Mats-Merkel-Serie, Teil 4 - "Das Gehirn bekommt die falschen Informationen"
Mats Merkel ist für Adidas als Scout und Coach unterwegs. Bei den US Open hat sich der 33-jährige Deutsche neben seinen Aktivitäten für adidas auch um den Taiwanesen Chun Hsin Tseng gekümmert. In Teil 4 unserer Serie spricht Merkel über die Bedeutung der Atmung im Tennissport.
von tennisnet
zuletzt bearbeitet:
15.10.2018, 21:57 Uhr
tennisnet: Herr Merkel. Welche Rolle spielt die Atmung im Tennissport?
Mats Merkel: Eine große. Gerade bei der Auftaktbewegung zum Aufschlag sagt man ja, dass man möglichst viel einatmen soll, um möglichst viel Luft im Brustkorb zu sammeln, um dann eine extrem starke Zuschlagbewegung zu generieren. Auch beim Bewegen macht es Sinn, wenn man in der Lage ist, ökonomisch zu atmen. Was aber nichts mit Einatmen und dann Herausschreien zu tun hat. Da geht es einfach darum, sein Sauerstofflevel auf dem richtigen Level zu halten. In dem Moment, wo sich Laktat ansammelt, wird der Spieler müde - und das Gehirn bekommt die falschen Informationen.
tennisnet: Nun ist es aber so, dass viele SpielerInnen die Atmung auch zu taktischen Zwecken missbrauchen.Wäre es nicht an der ATP bzw. der WTA, der Brüllerei Einhalt zu gebieten?
Merkel: Ab einer gewissen Dezibel-Anzeige ist dann der Punkt verloren, sozusagen? Ich glaube, dass das ein ganz schwieriges Thema ist. Für den Turnierveranstalter wie auch für den Sport an sich. Bei den Männer gibt es ja nur ganz wenige Spieler, die dieses "Grunting" betreiben, Rafael Nadal etwa. Ich bin der Meinung, es gibt Profis auf der Tour, die machen das gezielt und bewusst, bei den Damen eben häufiger als bei den Herren. Wir wissen ja, dass manche Profis dann laut ausatmen, wenn der Gegner oder die Gegnerin gerade schlägt. Da muss man sich schon die Frage stellen: Ist das fair und richtig?
Kein Mehrwert durch Brüllerei
tennisnet: Und vor allem - ist es notwendig?
Merkel: Das kann ich schlecht beurteilen. Ich erachte es eher als störend. Ich habe mich mit vielen Leuten im Tenniszirkus unterhalten, die gemeint haben, dass sie gegen SpielerInnen, die so lauthals schreien, sich auf die Bank setzen würden. Und erst dann weiter spielen, wenn die Gegnerin mit der Brüllerei aufhört.
tennisnet: Sind da die Regelhüter also gefordert?
Merkel: Vor allem könnte man in der Erziehung der Spieler darauf hinwirken zu sagen: Ganz ehrlich, das ist weder Fair Play noch hast Du einen Mehrwert durch die Brüllerei. Aber man glaubt ja immer, dass man sich einen Vorteil holen muss: Die einen sagen, sie würden gegen Rafael Nadal von unten servieren. Ivan Lendl hat früher, wenn sein Gegner ein gelbes Hemd getragen hat, ja zum Stuhlschiedsrichter gesagt, er weigert sich zu spielen. Das gibt es heutzutage nicht mehr. Whatever works. Ich bin mir sicher, eine Maria Sharapova oder andere Spielerinnen würden nicht mehr so schwierig zu bespielen sein, wenn das Gebrülle aufhörte.
tennisnet: Sonst noch etwas, das Sie den jüngeren Spielern mit auf den Weg geben würden?
Merkel: Gut, da könnte man natürlich auch darüber reden, dass bei den Jugendlichen Let-Play eingeführt wurde. Dafür können die Kinder natürlich nichts. Aber diese Regel gibt es bei den Erwachsenen nicht. Von daher ist es ein Schwachsinn, wenn man Dinge bei jungen Spielern konditioniert, die es vielleicht noch auf dem College gibt, aber sonst nirgends.