Mit Ruhe und Stabilität ins French-Open-Viertelfinale: Alexander Zverevs bester Auftritt im Sand
Alexander Zverev hat wie im Vorjahr das Viertelfinale in Paris erreicht - und zeigte sich im Anschluss "unheimlich erleichtert".
von Jörg Allmeroth aus Paris
zuletzt bearbeitet:
03.06.2019, 21:12 Uhr
Fabio Fognini machte die üblichen Mätzchen, er zog auch an diesem Montag mal wieder die große Fabio-Fognini-Show ab. Er fluchte, er zeterte, er schimpfte mit Gott und der Welt. Er legte sich auch mit dem Schiedsrichter an, warf seinen Schläger durch die Gegend, nahm sich Verletzungspausen, verschwand für längere Zeit in den Katakomben der Lenglen-Arena.
Aber einen ließ das alles kalt, den Mann nämlich, der ihm, Fognini, auf der anderen Seite des Netzes Auge in Auge gegenüberstand in der French-Open-Runde der letzten 16: Mit unerschütterlichem Gleichmut und erstaunlicher Coolness, aber auch der besten spielerischen Leistung in dieser turbulenten Sandplatzsaison rauschte Alexander Zverev schließlich wie im letzten Jahr ins Viertelfinale von Roland Garros, als 3:6, 6:2, 6:2, 7:6 (7:5)-Sieger des spannungsgeladenen Duells mit dem italienischen Chef-Exzentriker.
Gegen Djokovic "ans Maximum gehen"
„Unheimlich erleichert“ sei er, sagte Zverev noch im zweitgrößten Stadion der French Open, in einem ersten TV-Interview, „das ist ein Spiel, das mir jetzt echt Auftrieb und Mut gibt.“ Selbstbewusstsein, Courage, das wird er auch brauchen können, denn nun hat er die mutmaßlich zweitschwerste Aufgabe vor sich, die man sich ausdenken kann bei den Rutschübungen unterm Eiffelturm – nämlich eine Verabredung mit dem Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic am Mittwoch, mit dem zweiten großen Wettfavoriten neben dem ewigen Paris-Champion Rafael Nadal. Djokovic hatte zuvor den deutschen Überraschungsmann Jan-Lennard Struff in drei glatten Durchgängen mit 6:3, 6:2 und 6:2 humorlos aus dem Turnier katapultiert, bisher zieht der Serbe einsam und ohne Satzverlust seine Kreise. „Gegen ihn muss ich ans Maximum gehen und mich noch mal steigern“, sagte Zverev.
Beruhigen dürfte den Hamburger Riesen, dass ihm nun erst mal kein weiterer Absturz in der Weltrangliste droht, keine neuerlichen Punkteinbußen. Zverev steht wie 2018 im Viertelfinale, zum zweiten Mal überhaupt in seiner Karriere. Es ist ein rarer Erfolgsmoment in einer Saison, die schwierig für ihn war. Und die noch viel schwieriger wurde bei vielen Auftritten in der Sandplatzserie. Erst ganz spät kriegte der 22-jährige die Kurve, er gewann als Last Minute-Starter das Turnier in Genf, ackerte und rackerte sich danach durch die ersten French-Turnierrunden, machte die Big Points, wenn es nötig war. Banal, aber wahr: Irgendwie fand er über diesen glanzlosen Kampf gegen seine Gegner zum besseren, gehaltvolleren Spiel. „Seine Einstellung stimmte immer, und nun ist auch das Niveau seiner Schläge auf einem anderen Level angekommen“, stellte DTB-Herrenchef Boris Becker fest, der Mann, der dieser Tage am Eurosport-Mikrofon sitzt.
Zverev behält gegen Showman Fognini die Ruhe
Auch gegen Fognini ging nicht alles glatt für Zverev, er startete mittelprächtig bis schwach, leistete sich auch wie in den letzten Wettbewerbstagen irritierend viele Doppelfehler. Er musste sich dann nicht wundern, dass er wieder einem Satzrückstand hinterherlief, zu Umwegen gezwungen war und mehr Energie als nötig einzusetzen hatte. Aber es imponierte, wie Zverev das Malheur wegsteckte und vor allem zu einer großen inneren Stabilität und Festigkeit fand. „Gut konzentriert“ habe er sich, „auch gute Mentalität“ gezeigt, sagte er später. Was gegen Fognini, den Trickser, Täuscher, den Zauberer und Artisten, ja nicht leicht ist, der Italiener lässt einen schwer zur Ruhe kommen, er ist die Unberechenbarkeit in Person, mal der elegante Ästhet, im nächsten Moment wieder der fuchsteufelswilde Prolet, der einschüchternd wirkt.
Zverev wurde in diesem ganzen Theater dennoch rasch zur beherrschenden Person, er gewann die Sätze 2 und 3 jeweils mit 6:2, er geriet selten bei seinen Aufschlagspielen in Gefahr, stand selbst oft vor Breaks, nahm Fognini auch ausreichend oft den Aufschlag ab. Kritisch wurde es erst wieder im vierten Satz, als Zverev Breakbälle bei 4:4 und 5:5 abwehren musste, sich aber aus der Bedrängnis wand. Es kam zum Tiebreak, und auch hier hatte der Deutsche die besseren Nerven, die besseren Antworten. „Klasseauftritt von Sascha“, lobte Becker, „es tut ihm auch gut, hier nicht als Favorit gehandelt worden zu sein.“
Auch gegen Djokovic wird er alles andere als Favorit sein. Da ist Zverev der Außenseiter, der gegen den soweit bärenstarken Capitano vermeiden muss, ähnlich wie alle anderen Djokovic-Gegner schnell und unbarmherzig abgefertigt zu werden. Die letzte sportliche Erinnerung an Djokovic ist angenehm, im vergangenen Herbst bezwang er den Weltranglisten-Ersten, den Gewinner der letzten drei Grand-Slam-Turniere, im Finale der ATP Tour Finals.