Erste Bank Open: Mischa Zverev im tennisnet-Interview - „Papa ist der Häuptling“
Mischa Zverev ist als Manager und Mentor an der Seite seines Bruders Alexander bei den Erste Bank Open in Wien. Im tennisnet-Interwiew spricht Zverev über seine eigenen Ambitionen, das Aussterben der Serve-Volley-Spieler und die Grand-Slam-Chancen von Sascha.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
28.10.2021, 23:38 Uhr
Ob Mischa Zverev auch eisläuft, diese Frage wäre vielleicht noch zu klären gewesen. In Sachen Tennis hat der ältere Bruder von Olympiasieger Alexander Zverev aber alles gesehen. Und so bleibt vor dem Auftritt von Sascha auf dem Gelände des Wiener Eislaufvereins kaum ein Thema unberührt.
tennisnet: Herr Zverev. Tennisprofi, Manager Ihrer Bruders, oder Experte für Eurosport - welcher Ihrer Jobs ist der einfachste
Mischa Zverev: Jede Aufgabe ist schön. Und wenn man Spaß hat und die Arbeit mit einem Lächeln auf den Lippen erledigt, dann fällt alles leicht. Es gibt natürlich immer komplizierte Momente: im Fernsehen vor und hinter der Kamera, als Spieler sowieso.
tennisnet: Welche Ziele verfolgt denn der Tennis-Profi Mischa Zverev noch?
Zverev: Das größte Ziel ist es, wieder viel zu trainieren und wieder in der Verfassung zu sein, in der ich sagen kann: Ok, ich bin jetzt bei 100 Prozent. Und dann möchte ich schauen, wie gut ich noch spiele und wen ich noch schlagen kann. Momentan sieht es so aus: Ich fahre zu einem Turnier, und habe die drei Tage davor kein Tennis gespielt. Oder bei den US Open: Da habe ich für Eurosport gearbeitet, drei Wochen keinen Schläger angefasst, ein paar Tage später bin ich wieder zu einem Turnier gefahren. Dass ich danach schlecht spiele, ist ja klar. Wenn ich alles für das Tennis tue - richtig essen, richtig schlafen, viel trainieren - und ich spiele dennoch schlecht, dann ist es an der Zeit aufzuhören.
tennisnet: Gemeinsam mit Sergiy Stakhovsky sind Sie einer der letzten Serve-and-Volley-Spieler auf der Tour …
Zverev: Feliciano Lopez dürfen wir nicht vergessen! Der spielt immer noch. Das heißt, ich habe noch viele Jahre vor mir.
„Roger Federer hat das Viertelfinale in Wimbledon auf einem Bein erreicht“
tennisnet: Ist es unmöglich, dass im aktuellen Tennis ein junger Spieler als Serve-and-Volley-Verfechter an die Weltspitze kommt?
Zverev: Es ist schwieriger geworden. Die Plätze und die Bälle werden immer langsamer - die Schläge aber immer schneller. Der Ball fliegt schnell und mit viel Spin durch die Luft, das ist nicht einfach für den Netzspieler. Wenn man den Volley jetzt platziert, dann springt er einfach auf und bleibt stehen. Früher ist der Ball auf den schnellen Belägen einfach abgerutscht. Das Reagieren am Netz fiel einfacher, weil die Bälle eben nicht so schnell gekommen sind. Und vor allem mit weniger Spin - der ist für uns ein großer Nachteil.
tennisnet: 2017 haben Sie gegen Andy Murray bei den Australian Open gewonnen - waren die Bedingungen da noch anders?
Zverev: Seitdem hat sich nicht so viel geändert, vielleicht sind die Bälle etwas langsamer geworden. Aber dieses Match war auch ein Glücksfall. Murray beschleunigt die Bälle nicht so wie ein Rafael Nadal oder Roger Federer. Wenn Andy am Ball steht, hat er auch weniger Möglichkeiten. Roger kann Dich longline schnell, longline langsam, auf die Füße passieren, das Gleiche cross, und auch noch mal mit dem Lob. Er hat so viele Möglichkeiten. Andere Spieler haben nur zwei Möglichkeiten - und unter Stress dann nur noch eine. Als Netzspieler muss man das lesen können.
tennisnet: Ein Mann, der auch exzellentes Aufschlag-Volley-Spiel zelebrieren kann, ist der angesprochene Roger Federer. Denken Sie, dass wir ihn noch einmal bei einem ATP-Turnier sehen werden?
Zverev: Ich denke schon und ich hoffe es auch. Das ist ähnlich wie bei mir, nur natürlich auf einem ganz anderen Niveau. Roger wurde nicht vom Thron gestoßen, sondern er war verletzt. Er verliert ja nicht permanent gegen die jungen Spieler, sodass man sagen müsste, er soll aufhören. Wenn er verliert, dann halt meistens gegen Novak oder Rafa. Er war ja nicht hundertprozentig fit in Wimbledon in diesem Jahr - und hat dennoch das Viertelfinale erreicht. Manche Menschen träumen vom Viertelfinale in Wimbledon. Und Roger macht das auf einem Bein.
Mischa Zverev - „Manchmal reicht ein Blick von Papa“
tennisnet: Harter Themenwechsel. Ihr Bruder Sascha wird den Davis Cup in Innsbruck nicht spielen. Zum einen, weil er das Format nicht gut findet. Zum anderen aufgrund des späten Termins. Er möchten den „echten“ Davis Cup gewinnen. Woran denken Sie beim Stichwort Davis Cup?
Zverev: Ich habe in Marbella gegen Spanien gespielt. Das war was ganz Besonderes. Aber wenn ich mir jetzt vorstelle, dass das Finale an einem Ort gespielt wird, und im Finale stehen zwei Teams von einem anderen Kontinent, dann ist das einfach anders. Und der späte Termin ist auch schwierig. Manche Spieler kommen nicht einmal in Paris-Bercy zum Spielen, das heißt, sie haben eine längere Pause. Und dann kommt der Davis Cup.
tennisnet: Ihr Vater Alexander hat für Russland Davis Cup gespielt. Gibt es ein paar Geschichten, die er Ihnen und Sascha mitgegeben hat?
Zverev: Papa hat mir erzählt, dass sie nach Argentinien fliegen mussten. Das war eine ganz verrückte Reise mit sieben oder acht Zwischenstopps, weil die russischen konnten immer nur drei, vier Stunden am Stück fliegen. Vor der letzten Partie stand es 2:2. Die Nummer fünf hat gespielt, aber der Rest des Teams musste schon wieder zurückfliegen. Die waren in der Luft, und der Kapitän hat ihnen dann mitgeteilt, dass sie gewonnen haben.
tennisnet: Ihr Vater ist nicht mehr so häufig bei den Turnieren von Sascha dabei. Welche Rolle nimmt er im Team Zverev ein?
Zverev: Papa ist der Häuptling. Der sorgt für die nötige Ruhe oder die nötige Motivation. Man kann das manchmal schwer erklären. Papa macht alles. Machmal reicht ein Blick und Du fühlst Dich schon besser oder hast mehr Selbstvertrauen. Er sorgt für die Struktur.