Generali Open 2022: Mischa Zverev im Interview - „Der Sport gibt und der Sport nimmt“

Mischa Zverev hat für einen Geschäftstermin kurz bei den Generali Open 2022 vorbeigeschaut. Und sich auch zum Status Quo seines derzeit verletzten Bruders Alexander geäußert.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 25.07.2022, 11:08 Uhr

Mischa Zverev am Sonntag in Kitzbühel
© Valentin Schennach
Mischa Zverev am Sonntag in Kitzbühel

Von Jens Huiber aus Kitzbühel

Kühlung hat notgetan am Sonntag in Kitzbühel. Da traf es sich gut, dass Mischa Zverev als Botschafter und Teilhaber von „Icebein“ in die Tiroler Sportmetropole gekommen war. Auf dem feudalen Rooftop eines Hotels wurden die Vorzüge der Kühlung bei der Regeneration detailliert beschrieben, Zverevs Unternehmen bietet dazu eine, nun, Kühlhose an, die früher oder später die gute, alte Eistonne in Pension schicken soll. Bzw. schon hat. Denn das von Mischa Zverev und Skirennläuferin Chiara Mair vorgestellte System schont im Gegensatz zum Eisbad die Haut, bietet für die Beine eine gleichmäßige Kühlung.

Entrepreneur ist aber nur einer der Hüte, den sich Multitasker Zverev dieser Tage aufsetzt: mittlerweile ist er zweifacher Vater, managt seinen Bruder Sascha (auch das Brudersein als solches ist ein Job), im TV ist er ein vielgefragter Experte, und eigentlich firmiert Mischa Zverev ja auch noch als Tennisprofi. Für das Training aber bleibe so gut wie keine Zeit. Andererseits: Wenn Roger Federer als bald 41-Jähriger noch Ambitionen hege - was soll er dann mit nur 34 Jahren Lebenserfahrung sagen? Dass der Tenniszirkus nach wie vor seine ganz große Leidenschaft ist, darüber lässt Zverev aber auch im Gespräch mit tennisnet keine Zweifel aufkommen.

tennisnet: Herr Zverev. Sie beschreiben den Tenniszirkus gerne als große Familie. Wie geht es dieser Familie? Ist etwa Novak Djokovic happy darüber, dass es in Wimbledon keine ATP-Punkte gegeben hat?

Mischa Zverev: Ich habe mit Novak nicht über die fehlende Punktevergabe in Wimbledon geredet. Aber in einer großen Familie kann nicht jeder gleich glücklich sein, das gehört dazu. Im Großen und Ganzen funktioniert die Tour gut. Die Zuschauerzahlen, die Preisgelder - das hat sich während der letzten Jahre verbessert. Natürlich kann man für die Spieler, die nicht so hoch stehen noch mehr tun. Als Nummer eins, zwei, drei verdienst Du gut, als Nummer 97 wird es schon enger, und als Nummer 147 musst Du schauen, an welchen Ecken und Kanten Du sparen kannst.

tennisnet: Hat Ihr Bruder durch Sie oder Ihren Vater gegenüber anderen Spielern einen Startvorteil gehabt, in diese Familie aufgenommen zu werden?

Zverev: Sascha war in der Schule schon immer derjenige, der in jeder Fußball-Mannschaft war, oder im Verein in der Hockey-Mannschaft. Er liebt es, für ein Team zu spielen, in einer Clique mit Freunden und Kumpels zu sein. Deshalb spielt er auch unglaublich gerne im Davis Cup. Sascha braucht diese Freunde um sich herum, weil sonst kann die Tour schon ziemlich einsam werden.

"Für mich sah Sascha wie der fittere Spieler aus"

tennisnet: Wie sehen aktuell die Ziele im Team Zverev aus?

Zverev: Erstens gesund werden. Und mein Ziel für Sascha ist schon von Geburt an das gleiche: Nummer eins werden, Grand-Slam-Titel gewinnen. Nicht, weil ich das unbedingt will. Sondern weil ich weiß, dass Sascha das kann. Ich sehe seine Stärken, kann genau erklären, warum er die Chance hat, die genannten Ziele zu erreichen. Vor allem im nächsten Jahr. Dieses Jahr wird es ziemlich eng werden, weil Sascha jetzt ein paar Monate ausgefallen ist.

tennisnet: Im Viertelfinale der French Open hat Ihr Bruder mit einer taktischen Meisterleistung Carlos Alcaraz besiegt. Was hat er da aus Ihrer Sicht anders gemacht?

Zverev: Er war sehr konzentriert und hatte einen sehr konkreten Spielplan, nicht nur für die Ballwechsel. Sondern auch, wie er die Zeit zwischen den Ballwechseln einteilt, wie er mit sich selbst redet, wie er sich pusht. Was er nach gewonnenen und verlorenen Punkten macht. Er hat das komplette Tennis gespielt, nicht nur die Bälle mit der Vor- und Rückhand richtig verteilt. Er hat sich genau überlegt, wann er dem Gegner zeigt, ok, jetzt wird es eng für Dich.

tennisnet: Richtig oder falsch: Wenn Sascha den ersten Satz gegen Rafael Nadal in Roland Garros gewinnt, gewinnt er auch das Match. Und dieser eine Rückhand-Ball im Tiebreak bei Satzball, wenn er den longline reinlegt …

Zverev:  … oder als Stopp spielt oder mit ein paar km/h schneller cross. Das sage ich nicht, weil ich sein Bruder bin. Ich bin sehr kritisch. Aber für mich sah Sascha wie der fittere Spieler aus, hatte viel mehr Chancen, die er nicht so effizient nutzen konnte. Bei Rafa war das genau umgekehrt: Der hatte gefühlt zwei Chancen und hat diese auch genutzt. Aber dieser Freitag in Paris, das war ein Tag, an dem man einen Generationswechsel im Tennis hätte erleben können. Weil Sascha war in der Position, Nadal auf Sand zu bezwingen, weil er einfach fitter ist, schneller und aggressiver spielt. Das Auslassen der Chancen mag vielleicht an der fehlenden Erfahrung gelegen haben. Aber Sascha war in diesem Match auch sehr ruhig, sehr konzentriert. Und das hat mir gezeigt: Er war bereit, diese Position einzunehmen, also Nadal zu schlagen und Nummer eins zu werden. Aber so ist das Leben: Der Sport gibt und der Sport nimmt.   

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