Eva Lys im Interview: „Ich will irgendwann das 'Lucky' durchstreichen“

Eva Lys (WTA-Nr. 76) hat sich bei den Australian Open unter die Top 100 der Welt gespielt - und sich als “Lucky Lys” einen Namen gemacht. Mittlerweile ist sie die Nummer 1 in Deutschland. Ein Gespräch über Glück, Gesundheit und ihre Rückkehr zum Porsche Tennis Grand Prix nach Stuttgart.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 29.03.2025, 12:47 Uhr

Eva Lys
© Jürgen Hasenkopf
Eva Lys

Eva, du hast bei den Australian Open auf dich aufmerksam gemacht, bist als Lucky Loserin ins Achtelfinale gestürmt. Wie denkst du an diese Tage zurück?

Als ich nach Deutschland zurückgekehrt bin, habe ich durch Freunde und Familie mitbekommen, wie groß die Geschichte geworden ist. In Australien hatte ich die Resonanz nicht gespürt, was vielleicht auch gut war. Ich habe mir immer gewünscht, dass ich das Frauentennis in Deutschland etwas populärer machen könnte. Dass ich es mit einer solchen Feelgood-Story geschafft habe, freut mich nach wie vor sehr.

Du bist seither als „Lucky Lys“ bekannt. Ein guter Spitzname?

Ich muss immer wieder darüber schmunzeln. Der Name ist mit guten Erinnerungen verbunden. Aber ich will irgendwann das „Lucky“ durchstreichen.

„Lucky“ war ja nur der Sprung in die erste Runde. Das Achtelfinale hast du dir erspielt. 

Das stimmt. Das Hauptfeld war „lucky“, der Rest war gutes Tennis (lacht).

Wobei du kürzlich noch mal Glück hattest. In Indian Wells kamst du ebenfalls als Lucky Loserin ins Feld und bist direkt in die zweite Runde gerutscht. 

Bei den WTA-1000er-Turnieren kann das durch Freilose für die gesetzten Spielerinnen passieren. Generell geht es bei diesen Turnieren nach der Weltrangliste: Wer in der letzten Qualifikationsrunde verliert und das beste Ranking hat, ist die nächstmögliche Lucky Loserin. 

Wie trainiert und isst man denn, wenn man weiß: Ich kann jederzeit spielen müssen?

Das ist schwierig. In Indian Wells musste ich von morgens bis abends auf der Anlage bleiben. Meist bekommt man rechtzeitig Bescheid, aber in seltenen Fällen zieht auch jemand kurz vorm Match raus – wie in Melbourne. Da hatte ich nur wenige Minuten, um auf den Platz zu gehen. Jede Spielerin hat in solchen Wartezeiten ihre eigene Herangehensweise. In Indian Wells hatte ich als bestplatzierte Verliererin der letzten Quali-Runde große Hoffnungen, dass ich ins Feld rutsche. Von daher hatten wir das Training reduziert und beim Essen aufgepasst.

Als Top-100-Spielerin stehst du bei den Majors nun im Hauptfeld, ebenso bei vielen WTA-Turnieren. Das gibt auch eine finanzielle Sicherheit und Freiheit. Wie macht sich das für dich bemerkbar?

Wir sind noch dabei, die nächsten Monate zu planen. Das ist ein Prozess. Für mich ist es eine neue Situation. In den vergangenen Jahren hatten wir viele finanzielle Herausforderungen, jetzt aber eine gewisse Stabilität, mit der ich einfacher durchs Jahr komme. Ich bin auch glücklich, wenn mein Vater als Coach ein paar Wochen mehr mitreisen kann als bislang. Langfristig ist es das Ziel, das zu verstärken. Wir wollen zudem Impulse von außen holen. In meinem Spiel gibt es noch viel Luft nach oben.

Was ist mit deiner Schwester Lisa, auch eine ehemalige Spielerin. Ist es Thema, dass sie als Sparringspartnerin mitreist?

Sie ist die engste Person, die ich bei mir habe! Sie spielt leider nicht mehr und studiert Jura in Hamburg, steht kurz vorm Staatsexamen. Daher kann sie nur selten mitreisen. Wenn sie wieder mehr Zeit hat, ändert sich das hoffentlich. Es ist schwierig, die ganze Familie mitzunehmen, zumal ich auch eine kleinere Schwester habe, Isabella. Sie ist öfters dabei und genießt das Tourleben. Aber sie ist erst zehn Jahre alt und muss natürlich in die Schule.

Will sie auch mal Profispielerin werden?

Mein Vater hat schon gesagt, ein drittes Mal macht er das nicht mehr mit! (lacht) Langsam ändert er aber seine Einstellung. Isabella verbringt so viel Zeit auf dem Tennisplatz, guckt so viel zu, spielt fast jeden Tag. Wir schauen einfach mal.

Hast du als Top-100-Spielerin mittlerweile mehr Chancen, mit Topspielerinnen zu trainieren?

Ja, und für mich gibt es nichts Besseres. Um zu spielen wie die Topspielerinnen, muss man mit ihnen trainieren. Seit den Australian Open werde ich öfters angefragt. Auch weil man auf den größeren Turnieren ähnliche Zeitpläne hat.

Gibt es Trainingslisten auf den Turnieren oder wie verabredet man sich?

Man kennt sich untereinander und macht etwas aus. Aber es hängen auch Listen, in die wir uns eintragen. Mit vielen Spielerinnen bin ich gut befreundet, da läuft das dann direkt.

Was auffällt: Du redest gut, gibst in der Öffentlichkeit – wie kürzlich im Aktuellen Sportstudio – immer ein sehr offenes, positives Bild ab. Liegen dir öffentliche Auftritte? 

Ich habe das nie geübt oder ein entsprechendes Training absolviert. Aber ich bin jemand, der viel redet und weltoffen ist. Wenn ich mich wohl fühle, merkt man das. Ich hatte auch schon Interviews, in denen kein gutes Gespräch zustande kam, weil dem nicht so war. Aber generell ist das ein Teil meines Charakter.

Du hast vor einiger Zeit deine Autoimmunerkrankung öffentlich gemacht. Warum hast du das getan? Viele Sportler versuchen, mögliche Schwächen nicht bekannt zu machen, um den Gegnerinnen keinen Vorteil zu geben.

Wenn man bekannter wird, schauen einem mehr Menschen zu. Ich konnte viele Fragen irgendwann nicht mehr ehrlich beantworten. Und ich bin generell ein ehrlicher Mensch, kann Geheimnisse dieser Art nur schwer behalten. So etwas bedrückt mich dann. Für viele wäre es wohl eine Belastung, wenn eine solche Krankheit öffentlich würde. Für mich war es eine Befreiung. Nicht mehr erklären zu müssen, warum meine Turnierplanung anders ist, warum ich plötzlich aus einem Turnier herausziehe, obwohl das Match zuvor so gut gelaufen ist. Ich habe nach meiner Entscheidung sehr positives Feedback bekommen und mir wurde viel Mut zugesprochen.

Wie sehr beeinträchtigt dich diese Krankheit?

Sie ist jeden Tag ein Teil meines Lebens. Ich muss gewisse Dinge tun, um sie unter Kontrolle zu halten. Zuletzt hatte ich längere Zeit keine Rheuma-Schübe mehr, mein Körper ist stabil. Ich fühle mich gut auf dem Platz. Aber ich habe es irgendwann hingenommen, dass ich nicht immer Einfluss darauf habe, wie sich mein Körper fühlt – dass es gute und schlechte Tage gibt. Ich weiß mittlerweile, wie ich reagieren muss, wenn es mal schlechter geht. Und ich handle rechtzeitig, damit sich nichts weiter verschlechtert.

Das heißt aber: Du musst im Zweifel ein Turnier abbrechen, auch wenn es ein Achtelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier wäre?

Leider ja. Es stellt sich dabei nicht mal die Frage: Ist es schlau, jetzt anzutreten – oder nicht? Es gab in den vergangenen Jahren einige Tage, an denen es schlichtweg nicht ging. Selbst wenn ich gewollt hätte. Wenn die Schmerzen zu groß sind, wäre es auch nicht schlau, Tennis zu spielen. Bislang hatte ich Glück, noch nie vor einer solch großen Entscheidung zu stehen. Ich hoffe, das bleibt so. Bis jetzt habe ich immer im Sinne meines Körpers gehandelt.

Im April geht es zum Porsche Tennis Grand Prix, hierfür hast du eine Wildcard erhalten. Vor zwei Jahren warst du schon mal dabei, hast aus der Qualifikation heraus das Achtelfinale erreicht. Welche Erinnerungen hast du daran?

Ich verbinde mit dem Turnier nur positive Emotionen. Der Porsche Tennis Grand Prix war mein erstes WTA-Turnier, bei dem ich ins Hauptfeld gekommen bin. Dazu kam ein Sieg über eine Top-40-Spielerin. Wenn ich mit den anderen Mädels spreche, sagen alle: Der Porsche Tennis Grand Prix ist ihr Lieblingsturnier. Ich freue mich sehr auf meine Rückkehr nach Stuttgart.

Hast du die Stimmung in der Porsche Arena noch im Kopf?

Absolut! Ich genieße jedes Match, das ich in Deutschland spiele. Vor heimischem Publikum macht es einfach noch mehr Spaß. Ich habe damals im Achtelfinale glatt gegen Iga Swiatek verloren, aber selbst bei den zwei Spielen, die ich geholt habe, haben mich die Zuschauer extrem unterstützt.

Gegen Iga Swiatek war auch in Melbourne Endstation für dich. Was macht sie so unheimlich stark? 

Ihre Intensität ist noch stärker als bei anderen, ebenso ihre Konstanz. Man hat keine Chance, mal durchzuatmen, jeder Fehler wird bestraft. An diese Intensität will ich auch herankommen. Eine Stunde mit jemandem wie ihr ist wie eine Trainingseinheit, die man nicht kaufen kann.

Was sind Dinge, an denen du zurzeit arbeitest?

Genau das: Intensität und Konstanz. Diese beiden Wörter habe ich mir stark ans Herz gelegt. Und ich muss am Aufschlag arbeiten, das wissen alle, das weiß ich auch. Wichtig ist mir aber auch, an meinen Stärken zu feilen, meine Waffen noch etwas gefährlicher zu machen.

Seit einigen Wochen bist du die Nummer 1 in Deutschland. Das ist vermutlich kein Ziel gewesen – es hängt ja auch davon ab, ob jemand anderes weiter vorne steht. Bist du dennoch stolz?

Ich hatte das gar nicht im Hinterkopf, in Dubai kam es recht überraschend. Aber klar, ein Mal die Nummer 1 in Deutschland zu sein, kann einem niemand nehmen. Natürlich habe ich Glück, dass Angie und Petko rechtzeitig aufgehört haben (lacht). Ich will jetzt so lange wie möglich die Nummer 1 in Deutschland bleiben, aber noch höher im Ranking klettern. Das Ziel sind die Top 50, dann die Top 30. Gerne noch etwas weiter. Aber ich will meine Ziele moderat halten.

Wieso das? Es gibt auch Spielerinnen, die direkt einen Grand-Slam-Sieg und die Nummer 1 der Welt ausgeben. 

Das ist natürlich das große Ziel. Zumal ich im Januar einen Vorgeschmack davon bekommen habe, wie es sich anfühlt, recht nah am Finale zu sein. Das war toll! Ich denke, dass ich das Potenzial dafür habe. Aber ich will realistische Ziele haben und nicht denken: Wenn ich das nächste Grand-Slam-Turnier nicht gewinne, gehe ich unzufrieden vom Platz.

Eva, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!
 

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Freitag
28.03.2025, 11:25 Uhr
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