Eva Lys beim Porsche Tennis Grand Prix: Mit viel Mumm zum größten Sieg
Eva Lys (WTA-Nr. 342) hat beim Porsche Tennis Grand Prix 2022 ihren ersten Sieg auf WTA-Ebene gefeiert - nach einer Kraftanstrengung. Nun darf sie gegen die Nummer 1 der Welt ran: Iga Swiatek.
von Florian Goosmann aus Stuttgart
zuletzt bearbeitet:
19.04.2022, 21:33 Uhr
Eva Lys ging erstmal in die Knie, nachdem sie sich ein Herz gefasst hatte und die finale Vorhand unerreichbar für Gegnerin Viktorija Golubic in die rechte Ecke gesemmelt hatte. Dann sammelte sie sich, gab Golubic brav die Hand, dann ging's zu ihrer Box, eine Umarmung für Papa und Coach Vladimir folgte, eine für Barbara Rittner und, weil sie etwas weiter hinten stand, ein längeres Händedrücken mit Mama Maria.
3 Stunden und 9 Minuten hatte die 20-Jährige gerade im ersten Spiel des Tages in der Porsche Arena gefightet, erst kurz vor 16 Uhr ging es zu Ende, 5:7, 7:5 und 7:5 hieß es für Lys.
Und man kann wohl behaupten, dass dieses Match viele Spielerinnen verloren hätten. Spielerinnen, die nicht Eva Lys heißen.
Eva Lys trauert vergebenen Chancen nicht nach
Lys erwischte einen glänzenden Start. Von Nervosität keine Spur, zumindest nach außen hin nicht (innerlich schon, wie sie später gestand, denn viel geschlafen habe sie nicht in der Nacht zuvor). Lys schaffte das frühe Break, musste es dann abgeben, schaffte erneut eins... und führte irgendwann mit 5:3. Einen Satzball ließ sie liegen, und plötzlich war Golubic da (und Lys etwas ungeduldig) und der Satz für Lys dann doch mit 5:7 weg. Es war der erste Moment, in dem ein solches Spiel ganz schnell enden kann.
Lys aber sammelte sich klasse, machte in Durchgang zwei genau damit weiter, womit sie nach dem vergebenen Satzball aufgehört hatte: mit druckvollen Grundschlägen, ausreichend Geduld mit der variablen Schweizerin, die Lys immer wieder mit hohen Bällen und tiefen Slices zu ärgern versuchte. Beeindruckend eine Rallye beim 6:5 für Lys, als Golubic den Ballwechsel dominiert und die Akteurin aus dem Porsche Talent Team von links nach rechts und von rechts nach links geschickt hatte, Lys aber gelang am Ende ein wunderbarer Passierschlag. Kurz später hatte sie den Satzausgleich geschafft.
Der entscheidende Durchgang dann nichts für schwache Nerven: Lys schafft das Break zum 4:2, bekam direkt das Rebreak und hatte dann ein 0:40 bei Aufschlag Golubic. Bitter der dritte Breakball, der schon über die wackelnde Netzkante schaute, aber dann doch auf Lys' Seite runterfiel. Die kam noch zu drei weiteren Breakchancen, aber Golubic machte das Spiel und nahm Lys glatt den Aufschlag ab zum 5:4.
Lys aber ließ sich wieder mal nicht entmutigen, gönnte sich noch mal die leise Faust zum Selbstanfeuern, als sie nach dem Seitenwechsel zur Grundlinie marschierte, schaffte das Rebreak. Und jubelte kurz später über den ersten Sieg bei einem WTA-Turnier - bei ihrer ersten Hauptfeldteilnahme überhaupt.
Lys hatte sich über ihre Wildcard für die Qualifikation überhaupt erst ins Hauptfeld gespielt.
Nun gegen die Nummer 1: Iga Swiatek
Lys bedankte sich noch auf dem Court beim Publikum, das sich in den drei Stunden immer nach und nach vermehrt hatte, sie sprach davon, den vielen vergebenen Chancen nicht hinterhergetrauert zu haben, "es macht ja keinen Sinn, sich über diese Punkte aufzuregen, man muss weiterspielen und jede Chance nutzen", sagte sie im Stile einer abgebrühten Akteurin, die schon 20 Jahre auf der Tour spielt und nicht erst 20 Jahre alt ist.
Die Frage ist, wie viele Chancen die gute Eva Lys im nächsten Match bekommt, das steht bereits am Mittwoch an: Ab ca. 14 Uhr trifft sie hier auf die Nummer 1 der Welt, Iga Swiatek, die aktuell bei schlappen 19 Siegen in Serie weilt, nach Turniererfolgen in Doha, Indian Wells und Miami. Sie freue sich extrem auf das Match, so Lys, "es ist auch für mich ein Moment, um zu sehen, wo ich mit meinem Tennis stehe."
Klar ist: Lys kann hier völlig frei aufspielen, freier als vielleicht jemals zuvor in ihrer noch jungen Karriere. Im WTA-Ranking wird sie, unabhängig davon, eine neue Bestleistung feiern können, mit dem erstmaligen Einzug unter die Top 300. Tendenz: stark steigend!