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Erste Bank Open: Günter Bresnik im Interview - „Ich habe Federer die Wild Card gegeben“

Am kommenden Montag beginnen in der Wiener Stadthalle die Erste Bank Open 2024 mit den Matches des Hauptfeldes. Günter Bresnik hat mit diesem Turnier eine ganz besondere Bindung. Und würdigt im tennisnet-Interview auch Rafael Nadal.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 15.10.2024, 13:10 Uhr

Für Herwig Straka hat Günter Bresnik nur Lob übrig
© GEPA Pictures
Für Herwig Straka hat Günter Bresnik nur Lob übrig

Tennisnet: Herr Bresnik. Rafael Nadal hat nun sein endgültiges Karriere-Ende angekündigt. Sie haben Nadal ja schon öfters als größten Wettkämpfer gewürdigt - nicht nur unter den Tennisprofis. Wie viel von diesem Kampfgeist kann man lehren - und wie viel muss ein Spieler intrinsisch mitbringen?

Günter Bresnik: Das ist schwierig zu sagen. Ich arbeite aktuell mit einem Arzt in Wiener Neustadt zusammen, der sich mit den genetischen Voraussetzungen beschäftigt. Und in den Genen sind nicht nur physische, sondern auch mentale und seelische Aspekte verankert. Wie weit das beeinflussbar ist, weiß ich noch nicht. Ich glaube aber natürlich dran. Sonst wäre ich in meinem Beruf ja fehl am Platz. Im Fall von Rafael Nadal zolle ich dem Onkel Toni nach wie vor größten Respekt. Wie der Rafa von Kindheit an erzogen hat, ist einmalig. Ich kenne die Geschichten ja: Wenn Rafael gegen andere Kinder gewonnen hat, musste er dennoch den Platz abziehen. Und dadurch ist er so demütig geworden. Für mich eine Sensation.

Tennisnet: Dabei war Onkel Toni ja gar kein guter Tennisspieler …

Bresnik: Das war ich auch nicht. Aber die Ausbildung eines Spitzensportlers hat neben den technischen Aspekten noch viele andere. Ich drehe das zwar öfter runter auf: gute Technik - guter Spieler. Aber das muss man natürlich irgendwann erweitern. Es gibt auch Automatismen, was das Verhalten anbelangt. Da ist der Nadal der Größte. Und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da. Rafael Nadal muss sportartübergreifend als größter Wettkämpfer der Geschichte bezeichnet werden. Es ist einfach sagenhaft, wie der sich in vermeintlich aussichtslosen Situationen verhält, immer noch an den Sieg glaubt. Er ist ja nicht der schnellste Spieler, aber Nadal hat nie einen Ball aufgegeben, bevor der nicht ein zweites Mal aufgekommen ist. 

Tennisnet: Dominic Thiem hat erstmals 2016 in Buenos Aires gegen Rafael Nadal gewonnen. Was gibt so ein Erfolg einem jungen Spieler, der sich gerade in Richtung Weltspitze aufmacht? 

Bresnik: Zunächst einmal war schon die Niederlage in Roland-Garros gegen Nadal ein Meilenstein. Gegen solche Leute spielen zu dürfen - diese Partien geben schon Aufschluss darüber, wo die Reise hingehen kann. Dominic hat damals nach dem Sieg in Buenos Aires überhaupt nicht den Boden unter den Füßen verloren. Ganz im Gegenteil. Das war sein großes Durchbruchjahr. 

Tennisnet: Auch bei Rafael Nadal hat man den Eindruck, dass er stets geerdet geblieben ist.

Bresnik: Ich erzähle es immer wieder gerne: Heuer war ich wieder einmal in Paris, bin in die Umkleide gekommen, habe meinen Spieler nicht gefunden, bin dann ins Fitnesscenter. Und obwohl ich die meisten Trainer und Spieler kenne: manche nicken kurz zu, andere schauen kurz auf. Rafael Nadal aber kommt zu mir her, schüttelt mir die Hand und sagt: „Servus, Günter. Schön, dass Du da bist.“ Und das macht er mit jedem, den er kennt. Nadal behandelt jeden Menschen mit demselben Respekt. Dafür bewundere ich ihn fast noch mehr als für seine 14 French-Open-Titel!

Günter Bresnik: “Ich bin ein Freund des freien Marktes”

Tennisnet: Nun gibt es in dieser Woche, während gleichzeitig drei ATP-Tour-250-Turniere laufen, gleich drei Veranstaltungen, die nichts mit der regulären Tour zu tun haben: den Ultimate Tennis Showdown in Frankfurt, das Red Bull BassLine in Wien und den hoch dotierten Schaukampf in Saudi-Arabien. Hält der Tennissport das aus? Oder braucht das Tennis solche Events sogar?

Bresnik: Zum einen sind die drei 250er auch ganz gut besetzt. Und ich bin ein Freund des freien Marktes. Ich mag diese Einschränkungen grundsätzlich nicht. Und wenn jemand sechs Millionen Dollar Siegprämie zahlt, verstehe ich jeden Profi, der versucht, dort hinzufahren und das Geld abzuholen. Die ATP muss dafür sorgen, dass die Tour so bleibt, wie sie ist. Ich finde, die Punkteverteilung kann man noch diskutieren. Aber: Die gesamte ATP-Tour mit Einbindung der Grand Sams und der Challenger- und ITF-Turniere ist ein sehr gut durchdachtes System. Und um für so einen Schaukampf überhaupt eingeladen zu werden, muss man schon auf der Tour viel gewonnen haben.

Tennisnet: Ab dem kommenden Montag steht nun das große Turnier in der Wiener Stadthalle an. Was ist Ihre erste große Erinnerung an dieses Event? 

Bresnik: Ich habe mit Horst Skoff im Sommer 1987 zu trainieren begonnen, ein Jahr später hat er dann das Turnier in Wien im Endspiel gegen Thomas Muster gewonnen. Für Österreicher hat dieses Turnier natürlich immer einen ganz hohen Stellenwert. Wien war schon immer ein riesiges Turnier, wenn man nur auf die Namen schaut, die da gespielt haben: Boris Becker war oft da, davor Ivan Lendl, dann Pete Sampras oder André Agassi. 1987 hat der Horstl gegen den Tom verloren, aus konditionellen Gründen. Der ist komplett eingegangen. Die ersten fünf Games haben eine Dreiviertelstunde gedauert, das restliche Match dann nur noch eine halbe Stunde. Horst hat dann über den Winter super trainiert - und im Herbst 88 eben das Turnier gewonnen.

“In Österreich waren alle angefressen auf mich” - wegen der Wild Card für Federer

Tennisnet: Wie auch Jahre später Roger Federer …

Bresnik: Ich habe dem Federer damals die Wild Card gegeben. Da ist der Peter Feigl, der damalige Turnierdirektor zu mir gekommen und hat mich gefragt, wem er die letzte Wild Card geben soll. Ich war verantwortlich für den ÖTV und hab dem Peter aber gesagt: „Du, da gibt es einen jungen Schweizer, gib sie dem Roger Federer. Der wird sicher erste Zehn werden.“ In Österreich waren dann alle angefressen auf mich. Und es hat sich trotzdem als richtig herausgestellt.

Tennisnet: Wie lange sind Sie beim Turnier in der Stadthalle schon nah dran?

Bresnik: Ich war schon als Zuschauer dort, bevor ich Trainer geworden bin. Auf 45 Jahre wird da nicht viel fehlen.

Tennisnet: In Wien wird eine neue Halle geplant. Aber braucht es diese wirklich für den Tennisfan?

Bresnik: Wien braucht definitiv eine neue Veranstaltungshalle. Das Turnier aus der Stadthalle dann zu verlegen, das ist für mich fraglich. Die Atmosphäre ist sensationell, das war schon zu Zeiten von Hans Kary so. Da hat die ganze Halle getobt. Wie auch bei Matches von Thomas Muster, Dominic Thiem, Jürgen Melzer und eben beim angesprochenen Finale 1988. Und alle ausländischen Spieler sind von dem Turnier begeistert. Es ist außergewöhnlich gut organisiert. Der Grandseigneur ist für mich Leo Huemer, der das Turnier mit dem Journalisten Hermann Fuchs ins Leben gerufen hat. Und was Herwig Straka in den letzten Jahren mit diesem Turnier gemacht hat, ist sensationell. Für mich gibt es in Wien das beste Essen bei allen Tennis-Events überhaupt. Das sind Dinge, die die Spieler nicht vergessen. Wien als Stadt ist ein Traum. Die Spieler gehen abends zum Plachuta essen oder in die Oper, haben ihre Frauen und Familien dabei. Und sportlich hat das Turnier sowieso gewonnen.

von Jens Huiber

Dienstag
15.10.2024, 07:57 Uhr
zuletzt bearbeitet: 15.10.2024, 13:10 Uhr