem Sommer trainiert – ein super Karriereende für sie. Danach habe ich mir Gedanken gemacht: Wie geht’s weiter? Ich hatte einige Anfragen von Spielerinnen auf der Tour. Aber der DTB kam schnell auf mich zu und hat mir auch sein neues Leistungskonzept vorgestellt. Durch zusätzliche Gespräche mit den Verantwortlichen habe ich gespürt, dass mich das reizen würde. Ich glaube, dass ich meine Erfahrungen aus den vielen Jahren auf der Tour weitergeben kann.

Was sind konkret Ihre Aufgaben?

Erst mal geht es darum, dass ich die Spielerinnen besser kennenlerne – und sie mich. Ich muss auslotsen, was die jeweiligen Spielerinnen brauchen: Wo sind sie gut aufgestellt? Wie kann ich helfen? Dabei geht es hauptsächlich um die Spielerinnen, die gerade auf dem Sprung unter die Top 100 oder Top 200 sind. Das Porsche Talent Team also und der Perspektivkader dahinter. Ich werde Lehrgänge mit den DTB-Bundestrainern veranstalten, zu den Grand-Slam-Turnieren reisen, auch zu den deutschen Turnieren. Und die Spielerinnen dort betreuen. 

Bei den Lehrgängen stehen Sie auch auf dem Platz?

Ja, ich leite das Training mit den anderen Bundestrainern. Auch die Heimtrainer der Spielerinnen können mitkommen. Die Idee ist, den Spielerinnen zu helfen, aber auch den Teams im Rahmen eines Austauschs. Es geht für die Spielerinnen auch darum, aus dem Alltagstraining mal rauszukommen. Die Lehrgänge finden oft vor den großen Turnieren statt, als eine Art Trainingslager. Die Spielerinnen sollen mit einem guten Gefühl in die großen Turniere starten. Das ist zumindest mein Plan, ich hatte ja noch keinen Lehrgang. (lacht) Der erste findet in der kommenden Woche in Oberhaching statt. Und im nächsten Jahr wollen wir angreifen!

Mit Blick auf die vergangenen Jahre war es die alte Garde um Spielerinnen wie Angelique Kerber, Sabine Lisicki, Andrea Petkovic und Julia Görges, die oben mitgespielt hat. Aktuell sind Laura Siegemund mit 36 Jahren und Tatjana Maria mit 37 Jahren die beiden Topspielerinnen in Deutschland. Jule Niemeier, Eva Lys, Ella Seidel, Noma Noha Akugue – sie machen immer mal auf sich aufmerksam, aber der Sprung unter die Top 50 fehlt bislang. Woran liegt’s?

Wir sind definitiv nicht zufrieden, wo wir stehen, das müssen wir ehrlich zugeben. Wobei man Laura Siegemund und Tatjana Maria nicht genug loben kann, wie sich sich täglich reinhängen – Laura ist auch im Doppel enorm stark. Aber natürlich wollen wir neue Topleute nach vorne bringen. Ich blicke positiv in die Zukunft: Wir haben super Spielerinnen, tolle Talente. Jule Niemeier hat das Potenzial, recht zügig unter die Top 50 zu kommen. Eva Lys, Ella Seidel, Noma Noha Akugue, auch Julia Stusek: Das sind tolle Spielerinnen, die schnell nach vorne kommen können. Wir schauen aktuell, wo wir unterstützen können, wo Hilfe auch gewollt ist.

Inwieweit spielt das deutsche Schulsystem eine Rolle, dass es in Deutschland oft dauert, bis Erfolge da sind? Viele Spielerinnen wollen – vernünftigerweise – erst die Schule beenden, bevor sie sich voll dem Tennis widmen. Eine Iga Swiatek hingegen war mit 20 Jahren schon die Nummer 1 der Welt.

Die Schule immer ein Thema. Aber ich habe in meinen 20 Jahren als Trainer verschiedene Wege erlebt, wie man nach oben kommen kann. Schule und Bildung sind sehr wichtig, ganz klar. Aber Spielerinnen aus anderen Ländern trainieren in ihrer Jugend viel mehr, schlagen deutlich mehr Bälle. Andererseits hat Angelique Kerber ihr erstes Grand-Slam-Turnier erst mit 28 Jahren gewonnen. Aber auch mit den Schulen wollen wir aktuell etwas entwickeln. Es gibt in Deutschland durchaus Möglichkeiten, parallel zur Schule gut zu trainieren, über Sportgymnasien oder Fernschulen. Und die deutschen Spielerinnen trainieren viel, oft schon vor der Schule und direkt danach. Sie bekommen ihre Trainingsumfänge. Wir haben gute Mädels, mit einem guten Vibe.

Holt man sich auch Ideen aus anderen Ländern und von großen Akademien?

Es ist ganz wichtig, dass man sich umschaut. Deswegen fliege ich auch zu den Majors, um zu schauen, was andere Nationen richtig machen. Hier will ich viel mit anderen Trainern sprechen und hören, wie es mit der Schule läuft. Aus diesen Erfahrungen wollen wir lernen und sie für unsere Spielerinnen nutzen. Zum Beispiel von Italien.

Italien hat bei den Herren aktuell neun Spieler unter den Top 100, sechs davon sind noch unter 25 Jahre jung.

Die Italiener haben eine tolle Turnierlandschaft, wodurch sie viel in Italien spielen können. Sie haben somit wenig Kosten und Aufwand. Sie trainieren viel als Team, fahren zusammen zu Turnieren und pushen sich gegenseitig. Wie früher in Deutschland bei unserer goldenen Ära um Angie, Petko, Julia Görges, Sabine Lisicki. Da wollte keine hinter der anderen stehen. Sie waren befreundet, hatten aber auch einen gesunden Ehrgeiz untereinander. Da müssen wir wieder hinkommen. Speziell was den letzten Schliff angeht, um eben die Top 100 zu knacken. Ab hier, oder ab den Top 50, wird wieder individueller trainiert. 

Wenn wir auf die allgemeine Spitze schauen: Hier haben sich Aryna Sabalenka und Iga Swiatek oben festgesetzt, dahinter lauern Coco Gauff, Elena Rybakina, Qinwen Zheng … Wen sehen Sie in den kommenden Jahren um die Majors mitspielen?

Auf der Damentour ist wahnsinnig interessant, dass jedes Grand-Slam-Turnier so offen ist. Aryna Sabalenka, Iga Swiatek und Coco Gauff sind aktuell die Stärksten. Aber es ist dennoch recht offen. Plötzlich kommt eine Jasmine Paolini und steht in den Finals von Paris und in Wimbledon. Von den Jüngeren wird wohl Coco Gauff weiterhin oben mitspielen. Von Linda Noskova halte ich sehr viel, Mirra Andreeva hat kaum Schwachstellen, spielt sehr solide. Ebenso ihre Schwester Erika. Das sind keine Geheimtipps, ich weiß. (lacht) Aber diese Spielerinnen sind wirklich stark.

Würden Sie als Trainer die Vorhand von Coco Gauff noch mal komplett auseinandernehmen? Das ist ja die große Schwachstelle. 

Coco kann durch ihre Athletik viel kaschieren, aber klar, ihre Vorhand ist ein Problem. Aber sie ist nicht sooo schlecht. Ich hätte wohl fünf Jahre früher versucht, sie umzustellen. Jetzt, mit 20 Jahren und im vollen Tourbetrieb, wird das immer schwieriger. Technische Dinge sollte man so früh wie möglich angehen. Es wäre aktuell auch die Frage nach der Art des Eingriffs: Will man den Griff ändern? Das wäre ein harter Schritt, der länger dauert. Oder würde man nur versuchen, mit dem Arm etwas runterzukommen? Letztlich muss man das im Team entscheiden, mit der Spielerin selbst. Man muss sich hinterfragen, wie viel Zeit man sich für solch einen Schritt geben will. 

Was ist mit Emma Raducanu, eine ehemalige Spielerin von Ihnen – kann sie noch mal um ein Major mitspielen?

Mit Emma war es eine tolle Zusammenarbeit, eine tolle Erfahrung. Ich glaube, dass sie noch mal hochkommen wird. Sie hat das Potenzial, das hat sie bewiesen. Sie hat auch immer hart trainiert, war sehr empfänglich für Tipps. 

Was halten Sie von ihren vielen Trainerwechseln?

Das war schon immer so bei ihr. Es war schon merkwürdig, dass sie sich damals trotz ihres Grand-Slam-Siegs bei den US Open von ihrem Jugendtrainer getrennt hat. Ich denke schon, dass man dem Coach mehr Zeit und Vertrauen geben muss als nur für vier oder fünf Monate. 

Ein letztes Wort noch zu Angie Kerber. Sie haben mit ihr, mit Unterbrechungen, seit ihrer Jugendzeit zusammengearbeitet und bei den Olympischen Spielen einen tollen Abschied gehabt. Halten Sie noch Kontakt?

Mit Angie war es eine tolle Zeit! Wir haben schon die Juniorinnen-Grand-Slams zusammen bereist, sind dann bis zur Nummer 1 und zu Grand-Slam-Siegen gekommen. Zwischendurch haben wir uns mal getrennt, aber das ist im Sport normal. Wir haben immer wieder zusammengefunden. In Paris hat sie noch mal gezeigt, wie toll sie spielen und kämpfen kann. Das war auch für mich als Trainer eine runde Sache. Wir stehen immer noch in Kontakt: Sie war gerade im Urlaub, will aber künftig womöglich auch beim DTB eine Rolle einnehmen. Wir haben uns zuletzt nicht gesehen, aber ich hoffe, wir kriegen das vor Weihnachten noch auf einen Glühwein hin.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre neue Aufgabe!

von Florian Goosmann

Freitag
13.12.2024, 12:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 12.12.2024, 10:10 Uhr