Captain Niveau, wir sinken!
Es sind Szenen wie der Faustschlag von Jan Neuburger-Higby beim österreichischen Ranglistenturnier in Piding, Bayern, die ein immer schlechteres Licht auf den Tennissport werfen.
von Manuel Wachta
zuletzt bearbeitet:
23.12.2016, 10:24 Uhr
Es gab sie schon immer, die Typen im Tennis, für die Regeln nur auf dem Papier existierten - von John McEnroe über Daniel Köllerer, der weniger erfolgreichen österreichischen Variante von "Big Mac", bis hin zu heutzutage Nick Kyrgios. Typen, die - bei aller Streitbarkeit - eine Menge an frischem Leben und Bewegung ins weltweite Tennisgeschehen gebracht haben und bringen. Und dann gibt es jene Typen, die teilweise sogar noch weit über die Regelbrüche des besagten Trios hinausgehen und übers Ziel hinausschießen, ganz besonders im Leistungs- und Hobbytennis. Und vermehrt heutzutage.
Das jüngste Beispiel an massivem Fehlverhalten im "weißen Sport" ist ein Fall, den selbst der sehr erfahrene ÖTV-Disziplinarreferent Michael Sedlak (und auch meine Wenigkeit) in dieser Form noch niemals zuvor erlebt hat. Es sind exakt solche Ereignisse wie etwa der Faustschlag von Jan Neuburger-Higby, nach dem verlorenen Matchball gegen Volodymyr Malakhov beim österreichischen Ranglistenturnier in Piding, Bayern, die ein immer schlechteres Licht auf den Tennissport werfen. Und weit über diesen hinaus. Neuburger-Higby ist durch den ÖTV so wie berichtet bis zum 1. Juli 2017 gesperrt worden und hat seine gerechte - und sogar noch relativ milde - erste Strafe erhalten. Doch der Imageschaden und das Imageproblem des Tennissports sind unweigerlich geblieben.
Natürlich handelt es sich in dieser schweren Dimension der Geschehnisse um einen Einzelfall, allgemein allerdings nicht. Es erscheint geradezu alarmierend und höchst verstörend, was sich mittlerweile immer wieder auf den Tennisplätzen ereignet und wie es ein Branchenkenner aus Österreich, der namentlich nicht genannt werden möchte, gegenüber tennisnet.com vor kurzer Zeit erzählte. "Eltern, die den Gegner ihres Kindes beschimpft haben: 'Ich werde deine Mutter f...en.' Das hat mal ein Vater zu einem gegnerischen Kind während der Wechselpause gesagt. Oder etwa ein Vater zu der Mutter des gegnerischen Kinds: 'Was wollen denn Sie, Sie Piefke-Schwein?'. Oder ein Vater hat mal gesagt: 'Unter dem Hitler', da hätten solche Kinder wie der Gegner nicht spielen dürfen. Das könnte man noch endlos fortsetzen, und ganz ehrlich, solche Meldungen habe ich bei keinem anderen Sport gehört - weder bei Nachwuchs-Fußballspielen, noch Kletterwettkämpfen."
Solche Verfehlungen unterlaufen sowohl Eltern als auch den Kindern und verdeutlichen, dass es sich oftmalig um ein Erziehungsproblem handelt, dass mangelnder Respekt und schlechtes Benehmen schon bei Jugendturnieren Einzug halten. Der jetzige Fall sei "nur eine Eskalation, die aus diesem Klima heraus passiert. Kein Einzelfall, sondern vielmehr eine Frage der Kultur im Tennis." Es gäbe etliche Kinder, die aufgrund dieses Klimas bei Turnieren mit dem Tennis aufgehört hätten. Und Erwachsene so wie ihn selbst, die sich deshalb aus dem "weißen Sport" zurückgezogen hätten. Bei derartigen Schilderungen ist es kaum zu glauben, dass Tennis einst als ein elitärer Sport galt. Nun, in diese Richtung hin muss sich Tennis nicht unbedingt wieder entwickeln. Doch will man erreichen, dass unser Sport wieder stärker den erhofften positiven, sozialen und entwicklungstechnischen Effekt und Fortschritt erfüllt, muss man was (und wohl noch mehr als bisher) unternehmen und konsequent handeln, um die beschriebenen, negativen Auswüchse am besten sogleich im Keim zu ersticken. Damit man nicht eines Tages feststellen muss: Captain Niveau, wir sinken weiter...