French Open: Yannick Hanfmann will sich gegen Nadal "sehr teuer verkaufen"
Yannick Hanfmann steht in Paris vorm größten Match seines Lebens - und der ultimativen Aufgabe auf Sand: Rafael Nadal.
von Jörg Allmeroth aus Paris
zuletzt bearbeitet:
27.05.2019, 10:11 Uhr
Als Yannick Hanfmann am vergangenen Montag auf Platz 14 der Turnieranlage Roland Garros gegen den Franzosen Constant Lestienne spielte, war die Nachfrage bei den Tennisfans schon recht ordentlich. Vor einem feinen Aufgebot von Grand-Slam-Enthusiasten gewann Hanfmann (27) die erste Qualifikationsrunde der French Open souverän, es war, im nachhinein, der Auftakt zu einem kleinen Tennismärchen. Hanfmanns langer Marsch ging nämlich mit erstaunlicher Dominanz weiter, in der zweiten Bewerbungspartie siegte er am Mittwoch gegen den Österreicher Sebastian Ofner, einen Tag später gewann er dann auch gegen den einstigen Weltklassespieler Lukas Rosol aus der Tschechischen Republik.
Hanfmann hatte sein großes Zwischenziel erreicht, einen Platz im Hauptfeld des französischen Grand Slam-Spektakels. Aber das eigentlich Spektakuläre sollte noch folgen, denn als die Qualifikanten schließlich über das Tableau ihren Gegnern zugelost wurden, hatte der gebürtige Karlsruher den prominentesten Namen erwischt. Wobei selbst das noch eine Untertreibung ist – denn kein anderer als Rafael Nadal wird Hanfmann in der ersten Runde der Ausscheidungsmatches im Stadion Roland Garros gegenüberstehen. Der „King of Clay“, der Sandplatz-König, der elfmalige French Open-Triumphator. Der Mann, der Überlegenheit in dieser Tennis-Spezialdisziplin neu definiert hat. „Es werde ein „unglaublicher Moment“ sein, sagt Hanfmann, der in der Müncher „Tennisbase“ vornehmlich von Coach Lars Uebel betreut wird.
Hanfmann: "Will mich sehr teuer verkaufen"
Dass er ausgerechnet in der Qualifikation für den zweiten Grand-Slam-Wettbewerb der Saison sein bestes Tennis mit viel Überzeugungskraft spielte, hat sich mehr als ausgezahlt – schließlich wird nun auch er, Hanfmann, der unbekannte Deutsche, mit ins Rampenlicht gerückt. Beim Duell Mann gegen Mann auf dem neuen Centre Court. „Ich bin gespannt, was mich erwartet“, sagt Hanfmann, „ich will natürlich ein gutes Match bieten, mich sehr teuer verkaufen.“ Allerdings macht sich der Badener mit Wohnsitz in München auch nichts vor, er wird bei diesem größten Match seiner Karriere auch gegen die eigene Nervosität ankämpfen müssen, nicht nur gegen den Matador aus Mallorca mit seiner ungestümen Tennis-Wucht.
Hanfmann ist ein ungewöhnlicher Tennisprofi. Nicht weil er erst sehr spät, auf dem Umweg über ein College-Studium in Südkalifornien, den Weg ins Berufstennis fand – das ist inzwischen längst nicht mehr exotisch in der Branche. Erstaunlich an Hanfmann ist ein körperlicher Makel, den er scheinbar mühelos bei seiner Arbeit im Wanderzirkus wegstecken und kompensieren kann. Von Geburt an leidet der 27-jährige unter Schwerhörigkeit, ein verwachsener Knochen im Ohr ist schuld daran, ein unschönes genetisches Erbe seines Vaters.
Hanfmann ohne Hörgerät auf dem Court
Doch Hanfmann hat seine körperlichen Schwierigkeiten nie als „Problem“ aufgefasst. Er ist keiner, der so schnell ins Jammern kommt, er ist ein zäher Kämpfer, einer auch, der an Herausforderungen wachsen kann. Hanfmann muss konzentrierter schauen, was sein Gegner tut – dessen Schlaggeräusch wahrzunehmen, wäre auch wichtig. Aber dieser akustische Eindruck fehlt, auch der Ton des eigenen Balltreffers ist bloß gedämpft. Hanfmann trägt kein Hörgerät auf dem Platz, es würde ihn stören, sagt er. Gelegentlich bittet Hanfmann den Schiedsrichter vor einem Match, lauter als üblich zu sprechen, er kennt die Unparteiischen, die eher leise ihre Entscheidungen und die Spielstände verkünden. Vor knapp zwei Jahren, auf dem Weg ins Turnierfinale von Gstaad, kam Hanfmann einmal ins Schlingern, weil er einen Ausruf nicht wahrgenommen und sich dann bei den Punkten verzählt hatte.
Damals, in der Schweiz, kämpfte er sich als Qualifikant bis ins Finale, verlor dann gegen den italienischen Ober-Exzentriker Fabio Fognini. Aber so richtig nach vorne pushte ihn dieser Erfolg nicht, erst ein Jahr später stieß er erstmals in die Top 100 vor, erstritt sich bei den US Open 2018 erstmals einen Platz bei einem Grand-Slam-Turnier. Nur um wenig später wieder von Verletzungen, etwa am Ellbogen, wieder zurückgeworfen zu werden. Vom Glück sei er nicht gerade „verwöhnt gewesen“ zuletzt, sagt Hanfmann. In dieser Saison stieg er erst im März in den Spielbetrieb ein, trat vorwiegend bei Challenger-Wettbewerben auf. Ins Duell gegen Nadal geht er nun als Nummer 184 der Weltrangliste, Hanfmann, der etwas andere Tennisprofi, der unbekannte Deutsche.