Rollstuhl-Ass Nico Langmann: „Unsere Tour ist noch ein bisschen im Pandemie-Modus“
Nico Langmann hat in diesem Sommer noch große Ziele: Österreichs bester Rollstuhl-Tennisspieler möchte erstmals an den US Open teilnehmen. tennisnet.com hat mit dem Wiener gesprochen.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
09.08.2022, 16:01 Uhr
Vergangene Woche hat Nico Langmann bei den Austrian Open in Groß Siegharts im Halbfinale gegen den US-Amerikaner Casey Ratzlaff knapp die Segel streichen müssen, davor war Österreichs Nummer eins bei Schaukämpfen am Hamburger Rothenbaum und bei den Generali Open in Kitzbühel am Start. Das große Ziel in diesem Sommer ist die erstmalige Teilnahme an den US Open, die Chancen dafür stehen gar nicht mal so schlecht.
tennisnet: Im Rahmen des ATP-Events in München gab es 2022 erstmals ein Turnier für Rollstuhltennis-Spieler. Wo war der Nico Langmann in München?
Nico Langmann: Der Nico Langmann war auf der Ersatzliste. Wenn einer abgesprungen wäre - ich hätte sehr gerne gespielt. Es wäre unglaublich passend gewesen: Die Allianz ist mein langjähriger Sponsor und hat das Turnier unterstützt. Und dann wohnt auch noch mein Bruder in München … Ich versuche auf jeden Fall, im kommenden Jahr dabei zu sein.
tennisnet: Wie wichtig ist es für Sie und Ihre Sportart, bei den Veranstaltungen der ATP-Tour integriert zu werden?
Langmann: Es ist toll, dass wir Teil von solchen Veranstaltungen sind. Es ist vor allem aber auch eine Eintrittskarte für mehr. Ich war beim Turnier in Hamburg am Rothenbaum, wo wir eine Exhibition gespielt haben. Danach wurde aber auch gleich besprochen: Wie können wir es größer und besser machen? In Kitzbühel waren wir zum vierten Mal und, ohne das kritisieren zu wollen, da ist es bislang bei einer Exhibition geblieben. Ich bin ein ehrgeiziger Mensch, da will man immer mehr.
tennisnet: Wie sieht die Vernetzung der besten Spieler untereinander aus? Wenn Nico Langmann riefe - kämen dann die Topstars nach Kitzbühel?
Langmann: Ich glaube, es ist keine große Herausforderung, die Weltklasse nach Kitzbühel zu bekommen. Dafür betreibe ich gerne Lobby-Arbeit.
tennisnet: Wie sieht Ihr Training aus - gerade bezogen auf Ihre Trainingspartner?
Langmann: Obwohl es vielleicht arrogant klingt, aber es ist so: In meinem Umfeld ist es fast nicht möglich, mit anderen Rollstuhl-Tennisspielern ein sinnvolles Training zu absolvieren. Deshalb spielen ich eigentlich nur mit meinem Coach und Sparringpartner. Was ja auch egal ist: Der Ball fliegt und der Ball wird geschlagen. Und der Ball weiß ja nicht, ob der, der ihn schlägt, jetzt im Rollstuhl sitzt oder nicht. Und in letzter Zeit funktioniert das besonders gut. Ihr erwischt mich zu einem sehr guten Zeitpunkt in meiner Karriere.
tennisnet: So gut, dass wir Sie auch bei den US Open in New York City sehen werden?
Langmann: Starke Frage! Ich bin erster Alternate. Ich werde wahrscheinlich rüber fliegen. Und hoffe, auch wenn das gemein klingt, auf einen Ausfall.
tennisnet: Weil sich das Feld ja auch erweitert hat.
Langmann: Die Erweiterung der Raster auf 16 Spieler ist ein riesiger Schritt für uns. Da hat es einen richtigen Ruck durch unsere Tour gegeben, weil viele Leute bemerkt haben: Ok, es bewegt sich doch etwas! 16 ist unglaublich, 24 wäre nochmal cooler. Ich bin in der Weltrangliste die Nummer 15, 14 Spieler sind direkt qualifiziert, zwei bekommen eine Wildcard. Die werden natürlich an zwei Amerikaner gehen.
tennisnet: Helfen Sie uns weiter: Wer ist der größte Star der Szene?
Langmann: In erster Linie ist da Shingo Kunieda zu nennen. Das ist der Roger Federer unserer Tour. Der hat schon mehr als 20 Einzel-Titel bei Grand Slams gewonnen. Um zu verstehen, wie groß Shingo ist: Ich war 2016 in Tokio als Tennisfan beim ATP-Turnier und bin in den Uniqlo-Store gegangen, damals der Ausstatter von Novak Djokovic. Und es gab drei große Kollektionen: eine eben von Djokovic, eine von Kei Nishikori und dann eine von Shingo Kunieda. Und alle drie waren gleich groß präsentiert. Shingo ist ein Mega-Weltstar - in Japan.
tennisnet: Was fehlt Ihnen spielerisch zu jemandem wie Shingo Kunieda?
Langmann: Das ist schwierig an einer Sache festzumachen. Ich kann ja nicht sagen: Wenn ich meine Rückhand um x Prozent verbessere, komme ich unter die Top Ten. Tennis ist da schon komplexer. Das Positive: es fehlt nicht viel, die Schlagqualität ist da. Am ehesten würde ich sagen, dass ich konstanter werden muss. Ich habe Phasen in meinem Spiel wo ich die Topleute an die Wand spiele. Und dann wieder Phasen, wo ich gegen schwächere Gegner Schwierigkeiten habe.
tennisnet: Gibt es ausreichend Spielmöglichkeiten, sprich: Turniere, für Sie und Ihre Kollegen?
Langmann: Tatsächlich ist es so, dass unsere Tour durch die Pandemie stärker beeinträchtigt wurde als die ATP- oder die WTA-Tour. Einfach weil links und rechts Sponsoren fehlen. Es gibt viel weniger Turniere als zuvor. Ich bin in der glücklichen Lage, vom Tennis leben zu können. Was unglaublich cool ist. Aber unsere Tour ist noch ein bisschen im Pandemie-Modus.