Novak Djokovic - „Ich fühlte mich wie eingerostet“

Nach dem frühen Aus auch beim zweiten ATP- Masters-1000-Turnier des Jahres in Miami wirkt der Weltranglisten-Erste Novak Djokovc leicht ratlos.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 27.03.2019, 11:29 Uhr

Frühes Aus auch in Miami: Novak Djokovic
© Getty Images
Frühes Aus auch in Miami: Novak Djokovic

Als Novak Djokovic Ende Januar im Australian-Open-Finale einen gewissen Rafael Nadal in drei Sätzen überlegen deklassiert hatte, schossen die Spekulationen nicht ganz verwunderlich hinauf in die Tennis-Stratosphäre. Nichts sei mehr unmöglich für den Serben, befand sein ehemaliger Coach Boris Becker, er könne nun „sicherlich“ auch die French Open gewinnen - und damit das vierte Major-Turnier in Serie. Andere Experten wie der frühere Weltranglisten-Erste Mats Wilander räumten dem 31-jährigen Frontmann auch die „besten Chancen“ ein, etwas auf die großen Bühnen zu zaubern, das bisher noch keinem Professional in der modernen Geschichte dieses Sports gelungen war – nämlich einen Kalender-Grand-Slam, also den Triumph bei allen Topevents in Melbourne, Paris, London und New York in einer Saison. 

Am Dienstagabend, auf dem Centre Court des Hardrock Stadiums in Miami, war Djokovic von diesen steilen Karrieremarken allerdings wieder ein gutes Stück entfernt. Der Djokovic-Express, der seit dem Wimbledon-Coup im letzten Sommer unwiderstehlich und beinahe ungebremst Fahrt aufgenommen hatte, ist nämlich ins Stocken geraten. Er habe seinen „Rhythmus verloren“ nach gutem Start, bekannte Djokovic nach seiner 6:1, 5:7, 3:6-Niederlage gegen den soliden Spanier Roberto Bautista-Agut – doch was für den Augenblick galt, für dieses Achtelfinalduell im Süden Floridas, das galt nun auch für die gesamte Saison des Weltranglisten-Ersten. Und für seine sportliche und mentale Gesamtverfassung. Djokovic wirkt angegriffen, angreifbar, nicht mehr so griffig und zupackend wie etwa bei den letzten drei Grand Slam-Turnieren, die allesamt mit ihm als Pokal-Helden endeten. „Ich ließ die Tür einen Spalt weit auf. Und er nutzte die Chance zum Sieg“, sagte Djokovic, ein abgekämpft und matt erscheinender Artist.

Djokovic schon in Indian Wells zerfahren und unkonzentriert

Rivalen erkennen schnell die Verletzlichkeit eines Leitwolfs, der nicht mehr die gewohnte Dominanz ausstrahlt und auf dem Court vorlebt. Schon bei Djokovics sensationeller Zwei-Satz-Niederlage gegen Philipp Kohlschreiber im kalifornischen Indian Wells waren Risse in Auftritt und Erscheinung des Capitano zu spüren, Kohlschreibers Glanzvorstellung, seine Courage und Entschlossenheit waren das eine – Djokovics Zerfahrenheit und Unkonzentriertheit aber das andere. Später lamentierte der Serbe, er habe sich zu sehr „mit anderen Dingen beschäftigt, die nichts direkt mit dem Spiel auf dem Platz zu tun hatten.“

Damit räumte Djokovic auch ein, was er lange Zeit abgestritten hatte – nämlich, dass sich seine Aktivitäten in der höheren oder niederen Tennispolitik, je nach Betrachtungsweise, auch auf seine Form ausgewirkt hätten. Der ehrgeizige Serbe, der dem Spielerrat der Profigewerkschaft ATP vorsitzt, galt als Hauptbetreiber der Ablösung des ATP-Chefs Chris Kermode. Rund um das Masters in Indian Wells kam es auch zu einer Konfrontation zwischen Djokovic und den Altvorderen Roger Federer und Rafael Nadal – die Titanen fühlten sich in den von Djokovic angestoßenen Machtspielchen bewußt übergangen. Djokovic, so erklärte Federer, habe einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung über Kermodes Zukunft nicht einmal Zeit für eine Unterredung mit ihm gefunden. Das Ganze wirkte wie eine Widerbelebung alter Animositäten zwischen Djokovic und Federer, früher hatte das Djokovic-Lager gern und oft über die Privilegien des Maestro bei Turnierveranstaltern lamentiert.

Djokovic hatte das „Sunshine Double“, die beiden Masters-Höhepunkte im März in Indian Wells und Miami, schon viermal gewonnen. 2011 und 2014 bis 2016. Nun sahen manche seine jähen Niederlagen gegen Kohlschreiber und Bautista-Agut als Hinweis darauf, dass Djokovic seine ganzen Energien nur noch auf die Grand-Slam-Turniere richten würde, der Alltag auf der Tour sei ihm letztlich egal. Doch so generös wollte Djokovic keineswegs über das Scheitern hinweggehen: „Ich fühlte mich irgendwie, als ich ob eingerostet wäre“, sagte er, „verlieren tut immer weh. Und man stellt sich Fragen, die man sich vorher nicht stellte.“ Die Frage auch, ob der Höhepunkt der eigenen Dominanz vielleicht wieder vorüber ist.

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von Jörg Allmeroth

Mittwoch
27.03.2019, 15:35 Uhr
zuletzt bearbeitet: 27.03.2019, 11:29 Uhr

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