Star-Coach Günter Bresnik im Interview: „Traue Gael Monfils noch einen 1000er-Titel zu“
Starcoach Günter Bresnik im tennisnet-Interview über die Erfolge der jungen Tschechen, die Vorzüge einer einhändigen Rückhand und seinen Ex-Schützling Gael Monfils.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
14.03.2024, 20:16 Uhr
Tennisnet: Herr Bresnik. Was macht der tschechische Sport besser als der österreichische oder der Deutsche? Ständig kommen Talente nach, die das Potenzial haben, in die Weltspitze vorzustoßen.
Bresnik: Die Platz- bzw. Hallensituation in der Tschechischen Republik tue ich mir schwer zu beurteilen. Was sicher ist: Die Tradition hinsichtlich der Trainer ist aber deutlich ausgeprägter. Ich habe auch bei einem tschechischen Trainer gelernt. Beim Eugen Grassl war immer der Jan Svoboda dabei, später dann Jan Kukal. Und die Spitzenspieler in der Tschechei bleiben nach Ende ihrer Karriere auch länger beim Tennis dabei. In Österreich ist das nicht in diesem Ausmaß der Fall.
Tennisnet: Mit Jakub Mensik gibt es nun einen weiteren jungen Spieler aus der Tschechischen Republik, der auf der Tour für Furore sorgt. Wie ist Ihr erster Eindruck von Mensik?
Bresnik: In erster Linie spielt er sehr gut Tennis. Das Auftreten auf dem Platz ist für mich sekundär. Es ist ein Vorteil, wenn man sich auch noch normal aufführt. Wie der die Matches in diesem Alter im dritten Satz reihenweise noch gewinnt, und das auf hohem Niveau, das ist bewundernswert. Aber Mensik verfügt über einen ausgezeichneten Aufschlag, hat ein gutes Grundlinienspiel und ist ein toller Athlet für seine Größe. Das sind die Zutaten, die einen Spitzenspieler ausmachen. Mich erinnert er sehr stark an Tomas Berdych. Von den jungen Spielern ist Mensik für mich der am besten ausgebildete.
Tennisnet: Jakub Mensik spielt, wie die meisten Kollegen, eine beidhändige Rückhand. Aktuell ist kein einziger Einhänder in den Top Ten. Macht Sie das ein bisschen sentimental?
Bresnik: Alle jungen Spieler haben in den letzten Jahren mit einer beidhändigen Rückhand angefangen. Das geht ja auch gar nicht anders, wenn man schon mit drei, vier, fünf Jahren beginnt. Für mich ist eine einhändige Rückhand nicht nur ästhetisch wertvoll, sondern auch was die Möglichkeiten der Variationen anbelangt. Ein guter Slice, ein guter Volley - man kann ein bisschen mehr damit machen. Eine gut ausgebildete einhändige Rückhand muss den Vergleich mit einer guten beidhändigen Rückhand nicht scheuen. Wenn man einen Wawrinka hernimmt, die würden sich manche Bi-Händer auch wünschen. Für mich wäre es ein Versäumnis, keinen einhändigen Spieler auf Dauer unter den Top Ten zu sehen. Sowohl bei den Frauen wie bei den Männern. Aber da kommen natürlich auch andere Faktoren dazu. Eine gute einhändige Rückhand alleine garantiert nichts.
Bresnik - "Ich hoffe, Karlis Lejnieks hat das Feingefühl für Dominic Thiem"
Tennisnet: Dominic Thiem gehört noch zu jenen Spielern, die sich einhändig einen Namen gemacht haben. Dominic ist in dieser Woche in Szekesfehervar engagiert. Mit einem neuen Begleiter, den Sie gut kennen. Was muss man über Karlis Lejnieks wissen?
Bresnik: Der Karlis ist ein Lette, der selbst sehr gut Tennis gespielt hat, aus meiner Sicht fast zu früh mit der Profi-Karriere aufgehört hat. Karlis ist ein Jugendfreund vom Ernests Gulbis, ist später als Trainer mit der Shakhar Peer gereist, dann Generalsekretär im lettischen Tennisverband geworden. Das ist ein Mann mit einem guten Background. Ein sehr intelligenter Bursche, der aus guten familiären Verhältnissen kommt. Er hat den nötigen Verstand und hoffentlich auch das Feingefühl, damit er weiß, wo er beim Dominic ansetzen muss.
Tennisnet: Ein anderer Ex-Schützling von Ihnen, Gael Monfils nämlich, spielt im Moment in Indian Wells gerade groß auf. Hätten Sie damit noch gerechnet?
Bresnik: Für mich ist Gael der Spieler, der über Fähigkeiten verfügt wie kaum ein anderer - und trotzdem nie ein Grand-Slam-Turnier oder ein 1000er gewonnen hat. Letzteres halte ich immer noch für möglich. Die spielerischen Fähigkeiten waren immer da. Ich habe mit ihm nach dem Match gegen Norrie hin und her geschrieben. Unser Hauptdiskussionspunkt war immer, wie aggressiv er spielen muss. Für mich hat er vom Laufen weggehen und schneller spielen müssen. Das hat er in den letzten ein, zwei Jahren besser praktiziert. Ich halte alles für möglich. Auch weil das Turnier in Indian Wells so günstig verläuft. Natürlich muss er erst einmal Ruud fragen, aber Djokovic ist erst einmal weg.
Tennisnet: Warum hat Monfils während seiner Karriere oft zu passiv gespielt?
Bresnik: Das ist ihm von Beginn an so eingeimpft worden. Böse gesagt hat er fast Juniorentennis gespielt. Und das mit seinen Möglichkeiten! Jetzt spielt er sehr aggressiv, geht immer noch zu wenig ans Netz vor. Aber die Ausrichtung ist deutlich offensiver geworden. Gegen Ende seiner Karriere das so zu ändern, ist bewundernswert. Er hat jetzt eine sehr gute Balance zwischen Unterhaltung und Endzweck gefunden.
Noch einmal auf Tour mit Neumayer und Grabher
Tennisnet: Ein Spieler, den Sie sehr gut kennen, ist gerade auf dringender Formsuche: Denis Shapovalov. Warum tut sich der Kanadier so schwer?
Bresnik: Ich kenne seine Verletzung und mögliche andere Probleme auf privater Ebene nicht. Man sieht das Potenzial auch jetzt schon wieder. Es ist aber ein Wahnsinn, wie fehleranfällig Denis ist. Er hat bei mir trainiert, da war er 17 Jahre alt. Da hat er keinen Vertrag gehabt, und ich habe den Kontakt zu Nike hergestellt. Die haben mit ihm über Jahre eine Riesenfreude gehabt. Denis ist von seiner Mutter sehr gut ausgebildet worden. Aber ich habe ihm damals schon gesagt: Es ist ganz egal, was Du jetzt noch machst, Du kannst auch mit Deiner Großmutter reisen: Du wirst erste 50 werden. Wenn Du einen guten Trainier nimmst, wirst Du erste 20 werden. Aber wenn Du jetzt nicht aufpasst, dass Du technisch Deine Fehleranfälligkeit in den Griff bekommst, wirst Du keine Grand-Slam-Turniere gewinnen. Und daran hapert es meines Erachtens immer noch. Das geht beim Aufschlag los über die Grundschläge bis mittlerweile hin zum Volley. Da hat er in Indian Wells gegen Musetti ein paar Fehler gemacht, die selbst für Denis untypisch waren.
Tennisnet: Mit Dominic Thiem waren Sie lange auf Tour, mit anderen Spielern natürlich auch. Wird an Sie in Zukunft auch noch bei den großen Turnieren sehen?
Bresnik: Ich fühl mich noch nicht so alt. Jetzt hat man Federer, Murray, Nadal, Djokovic jahrelang mit den Fragen gequält, wann es endlich vorbei ist … Also: Für mich war der nächste Spieler der Shevchenko, mit dem ich 15 Jahre gearbeitet habe. Mit dem hätte ich es mir vorstellen können. Da gehört auch ein sehr enger persönlicher Kontakt dazu. Bei Lukas Neumayer könnte ich es mir auch vorstellen, wenn er unter die Top 100 käme. Und mit Julia Grabher, wenn sie nun wieder in die Gänge kommt, würde ich auch gerne reisen.