Rodionov zum Fall Sinner: "Geschichte ist ein bisschen weit hergeholt"

Jurij Rodionov blickt auf eine schwierige Saison 2024 zurück. Im tennisnet-Interview spricht der Österreicher über die abgelaufene Spielzeit, den Rücktritt von Dominic Thiem und den positiven Dopingtest von Jannik Sinner.

von Nikolaus Fink
zuletzt bearbeitet: 25.12.2024, 23:14 Uhr

Jurij Rodionov hat im Jahr 2025 einiges vor
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Jurij Rodionov hat im Jahr 2025 einiges vor

Herr Rodionov, im Februar dieses Jahres haben Sie mit Platz 87 ihr Karrierehoch erreicht. Aktuell stehen Sie auf Rang 175. Wie blicken Sie auf die abgelaufene Saison zurück?

Im Großen und Ganzen war es eine durchwachsene Saison und zeitweise sehr frustrierend. Ich habe sehr gut angefangen und bin dann endlich in die Top 100 gekommen. Ich habe dann gedacht, dass ich mich irgendwie anders fühlen werde, aber das war nicht der Fall. Ich war ehrlicherweise sogar ein bisschen leer. Nach dem Einzug in die Top 100 habe ich mich kraftlos gefühlt und dann auch einige enge Matches verloren. Das war auch für die Psyche nicht gut. Zum Glück habe ich am Ende der Saison wieder zu meinem Spiel gefunden.

In der abgelaufenen Saison haben Sie die Qualifikation bei den Australian Open ausgelassen. Werden Sie 2025 nach Australien fliegen?

Ich hatte im Dezember 2023 eine schwere Lebensmittelvergiftung und bin daher nicht nach Australien geflogen. Diesmal werde ich auf jeden Fall die Australian-Open-Qualifikation spielen. Und danach steht der Davis Cup gegen Finnland auf dem Programm.

Sie waren 2024 bei keinem Grand-Slam-Turnier im Hauptfeld dabei. Werden diese im kommenden Jahr daher besondere Priorität genießen? 

Auf jeden Fall. Das sind die wichtigsten Turniere, bei denen es die meisten Punkte und vor allem das meiste Geld gibt. Bei Challenger-Turnieren ist es ja so, dass man eigentlich nur Minus macht, wenn man nicht ins Viertelfinale kommt. 

Als Spieler, der sich in der Weltrangliste zwischen Rang 100 und 200 bewegt, ist es finanziell ein Nullsummenspiel. Als Fußballer hätten Sie in dieser Position wohl keine monetären Sorgen mehr. Inwieweit stört Sie das? 

Ich selbst bin nur ein Tennisspieler, deswegen habe ich keine genauen Einblicke, wie das Geld verteilt wird. Aber ich kann sagen, dass ich mich als Tennisspieler sehr privilegiert fühle. Ich reise 30 Wochen im Jahr um die Welt herum und übe den Beruf aus, den ich liebe. Es ist auch schwierig, das mit einer Mannschafssportart zu vergleichen, da Sponsoren dort ja ein ganzes Team unterstützen können. Aber natürlich: Es wäre schöner, wenn man auch als Nummer 1150 nach der Karriere noch gut leben könnte. Ich habe aber noch alles in der eigenen Hand. Ich weiß, dass ich viele Top-100-Spieler schlagen kann. Deswegen sehe ich die Schuld eher bei mir als am System. 

Sie haben bereits unter Wolfgang Thiem, Günter Bresnik und einigen ausländischen Betreuern trainiert. Inwiefern hebt sich Ihr jetziger Trainer Gilbert Schaller von seinen Vorgängern ab?

Alle Trainer, die Sie jetzt aufgezählt haben, sind auf ihre Art und Weise prima. Am Ende des Tages ist das Menschliche für mich eine der wichtigsten Komponenten. Das ist ja eigentlich wie eine Ehe oder eine enge Freundschaft. Bei Gilbert Schaller habe ich einfach das Gefühl, dass es sehr geschmeidig läuft. Und das tut mir gut. 

Zudem besteht Ihr Team aus Fitnesscoach Florian Pernhaupt, auch mit Gary Muller haben Sie 2024 zusammengearbeitet. Wie sieht die Arbeitsteilung für die kommende Saison aus?

Florian ist eine wichtige Stütze für mein Team und mittlerweile schon seit sechs, sieben Jahren dabei. Mit Gary Muller habe ich 2024 nur bei den US Open gearbeitet, das war auch das letzte Turnier mit ihm. Er ist zu seiner Familie nach Kanada zurückgegangen. 

Mit dem Rücktritt von Dominic Thiem hat Tennis-Österreich sein Aushängeschild verloren. Wie schätzen Sie den aktuellen Zustand des österreichischen Tennis ein?

Das war natürlich ein schwerer Schlag für das österreichische Tennis. Er war ein Jahrzehnt lang unser Aushängeschild. Ansonsten tue ich mir schwer, diese Frage zu beantworten. Man spielt für sich, Tennis ist ein Einzelsport. Ich möchte Österreich bei den Teamevents gut vertreten, aber die restlichen 30 Wochen spiele ich für mich. Aber es gibt mit Neumayer, Misolic und Schwärzler auf jeden Fall Spieler, die einiges erreichen können.

Auf internationaler Ebene sorgten zuletzt die positiven Dopingtests von Jannik Sinner und Iga Swiatek für Aufsehen. Wie bewerten Sie diese beiden Fälle?

Den Fall Swiatek habe ich nicht genau verfolgt, bei Sinner wurde natürlich viel in der Tennis-Szene diskutiert. Man hat gesehen, dass es einen Unterschied gibt, ob man die Nummer 1 oder die Nummer 100 der Welt ist. Es gab identische Fälle von Spielern, die nicht so gut platziert waren, und viel härter bestraft wurden als Sinner. Die hatten keine Chance, sich rauszureden. Auch da ging es um Mengen, wo zuerst zehn Nullen waren und dann eine 1. Und ich muss persönlich auch sagen, dass die Geschichte ein bisschen weit hergeholt ist. Aber das ist nur meine Meinung.

Sinner und Alcaraz teilten sich bei den Herren 2024 die Grand-Slam-Titel auf. Wer gewinnt im kommenden Jahr die Majors?

Spielerisch ist Sinner der Beste der Welt, er hat nur manchmal mit seiner Fitness zu kämpfen. Aber ich denke, er wird die Australian Open und Wimbledon gewinnen. Die French Open gehen an Alexander Zverev, die US Open an Daniil Medvedev.

Abschließend: Wie sehen Ihre Ziele für das Jahr 2025 aus?

Ich möchte auf jeden Fall wieder in die Top 100 kommen. Ich habe in diesem Jahr viel gelernt, weil es wirklich nicht einfach war. Ich bin der Meinung, dass ich sehr gewachsen bin und blicke daher gespannt auf die nächste Saison.

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26.12.2024, 10:05 Uhr
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