Kommentar: Was geht für Dominic Thiem zum ATP-Tour Re-Start?
Er war der mit Abstand spielfreudigste Athlet während der COVID-19 bedingten Unterbrechung der ATP-Tour: Dominic Thiem. Was diese Vorbereitung für die beiden geplanten Grand Slams heißt und wo vielleicht etwas mehr drinnen ist für den Österreicher. Ein Kommentar.
von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet:
26.07.2020, 21:15 Uhr
28 Mal stand Dominic Thiem in den letzten Monaten am Platz. Was eigentlich auf sehr erfolgreiche Wochen auf der ATP-Tour hindeuten würde, bedeutete im Jahr 2020, dass der Österreicher ein besonders fleißiger Spieler bei den verschiedenen Exhibition-Events war, die den Spielern das Warten auf den Re-Start der Tour zumindest etwas verkürzen sollten. Dass Thiem am Ende gleich 25 seiner Matches gewinnen konnte, spricht für eine großartige Verfassung, in der sich der Weltranglistendritte präsentierte.
Von der Generali Austrian Pro Series, die Thiem standesgemäß als Sieger beendete (wenngleich die Niederlage gegen Sebastian Ofner durchaus als Schönheitsfehler zu sehen ist), über die umstrittene Adria Tour, bei welcher der Erfolg des Niederösterreichers aufgrund des COVID-19-Ausbruchs etwas in den Hintergrund geriet, zum Ultimate Tennis Showdown, bei dem Thiem gleich drei Top-10-Spieler bezwingen konnte - die Reisen des Dominic Thiem in diesen Wochen waren vielfältig.
Thiem legt zwei, drei Kilo Muskelmasse zu
Sie endeten jedenfalls im deutschsprachigen Raum, zuerst lud der Österreicher als Mitorganisator der "Thiem´s 7" nach Kitzbühel, den Schlusspunkte setzten gleich zwei Turniersiege bei den bett1Aces in Berlin, wo der 26-Jährige auch auf Gras einen seiner eher raren Erfolge einheimsen konnte. Ja, Dominic Thiem spielte sich gegen Ende der Exhibition-Saison in eine prächtige Form, überzeugte mit druckvollen Vorhänden - und einer neuartigen Sicherheit auf der Rückhand.
Der Druck der Vorhand scheint indes noch einmal größer geworden zu sein, als er das noch bei Thiems Finaleinzug bei den Australian Open zu Jahresbeginn war. Das ist wohl auf die veränderte Statur des Österreichers zurückzuführen, die vor allem in Kitzbühel kaum noch zu übersehen war. "Zwei bis drei Kilo" Muskelmasse habe der Österreicher in den letzten Wochen aufgebaut. Die Coronapause, so Thiem, sei ein guter Zeitpunkt gewesen, um körperlich an sich zu arbeiten.
Unsicherheit USA
Jetzt heißt es noch einmal durchschnaufen, Kraft tanken, ehe es für den Niederösterreicher in die USA gehen soll, sofern die verbleibenden beiden Turniere - die Eastern & Western Open und die US Open - in New York City über die Bühne gehen können. Für Dominic Thiem - so die Meinung des Autors dieser Zeilen - wäre dies das Best-Case-Szenario, die beiden Hartplatz-Events in Amerika könnten für Thiem nicht nur in Hinblick auf die Weltrangliste interessant sein.
Denn wie die ATP bekanntgab, können die Spieler in diesem Kalenderjahr nur Punkte dazugewinnen, ob des Erstrundenaus´ bei den US Open im Vorjahr und der verletzungsbedingten Absage beim ATP-Masters-1000-Event in Cincinnati könnte der Niederösterreicher hier massiv Boden gut machen. Aber das ist eben nur eine Seite der Medaille, denn auch der Blick auf den ersten Grand-Slam-Sieg Thiems sei erlaubt.
Thiem auf Hardcourt in blendender Verfassung
Seit seinem Sieg beim ATP-Masters-1000-Event in Indian Wells wurde Dominic Thiem immer mehr zum Hartplatz-Ass, eine Entwicklung, die sich auch bei den Auftritten bei Hardcourt-Exhibition-Turnieren prolongierte. In Nizza, bei Mouratoglous Ultimate Tennis Showdown, etwa, wo Thiem mit Berrettini, Tsitsipas und Goffin gleich drei Top-10-Spieler besiegen konnte, die in der Vergangenheit auf Hardplatz durchaus als Angstgegner des Österreichers galten.
Oder die Auftritte in Berlins Flughafen Tempelhof, wo Dominic Thiem im Endspiel Jannik Sinner regelrecht vorführte, was ob des Halbfinalerfolges des Italieners über Roberto Bautista Agut nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Allen voran sind es aber die Leistungen, die für eine weitere Steigerung beim Österreicher sprechen: Seine Aufschlagspiele gestaltete Thiem mit einer ausgesprochenen Souveränität, auch das Returnspiel konnte Thiem sichtlich verbessern.
Der Faktor Rafael Nadal
Der ganz große Faktor, wieso es für Thiem wohl eher in Amerika klappen könnte mit dem ersten Grand-Slam-Sieg - und nicht etwa bei den French Open, wo Thiem bereits zweimal das Endspiel erreichte, trägt wie so oft den Namen Rafael Nadal. Dieser arbeitet nun bereits schon seit einigen Wochen an seiner Sandplatz-Form, wird dementsprechend gut vorbereitet nach Paris reisen - und in seinem Wohnzimmer dann ganz schwer zu schlagen sein wird.
Dies heißt gleichzeitig, dass Rafael Nadal wohl eher nicht mit einem Antreten bei den US Open plant, die Punkte behält der Weltranglisten-Zweite ja ohnehin. Für Dominic Thiem bedeutet dies eine bisher einzigartige Chance: Zwei der "Big Three" - Roger Federer wird 2020 ja nicht mehr an den Start gehen - werden (wohl) in New York City fehlen, der Weg zum Grand-Slam-Titel könnte damit so machbar wie so selten in den letzten Jahren sein. Mit dieser Vorbereitung könnte es in der Millionenmetropole also erstmals soweit sein, dass der Niederösterreicher den Grand-Slam-Pokal gen Himmel strecken darf.