„Baby-Fed“ wird erwachsen
Er war die Kopie von Roger Federer und der Ex-Freund von Maria Sharapova. Jetzt konzentriert sich Grigor Dimitrov wieder aufs Tennis - er ist seit neun Spielen ungeschlagen und will ins Halbfinale der Australian Open einziehen.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
24.01.2017, 20:33 Uhr
Von Florian Goosmann aus Melbourne
Pressekonferenz Grigor Dimitrov, nach dem Sieg im Achtelfinale.
- "Glaubst du, dass sich dein Aufstieg im Tennis etwas verzögert hat, weil du dich zwischenzeitlich in etwas anderes verliebt hast?"
Dimitrov (grinsend): "Auf was beziehst du dich? Sag es mir, es ist okay."
- "Als ich jung war, mochte ich junge Frauen sehr gern. Das hat mich oft abgelenkt. Ich würde gerne wissen, ob dir das auch so ging."
Dimitrov: "Du verdienst jetzt die beste Antwort. Lass mich drüber nachdenken. (lacht) Das ist das Großartigste, das ich gehört habe - wow. Ich habe offensichtlich eine Schwachstelle hierfür. Ganz ernsthaft: Ich versuche solche Dinge immer außerhalb des Platzes zu belassen. Als ich jünger war, habe ich zwischen persönlicher Liebe und Liebe zum Tennis unterschieden. Oder was auch immer. Aber es gab eine Zeit, in der ich nicht sicher war, wie ich mit beiden Dingen gleichzeitig umgehen sollte. Aber man lernt. Wir werden erwachsen. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich aus meinen Fehlern gelernt habe, aber ich habe mich selbst etwas besser kennengelernt. Ich denke, das hilft mir. Hoffentlich hilft es mir für die Zukunft in allen Liebesangelegenheiten."
- "Viel Glück"
Dimitrov (grinst): "Danke"
Es gibt wohl wenige Spieler, die dem Fragesteller nicht ins Gesicht gesprungen wären, zumindest aber eine Antwort boykottiert hätten. Nicht so Grigor Dimitrov.
Neun Spiele, neun Siege im Jahr 2017
In diesem Jahr aber soll eh alles anders werden. Tennis steht für Dimitrov wieder ganz oben, der Absturz von Rang 8 der Welt im Jahr 2014 bis auf Platz 40 in 2016 - Vergangenheit. Seit dem vergangenen Sommer läuft es wieder für den 25-Jährigen. Halbfinale in Cincinnati, Achtelfinale bei den US Open, Finale in Peking. In diesem Jahr bereits Siege über Dominic Thiem, Milos Raonic und Kei Nishikori, drei Top-Ten-Leute, beim Turniersieg in Brisbane. Nun also Viertelfinale Melbourne, Gegner in der Nacht auf Mittwoch ist David Goffin. Siegt Dimitrov, ginge es erneut gegen Raonic oder Nadal.
"Ich habe mittlerweile die Erfahrung, kenne beide Welten, die um Platz 8 und die um Platz 40. Die letzten beiden Jahre haben mir geholfen zu lernen, was für mich funktioniert. Welche Art von Training, welches Fitnessprogramm, welche Ernährung, was ich auf und außerhalb des Platzes brauche", erklärte der Bulgare vor Kurzem dem Telegraph.. Bis auf Rang 15 der Bestenliste hat sich Dimitrov wieder vorgearbeitet, die Top Ten sind wieder in Sichtweite.
Neustart nach Jahren als "Showtime"
Roger Federer. Nicole Scherzinger. Serena Williams. Maria Sharapova. Grigor Dimitrov war bislang vor allem für andere bekannt. Als Technik-Klon des "Maestros". Als Lebenspartner eines Pussycat Dolls. Als Ex-Freund von Serena, als Betrüger von Maria, Gerüchten zufolge soll er Sharapova nach zweieinhalb Jahren Beziehung mit einem Model hintergangen haben. Von Twitter-Freund Brad Gilbert bekam Dimitrov den Namen "Showtime" verpasst.
Für seinen Neustart hat Dimitrov sein geliebtes Los Angeles verlassen, zumindest teilweise; er verbringt mehr Zeit im beliebten Tennisspieler-Zweitwohnsitz Monte Carlo, zusammen mit Kollegen wie Novak Djokovic, Milos Raonic oder David Goffin. Seit 2016 zusammen mit Dani Vallverdu, dem Ex-Coach von Andy Murray und Tomas Berdych, der ihm helfen soll, auch in wichtigen Phasen am Matchplan festzuhalten, seine vielen Möglichkeiten an Schlägen dann einzusetzen, wann es passt.
Eine Liebeserklärung in New York
Ein Knackpunkt für Dimitrov: die Sommerzeit im Vorjahr, eine Zeit des Umbruchs. Dimitrov sprach davon, sich wieder ins Tennisspielen verliebt zu haben. Die Liebeserklärung: "Ich genieße die Arbeit wieder. Ich genieße es, morgens früh aufzuwachen und zum Training zu gehen. Ich genieße die Eisbäder. Ich genieße so ziemlich alles, was ich tue. Und diese Dinge helfen dir. Du denkst an nicht anderes. Ich habe angefangen, die Schmetterlinge im Bauch vor einem Match zu genießen. Dich bei deinem Trainer zu beschweren, dass du quasi außer Atem bist, weil du so nervös bist, wenn du auf den Platz kommst. Das sind Momente, von denen ich sicher bin, dass ich sie immer genießen werde, hoffentlich bis zum Ende meiner Karriere."
"Winning ugly" - die große Kunst
Sein bester Freund, sagt Dimitrov, sei das Tennis. Der zweite Satz im Achtelfinale gegen Denis Istomin habe ihm mehr bedeutet als die Matches zuvor (Dimitrov gewann 2:6, 7:6 (2), 6:2, 6:1). Weil er nicht gut gespielt, aber gekämpft habe, sich mit den eigenen Schlägen und dem Gegner gequält. "Dieses Match auf diese Art und Weise umgedreht zu haben, das bedeutet mir eine Menge."
Gewinnen, wenn nichts zusammenläuft - es ist das Geheimnis der ganz Großen. Derjenigen, zu denen Tennisliebhaber Dimitrov nach Jahren des Suchens endlich aufschließen will.