Gibt es eine neue Grand-Slam-Siegerin?
Zeit für den Happy Slam! Die Australian Open sind ob des frühen Zeitpunkts in der Saison bei den Damen immer für Überraschungen gut. Eine Dominatorin gibt es dieser Tage nicht. Titelverteidigerin Angelique Kerber wackelte bei den Vorbereitungsturnieren ebenso wie Serena Williams und viele der verbliebenen großen Namen. Karolina Pliskova wittert ihre Chance und die "Young Guns" wollen sich beweisen. SPOX hat sich vor der ersten Hauptrunde umgeschaut.
von Jannik Schneider
zuletzt bearbeitet:
14.01.2017, 13:25 Uhr
Die Titelverteidigerin:
Das Damen-Hawk-Eye der diesjährigen Australian Open muss - und daran darf es nicht den Hauch eines Zweifels geben - mit dem letztjährigen Triumph Angelique Kerbers beginnen. Von Matchball gegen sie in Runde eins gegen Misaki Doi, über den beeindruckenden Viertelfinal-Erfolg gegen Angstgegnerin Victoria Azarenka, bis hin zum historischen Triumph im Finale gegen die damalige Nummer eins der Welt Serena Williams.
Rückblick Wunder down under: Kerber gewinnt Australian Open
Die Erinnerungen an den ersten Major-Erfolg einer Deutschen seit der einzigartigen Steffi Graf bei den French Open 1999 sind mächtig. Für die hiesigen Tennisfans. Für viele verblüffte Experten, die ihr diesen Schritt nach vier Jahren im "Niemandsland" der Top Ten nicht zugetraut hatten (wir sollten uns immer noch schämen).
Und für Kerber höchstpersönlich, die sich mit dem bis dato größten Erfolg ihrer Karriere das Selbstvertrauen einhauchte, mit welchem sie nach dem Wimbledon-Finale, dem US-Open-Titel und Silber bei den olympischen Spielen ihre beste Saison als verdiente Nummer eins der Welt abschloss.
Damen-Panel zu den Australian Open: "Für Serena ist der Titel nicht drin"
Dieses Selbstvertrauen ist gewiss noch da, weshalb sich niemand hierzulande Sorgen machen sollte um Deutschlands Sportlerin des Jahres 2016. Trotz der holprigen Vorbereitungsturniere in Brisbane mit dem Aus gegen die Nummer 14 der Welt, Elina Svitolina, sowie der Auftaktpleite in Sydney gegen eine der "Young Guns" - dazu später mehr - Daria Kasatkina.
Denn wenn Kerber in diesen Tagen in Melbourne von Pressevertretern zur ersten Titelverteidigung bei einem Slam befragt wird, erklärt sie zwar gebetsmühlenartig, dass der Druck natürlich größer und ein anderer sei als überall sonst. Aber sie hängt einen Satz an, den man aus 2016 kennt: "Ich habe gelernt, mit diesem Druck umzugehen. Ich weiß auch, wie man aus einer schwierigen Situation heraus ein wichtiges Turnier gewinnt - oder sogar einen Grand Slam."
Und genau weil der Schützling von Torben Beltz diese Mentalität besitzt, muss sich niemand sorgen machen. Ja, es könnte in Runde eins gegen Lesia Tsurenko (61 der Welt), die in Hobart zuletzt das Halbfinale erreichte, dann aber kränkelte, eng werden. Ja, sie hat noch nicht die Form des Vorjahres. Aber sie hat die amerikanische "Play Big When It's Big"-Mentalität. Damit ist sie gerüstet für starke Auftritte in Down Under.
Die Topfavoritin:
Diese eine Topfavoritin gibt es 2017 nicht. Kerber kann die Open erneut gewinnen. Das vorauszusetzen, wäre naiv. Ein Blick aufs Draw lohnt sich jedoch allemal.
In Runde zwei könnte es zum deutschen Duell mit der talentierten Carina Witthöft kommen. In der Nähe der Topgesetzten ranken sich zudem Namen, wie Begu, Kasatkina (gegen die sie in Sydney verlor), Suarez-Navarro, Vinci und Zhang. Im Viertelfinale würde bei normalem Verlauf French-Open-Champion Garbine Muguruza warten.
Kerbers schwierige Mission in Melbourne
Aber was läuft auf der Damentour zurzeit schon planmäßig. Womit wir beim Comeback von Serena Williams nach viermonatiger Abstinenz angelangt wären. Sie ist mindestens körperlich, aber wohl auch spielerisch noch nicht auf der Höhe - 88 Unforced Errors bei ihrer Comeback-Pleite gegen Madison Brengle sprechen für sich.
Das wird vor allem die Schweizerin Belinda Bencic freuen. Im Februar vergangenen Jahres noch in den Top Ten gelistet, verabschiedete sie sich nach einem von Verletzungen geplagten Jahr sogar aus der Setzliste für den Happy Slam und trifft nun ausgerechnet auf Williams. Das letzte Duell 2015 gewann gar Bencic. Das Erstrunden-Duell schlechthin birgt eine große Gefahr für Williams, ein frühzeitiges Aus in Runde eins wäre dieses Mal keine Überraschung.
Agnieszka Radwanska, Simona Halep und Dominika Cilbulkova können eine gewichtige Rolle im Turnierverlauf spielen. Das heißeste Eisen im Draw der diesjährigen Australian Open ist der Form nach zu urteilen allerdings Karolina Pliskova.
Die US-Open-Finalistin kommt mit der Empfehlung eines Turniersieges aus Brisbane. Hier gab sie im gesamten Turnierverlauf lediglich einmal ihr Service ab. Der Trainerwechsel hin zu David Kotyza, seines Zeichens ehemaliger Coach der zweimaligen Wimbledon-Gewinnerin Petra Kvitova, scheint der 24-Jährigen gut zu tun. "Sie ist eine Persönlichkeit, die das Spiel entscheiden will, die Verantwortung für die Punkte übernimmt, das mag ich", erklärte ihr neuer Trainer unlängst gegenüber tennisnetund gab zudem an, dass die Kommunikation sehr gut funktioniere.
In Runde eins wartet die spanische Außenseiterin Sara Sorribes Tormo, später im Turnierverlauf könnte die nie zu unterschätzende Timea Bacinszky warten. Ein Viertelfinal-Kracher wäre das Aufeinandertreffen gegen Radwanska. Pliskova könnte sich mit dem vielleicht besten Aufschlag der Damentour zum ersten Grand-Slam-Sieg servieren.
Dark Horse:
Darf man eine Nummer zehn der Welt noch als Dark Horse bezeichnen? Nun, Johanna Konta haben trotz des Halbfinals bei ihren ersten Australian Open 2016 noch nicht viele für große Erfolge auf dem Zettel. Doch die Britin reist mit dem Turniersieg von Sydney im Gepäck nach Melbourne, erreichte zuvor auch die Vorschlussrunde in China.
In Sydney spielte sie im Finale gegen Agnieszka Radwanska extrem offensiv, ohne dabei auch nur einen unnötigen Fehler einzustreuen. "Sie hat von Anfang bis Ende unglaubliches Tennis gezeigt", erklärte die Polin auf der anschließenden Pressekonferenz. "Normalerweise kommen dann eigentlich ein, zwei schlechtere Spiele. Aber sie kamen bei ihr nicht."
Konserviert die 25-jährige britische Nummer eins ihre Form, kann sie ihren Vorjahres-Erfolg mindestens wiederholen. Zu Gute kommen ihr ihre australischen Wurzeln. Konta ist in Sydney geboren und kann sich daher der Unterstützung der Fans sicher sein.
Kontra trifft zum Auftakt auf die unangenehm spielende Kirsten Flipkens. Meistert sie diese Hürde, warten im weiteren Turnierverlauf Duelle auf Augenhöhe mit Carolina Wozniacki und Dominika Cibulkova - mit leichten Formvorteilen für die Britin.
Die Deutschen:
Zu Angie Kerber ist jedes Wort gesagt. Die deutsche Nummer zwei Laura Siegemund hat die Auftakthürde Jelena Jankovic zu überspringen. Ein großer Name, der in den vergangenen Jahren immer weniger positive Schlagzeilen auf den Plätzen dieser Welt hervorrief. 2017 hat die ehemalige Nummer eins noch kein Match gewonnen. Das einzige Aufeinandertreffen der beiden gewann Siegemund ausgerechnet in der zweiten Runde von Melbourne 2016.
Bei positivem Verlauf könnte es direkt in Runde zwei leider ebenfalls zum deutschen Duell mit Julia Görges kommen. Erste gesetzte Spielerin wäre die wiedererstarkte Russin Svetlana Kuznetsova.
Annika Beck erwartet zunächst mit Ashley Barty nur die 232 der Weltrangliste. Im Gegensatz zu der Wildcard-Inhaberin hat Beck jedoch in 2017 noch kein Match gewonnen. Vielleicht helfen ihr die positiven Erinnerungen ans Vorjahr. Damals spielte sich das Energiebündel bis ins Achtelfinale vor (Aus gegen Kerber). Dieses Mal wartet aber bereits in Runde zwei Simona Halep. Düstere Aussichten.
Julia Görges ist ergebnistechnisch der Lichtblick der jungen Saison aus deutscher Sicht. Beim Halbfinaleinzug in Auckland besiegte sie immerhin Wozniacki und Pavlyuchenkova. Problem: die Auslosung! Direkt zum Start wartet die erst 20-jährige Katerina Siniakova. Sinia, wer? Die junge Tschechin kommt mit der Empfehlung eines Turniersieges in Shenzen nach Melbourne und hat da Leichtgewichte wie Halep und Konta ausgeschaltet. Falls "Jule" das übersteht, wartet wie erwähnt gegebenenfalls Siegemund zum deutschen Duell, später Kuznetsova.
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Andrea Petkovic spielt in Runde eins gegen die erst 17-jährige US-Amerikanerin Kayla Day, jenseits der 200 gelistet mit erst einem absolvierten Match auf WTA-Ebene. Hat Petko sich im Griff, winkt ein Zweitrundenduell gegen die Nummer 16 Barbora Strycova. Tendenz: Niederlage. Wunsch: Petkodance!
Carolina Witthöft hatte ein schwieriges Jahr 2016. In 2017 verpasste sie bisher die Hauptfelder von Brisbane und Sydney. Beim Happy Slam wartet eine Qualifikantin mit drei Siegen im Rücken im Hauptfeld. Dieses Selbstvertrauen muss erstmal gebrochen werden. Danach wartet hoffentlich Kerber auf die 21-Jährige in Runde zwei.
Mona Barthel hat sich mit drei Siegen erfolgreich durch die Qualifikation gespielt. Jetzt trifft sie auf die erst 16-jährige australische Tennishoffnung Destanee Aiava (Nr. 273). Die junge Dame aus Melbourne hatte sich ihr Ticket für die Australian Open mit dem Triumph bei den australischen U-18-Meisterschaften gesichert.
Sabine Lisicki fehlt Down Under verletzungsbedingt.
Upset Alert:
Um das nochmals festzuhalten. Für alle, die wetttechnisch etwas riskieren wollen: Serena könnte in Runde eins den Abgang machen. Bencic hat nicht erst beim Hopman Cup gute Leistungen gezeigt. Das Handwerk, um eine Williams zu schlagen, hat die talentierte Schweizerin allemal. Und die Quote wird ob des übermächtigen Namens stimmen.
Im oberen Viertel des Draws dürfte Coco Vandeweghe Roberta Vinci (Nummer 15) mehr als nur Probleme bereiten. Die vergangenen zwei Duelle gewann die US-Amerikanerin. Aus deutscher Sicht ist die oben beschriebene Situation für Görges bescheiden. Katerina Siniakova kommt mit Schwung und ist leichte Favoritin gegen die ehemalige Stuttgart-Siegerin. Setzt sich Siniakova wirklich durch, kann sie als "Young Gun" auch gegen Siegemund, Kuznetsova und Co. etwas ausrichten.
Apropos junge, frische Gesichter. Ana Konjuh, everybody! Die 19 Jahre alte Kroatin gilt als eine der talentiertesten Spielerinnen auf der Tour und trifft auf Kristina Mladenovic - machbar. Gelingt ihr der Auftaktsieg, ist sogar das Achtelfinale drin.
Kontrollen überall:
Erinnert sich noch jemand? Vor dem Start der Australian Open 2016 erschütterten Betrugsvorwürfe das Profitennis. Nach Informationen der BBC sollen in den vergangenen zehn Jahren 16 Spieler aus den Top 50 in Spielabsprachen verwickelt gewesen sein, hieß es damals. Der Tennisweltverband soll diese Informationen gar der Öffentlichkeit vorenthalten haben.
Ein kurzzeitiges Medien-Erdbeben erhob sich rund um Melbourne. Für den diesjährigen Happy Slam hat der australische Tennisverband vorgesorgt und zwei Mitarbeiter eingestellt. Die sind während der zweiwöchigen Veranstaltung ausnahmslos dafür da, mögliche Auffälligkeiten auf- und abseits des Courts zu bemerken.
Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist das allemal. Um dieser Aufgabe in derart großen Einzel, Doppel und, Mixed-Feldern jedoch gewissenhaft nachzukommen, sind zwei Aufpasser nicht genug.
Die aktuelle WTA-Weltrangliste