Interview Julia Görges: „Ich bin eine andere Spielerin als früher“
Julia Görges ist in der Form Ihres Lebens! Was sie anders macht als vor ein paar Jahren, wie sie ihr Team zusammengestellt hat und warum sie sogar gerne Aufschläge trainiert: Wir haben uns mit ihr in Indian Wells unterhalten.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
10.03.2018, 10:00 Uhr
Julia Görges, 29, hat ihr Tennisleben vor zwei Jahren komplett ungekrempelt und einen Neuanfang mit Michael Geserer als Coach und Florian Zitzelsberger als Physiotherapeuten und Athletiktrainer gewagt. Mit Erfolg: Nach einer starken Saison 2017 hat sie sich so weit nach vorne gespielt wie noch nie und vor einigen Wochen erstmals die Top Ten erreicht. Aktuell steht sie auf Rang zwölf der Welt, in Indian Wells trifft sie nach einem Freilos in Runde eins auf Natalia Vikhlyantseva. Vorm Turnierstart hat sich Görges mit tennisnet.com getroffen - und einen äußerst entspannten und gut gelaunten Eindruck hinterlassen.
tennisnet: Frau Görges, was macht die Hüftverletzung, die Sie sich in Doha zugezogen haben - sind Sie bereit für Indian Wells?
Görges: Es hat eine gute Weile gedauert, aber ich bin wieder fit. Ich habe die Zeit zu Hause gut genutzt, mit dem Training ging's vor ein paar Tagen los. Ich habe keine Schmerzen mehr und bin sehr froh darüber.
tennisnet: Sie haben seit Oktober eine Bilanz von 21 Siegen aus 24 Spielen hingelegt, mit der Last-Minute-Quali für Zhuhai, das Sie auch gewonnen haben. Sie haben ja nicht das Tennisspielen neu gelernt, aber gab es diesen einen Moment, in dem es "Klick" gemacht hat?
Görges: Ich hatte mit dem Ende gar nicht mehr gerechnet. Nach Peking hatte ich den Urlaub gebucht, auch wenn ich wusste, dass noch die kleine Chance bestand, nach Zhuhai zu kommen. Ich dachte: Na gut, wenn ich das schaffe, verschiebe ich den Urlaub gerne. Die Woche vor Moskau habe ich sehr gut trainiert und Michael meinte: Schade, dass die Saison schon vorbei ist. Da habe ich geantwortet: Okay, wenn ich das Turnier gewinne, dann spielen wir halt noch eins (lacht). Für mich war es super zu sehen, dass ich am Ende der Saison, wo kräftemäßig viele am Ende waren, noch gutes Tennis abrufen konnte.
tennisnet: Wie sehr war Ihr Team für diesen Endspurt verantwortlich - auch für die körperliche Frische?
Görges: Die haben einen riesengroßen Anteil. Ein Körper entwickelt sich über einen längeren Zeitraum, man muss individuell hart und konstant arbeiten, das haben wir zwei Jahre lang gemacht. Als Spieler ist es nicht immer einfach, geduldig zu bleiben. Ich bin nun gestandener, reifer und übernehme mehr Verantwortung auf dem Platz.
tennisnet: Was machen Sie spielerisch konkret anders als vor zwei Jahren, auf was sollten Ihre Fans achten?
Görges: Das Spielerische hängt ja mit dem Körperlichen zusammen. Ich bin eine andere Spielerin als früher, bewege mich sechs, sieben Mal gut und warte auf meine Chance. Früher bin ich nach dem dritten Schlag auf den Winner gegangen, obwohl das noch nicht gepasst hat. Ich bin zäher und kann meine Defensive nutzen, um wieder in die Offensive zu kommen. Das ist der größte Unterschied, weil ich hart an meiner Fitness gearbeitet habe. Kombiniert mit dem, was ich an Taktik und Matcherfahrung mitbekommen habe, ist das ein gutes Paket.
tennisnet: Arbeiten Sie fitnessmäßig härter oder anders als früher?
Görges:(überlegt) Eher anders. Jeder arbeitet hart, aber manche Dinge erarbeitet man sich unterschiedlich, mit einem anderen Team. Ich habe neue Richtungen eingeschlagen, die für mich sehr gut wirken.
tennisnet: Nehmen Sie unter Ihren Kolleginnen mehr Respekt wahr - jetzt, wo Sie ganz vorne mitspielen und die Top Ten erreicht haben?
Görges: Hm... es ist vielleicht eine andere Art von Respekt. Mir ist die Nummer egal, die ich jetzt habe. Ich möchte mich als Mensch nicht verändern, nur weil ich ein paar Turniere gewonnen habe. Darüber sollte man nicht identifiziert werden. Man merkt natürlich, dass man anders wahrgenommen wird. Aber zu viele Gratulationen mag ich nicht. Ich möchte einfach konstant daran arbeiten, besser zu werden und das mit meinem Team erleben.
tennisnet: Sprechen wir doch mal über Ihr neues Team: Wie stellt man das zusammen? Man kann das ja nicht testen und zurückschicken.
Görges: Wie sich das anhört... (lacht) Ich habe 2014 in der Bundesliga beim TC Rot-Blau Regensburg angefangen. Da saß Michael auf der Bank. Ich fand es toll, wie er mit mir gesprochen hat, was er über mein Spiel gedacht hat. Ich wusste, dass er wegen seiner Familie nicht mehr reisen wollte, habe ihn aber im Hinterkopf behalten. Ich war zu dieser Zeit zufrieden mit meinem Team. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich anders orientieren, mich weiterentwickeln wollte. Weil ich überzeugt war, dass mein Potenzial nicht ausgeschöpft war. Da habe ich bei Michael nachgehakt, ob es eine Möglichkeit gibt, ob ich als Spielerin interessant für ihn wäre. Er kann nicht immer mitkommen, aber wir haben Wege gefunden, wie ich alleine spiele. So reife ich auch als Spielerin.
tennisnet: Sie gelten als eine der besten Aufschlägerinnen der Tour, haben 2018 bislang die meisten Asse geschlagen und die meisten Service-Games gewonnen. Dabei ist der Aufschlag im Damenbereich oft eine Schwachstelle. Wird er von anderen zu wenig trainiert?
Görges: Das kann ich nicht beurteilen. Für mich war er immer eine große Stärke - mit dem Potenzial, ihn weiter auszubauen. Mir war immer wichtig, dass ich meine Aufschlagspiele variabel gestalte. Ich kann jede Drallart servieren, damit bin ich unberechenbarer. Das ist immer gut. Es ist ein Vorteil, wenn man weiß, dass man ein paar freie Punkte bekommt. Das ist auch für den Geist positiv.
tennisnet: Trainieren Sie den Aufschlag gerne? Als Vereinstrainer holt man sich nicht gerade Beifallsstürme ab, wenn man Aufschläge machen will.
Görges:(lacht) Das ging mir in der Jugendzeit ähnlich. Da willst du spielen und um Punkte zocken. Aber wenn du erkennst, was ein Aufschlag bringt, was du damit anrichten kannst, wenn du die Verbesserungen als Spielerin merkst - dann wird's interessant. Und wenn du am nächsten Tag nach dem Training siehst: Oh, der kommt, jetzt versuche ich ihn ein zweites Mal... Dann sind das Glücksmomente, die motivieren. Dann bleibt man dran.
tennisnet: Stichwort Glücksmomente: Im April geht's wieder nach Stuttgart, wo Sie 2011 mit dem Sieg beim Porsche Tennis Grand Prix Ihren bis dato größten Erfolg gefeiert haben. Direkt davor steht das Fed-Cup-Halbfinale gegen Tschechien an. Wie wichtig sind Ihnen diese beiden Events?
Görges: Natürlich ist jedes Turnier wichtig, aber für mich sind das zwei emotional bedeutsame Wochen. Wir haben nicht mehr so viele Turniere in Deutschland, im Fed Cup gab's seit 24 Jahren kein Halbfinale mehr daheim. Die Kunst ist, solche Wochen zu genießen, das Publikum mitzunehmen und die beste Leistung zu bringen. Es ist natürlich super, dass der Fed Cup auch in Stuttgart ist. So kann man sich an die Stimmung gewöhnen und hoffentlich bei beiden Events erfolgreich spielen.
Das Gespräch führte Florian Goosmann in Indian Wells.