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Hamburg European Open: „Oh Benoit, oh, là, là!!!“ Herr Paire bemüht sich und gewinnt sogar

Benoit Paire hat am Donnerstagabend einen Auftritt mit Biss hingelegt - irgendwie erstaunlich und absolut erfreulich.

von Florian Goosmann aus Hamburg
zuletzt bearbeitet: 16.07.2021, 11:30 Uhr

Benoit Paire
© Hamburg European Open / WITTERS
Benoit Paire

Hat er Lust? Oder ist‘s ihm eigentlich zu spät? Oder nach wie vor egal? Es waren die großen Fragen, die sich um 20.15 Uhr auf dem sogenannten „Center Court der Welt“ stellten, hier am Hamburger Rothenbaum, wo sich die Herren Lajovic, Molcan, Carreno Busta, Taberner, Delbonis und Ramos-Vinolas alle Zeit der Welt gelassen hatten den lieben langen Tag. Immerhin hatte es Delbonis dann doch irgendwie geschafft, einen dritten Satz zu verhindern, andernfalls hätte das Spiel von Benoit Paire noch später begonnen, und ob er dann Lust gehabt hätte? Wir wollen gar nicht dran denken./

So stand er dann da, im klassisch weißen Outfit, das fast nur er tragen kann, der doch schon 32-Jährige aus Frankreich, das Polo-Shirt als einer der wenigen seinem Sinn entsprechend nutzend, mit dem Kragen nach oben, damit der Nacken nicht kalt wird.

Der erste Ballwechsel? Natürlich gleich mit einem (zu langen) Stopp garniert, und während Paire weder Länge und Breite fand zu Beginn, fand Gegner Juan Pablo Varillas die Linien, sogar die des T-Felds, damit der Ball auf Paires Seite im Zweifel halt etwas versprang. Es dauerte nur bis zum Spielgewinn zum 2:0 für den Peruaner, bis Paire einen Ball aus dem Stadion drosch und sich zeitgleich zum Tritt in die Bande eine Verwarnung abholte. Im Rückblick völlig überraschend: Es sollte die einzige bleiben.

Benoit Paire will gewinnen

Denn Benoit Paire hatte tatsächlich Lust auf Tennis an diesem Donnerstagabend, womöglich, weil es ein recht gediegener war, warm, nicht mehr zu schwül, sogar Zuschauer waren da, wenn auch nicht mehr die vollen 2.000, die noch am Tag die spanischen Sandwühler bestaunt hatten.

Paire holte ein 0:3 auf, beim Spielgewinn zum 4:4 klappte sogar der Stopp, wenngleich auch der eher ungewöhnlichen Idee entsprungen, nach einem Aufschlag auf der Einstandseite nach außen und einer beinah umlaufenen Vorhand; der Stopp aber, er war so kurz, mit so viel Schnitt versehen und noch dazu gegen den Lauf des flinken Varillas, dass man wieder mal nur daran denken konnte, wie herrlich gut dieser Benoit Paire eigentlich der Tour tun würden, wenn er nur öfters… nun ja, lassen wir das.

Paire schnappte sich tatsächlich den Satz mit 7:5, er ballte die Faust, startete mit zwei Breakbällen in den zweiten Durchgang, nutzte keine, vergab danach zwei eigene Spielbälle und lag schon wieder mit 0:2 zurück. „Quarante Quinze, Quinze Quaraaaaaante“ schrie er dann, kurz später korrigierte er die Reihenfolge, „Quinze Quarante, Quarante Quiiiiinze“, holte das Break erneut auf. Aber ohne Drama ging‘s natürlich nicht. Beim Seitenwechsel beim 2:3 wickelte Paire das Griffband seines Schlägers ab, schaffte es aber nicht mehr, ein neues drumzuwickeln, und Richard Gasquet ist nun mal auch nicht immer da, wenn man ihn mal braucht.

Paire nahm also ein neues (oder altes?) Racket, beim zweiten Punkt riss die Saite, dann also noch ein anderer Schläger und doch das Spiel, kurz später das Break zum 4:3. Dann, natürlich, ein Stolperer beim Volley, nix passiert, was ein gutes Waschmittel nicht richten könnte, trotzdem das Rebreak, „Oh Benoit, oh, là, là!!!“ rief er irgendwann, die letzten beiden Aufschlagspiele spielte er dennoch überraschend konzentriert. Und die Frage, was passieren würde, wenn denn der erste Aufschlag nicht so temporeich käme, wie er es tat, stellt man sich bei Benoit Paire sowieso besser nicht. Immerhin kam mittlerweile auch die so wackelige und umständliche Vorhand öfters, gerne auch in der Kombi mit heftigem Spin cross und dann longline als Angriffsschlag oder Winner, es waren sogar einige an diesem Abend.

Ein herrlicher Matchball

Im Tiebreak dann natürlich das ganze Programm. König Rauschebart kam zum Matchball mit aussichtsreicher Vorhand, verzog diese und jaulte auf wie ein Labradorwelpe, dem man gerade die neu erworbene Quietscheente weggenommen hat, kurz später Matchball Nummer zwei, bei eigenem Aufschlag. Diesmal versuchte er es mit Serve-and-Volley, der tiefe Rückhandvolley musste natürlich künstlerisch wertvoll werden, wurde dafür allerdings auch uneffektiv, Varillas bedankte sich, Paire jaulte erneut. Dann: Satzball für Varillas, der pünktlich seinen erst zweiten Doppelfehler der Partie hinlegte. Am Ende triumphierte dann doch der Mann aus dem schönen Avignon, das einst gar David Hasselhoff besungen hat, und er gewann das Match genau so, wie er überhaupt nur ein Match gewinnen will, mit der Stopp-Lob-Kombi und einem tatsächlich souveränen finalen Flugball.

Paire jubelte, gab seinem Gegner artig die Hand, schrie noch mal energisch vor Freude und applaudierte brav, als Varillas mit ein paar warmen Worten von Stadionsprecher Matthias Killing vom Platz verabschiedet wurde.

Hätte er doch nur öfters solche Lust aufs Tennis wie heute, der Herr Paire.

von Florian Goosmann aus Hamburg

Freitag
16.07.2021, 09:25 Uhr
zuletzt bearbeitet: 16.07.2021, 11:30 Uhr