Tamira Paszek im Interview: "Es wird den Spielern immer schwerer gemacht"
Tamira Paszek hat bei zwei ITF-Turnieren in Ägypten ein Comeback nach langwieriger Verletzungspause gegeben. Mit einem Viertel- und einem Halbfinale sammelte die 28-Jährige Matchpraxis und bestand einen ersten Belastungstest.
von Lukas Zahrer
zuletzt bearbeitet:
28.03.2019, 09:05 Uhr
Im Interview mit tennisnet.com beschreibt Paszek ihren Kampf zurück an die Weltspitze, beklagt die Geldverteilung im Profitennis und blickt bereits auf die Rasensaison voraus. Die Zukunft des Tennissports sieht sie aufgrund der neuen ITF-Tour in Gefahr.
tennisnet: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Comeback?
Tamira Paszek: Ich starte ohne Erwartungen und mit dem Ziel, so viele Matches wie möglich zu bestreiten. Das ist gelungen. Etwas anderes bringt einem bei einem 15.000-Dollar-Turnier auch nicht viel. Es ist ein finanzieller Verlust, Punkte gibt es in dem neuen System auch keine.
tennisnet: Wie geht es Ihnen körperlich nach zwei Wochen mit neun Matches?
Paszek: Erstaunlich gut. Nach einer intensiven Vorbereitung bin ich vermutlich so fit wie nie zuvor in meiner Karriere. Matches sind aber etwas anderes. Ich war sehr gespannt, wie ich mich etwa nach der Quali, wo ich zwei Partien an einem Tag spielte, fühlen würde. Aber es gab überhaupt keine Probleme, es war besser als erwartet.
tennisnet: Erst zum zweiten Mal überhaupt in Ihrer Karriere schlugen Sie bei einem ITF-Turnier auf.
Paszek: (lacht) Die Ironie des Ganzen war ja, dass ich mein Comeback genau auf dieser Bühne gebe. Es machen nicht viele, dass sie wirklich wieder von Null anfangen. Für mich war es gar kein Problem, ich genoss es wirklich, auf dem Platz zu stehen. Das Ergebnis war nebensächlich, auch wenn man sich natürlich über Erfolge mehr freut. Ich wollte aber die Entwicklung sehen und weiß jetzt, dass der Körper mitspielt. Das ist das schönste Gefühl überhaupt.
tennisnet: Jene Nervenerkrankung, die Sie monatelang außer Gefecht gesetzt hatte, macht heute keine Probleme mehr?
Paszek: Bei einem Wetterumschwung macht sie sich noch bemerkbar, etwa bei Regen oder starkem Wind. Aber klopf‘ auf Holz: Ich habe sie gut im Griff.
tennisnet: Was hat gut geklappt, wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Paszek: Das Gesamtkonzept passte: Von der Fitness, über das Spiel am Netz, bis hin zur Taktik, eine aktive Spielweise mit einer passiven durchzumischen. In der Qualifikation war die Nervosität spürbar. Es war für mich ein Mega-Ereignis, nach zweieinhalb Jahren wieder auf dem Platz zu stehen. Ich bin ein ehrgeiziger Mensch, der nach Weiterentwicklung strebt. Nach den Matches konnte ich so im Training Reize setzen und an dem arbeiten, was in den Matches nicht zu 100 Prozent funktionierte.
tennisnet: Wie haben Sie es mental geschafft, sich für das Comeback zu motivieren?
Paszek: Mentale Unterstützung schadet niemandem (lacht). Die habe ich auch in Anspruch genommen. Tennis ist in mir. Es ist mein Leben und wird es immer sein. Über die letzten zwei Jahre stellte ich mir erstmals ein Team so zusammen, wie ich es zu 100 Prozent für richtig empfinde. Zudem beschäftigte ich mich viel mit mir selbst und arbeitete an einer positiven Denkweise.
Tamira Paszek über ITF-Tour und Preisgelder
tennisnet: Sie haben bereits die Reform der ITF-Tour angesprochen. Was sind Ihre Eindrücke und Erfahrungen?
Paszek: Das aktuelle Format ist ein Wahnsinn. Die zwei Wochen waren ein ziemliches Verlustgeschäft – das wusste ich auch schon davor. Das Level auf den Turnieren ist aber trotzdem beeindruckend. Die können alle gutes Tennis spielen. Ohne Protected Ranking wäre es verdammt schwer, wieder zurückzukommen.
tennisnet: Sie können ein Ranking von 199 in Anspruch nehmen.
Paszek: Ich bin wirklich dankbar, dass ich damit noch 12 Turniere spielen und auf die eine oder andere Wildcard hoffen kann. Ich finde es schade für den Tennissport insgesamt. Es wird den Spielern immer schwerer gemacht. Welche Eltern werden ihre Kinder in Zukunft noch unterstützen? Geld wird immer in Mengen an jene ausgeschüttet, die ohnehin schon genug auf der Tour verdient haben. Bei den 15.000ern geht es eigentlich um nichts – WTA-Punkte gibt es dort nicht. Dann könnte ich gleich ein reines Preisgeld-Turnier irgendwo anders spielen.
tennisnet: Perfektes Stichwort: Wie sieht Ihre weitere Turnierplanung aus?
Paszek: Das Ziel ist, so bald wie möglich auf die Tour zu kommen, wo ich sowohl punktemäßig als auch finanziell weiterkomme. Ich hoffe auf zwei Wildcards für Turniere in Obidos (Portugal) auf Kunstrasen (25.000-Dollar-Kategorie, Anm.). Es würde mir von der Spielweise sehr liegen. Danach werde ich zwei Trainingswochen einlegen.
tennisnet: Wann kommt das Protected Ranking erstmals zum Einsatz?
Paszek: Mein Ziel ist, damit Anfang Juni auf Rasen bei WTA- oder 100.000-Dollar-Turnieren in die Quali zu kommen. Ich würde gerne in England spielen, denn dort habe ich mich schon immer wohl gefühlt. Aber auch Mallorca oder s’Hertogenbosch sind möglich. Das lasse ich mir noch offen.
Paszek: "Das wäre schön für das österreichische Tennis"
tennisnet: Wer begleitet Sie zurzeit auf die Turniere?
Paszek: In Ägypten war Joachim Kretz von der Campus Sports Academy in Dornbirn dabei. Er betreut mich zusammen mit Richard Ruckelshausen. Zudem stehe ich mit Fitnesscoach Joachim Pötschger im täglichen Austausch.
tennisnet: Hatten Sie in Dornbirn passende Trainingspartner, um sich in Form zu bringen?
Paszek: Absolut. Eine Handvoll Spieler reiste auch mit nach Ägypten. Ich mag es sehr, mit jungen Burschen zu trainieren. Das bringt mir persönlich sehr viel.
tennisnet: Wie weit kann es bei ihrem Comeback gehen? Trauen Sie sich den Sprung an die Weltspitze zu?
Paszek: Wenn ich den Glauben nicht hätte, würde ich es gar nicht probieren (lacht). Ich bin ein ehrgeiziger Mensch mit Zielen und Visionen. In den letzten Jahren gab es bei mir menschlich eine große Entwicklung. Ich sehe die Dinge jetzt viel entspannter. Für mich war wichtig, den Weg noch einmal zu gehen, weil es noch nicht der richtige Zeitpunkt war, mit dem Tennis aufzuhören. Wunder gibt es keine, das braucht sicher seine Zeit. Aber ich will das Tour-Leben noch genießen, beweisen muss ich es keinem mehr. Und es wäre schön für das österreichische Tennis, wenn mir der Sprung an die Spitze noch einmal gelingt.