Tennis-Mama Tsvetana Pironkova mischt die US Open auf - nach drei Jahren Tennis-Pause
Tsvetana Pironkova ist eine der Feel-Good-Geschichten der US Open 2020: Nach drei Jahren Auszeit steht sie völlig überraschend im Achtelfinale - und will noch mehr.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
06.09.2020, 12:37 Uhr
Als die US Open vor einer Woche begannen, hatten viele Beobachter des Wanderzirkus eine sentimentale Muttergeschichte im Kopf. Es gibt ja inzwischen immer mehr Spielerinnen, die nach Schwangerschaft, Geburt und Babypause wieder in den Tourbetrieb eingestiegen sind. Kim Clijsters beispielsweise hätte so eine Überraschungsstory sein können, Belgiens unverdrossener Tennis-Darling, Dreifach-Mutter sogar. Aber Clijsters schied dann gleich in der ersten Grand-Slam-Runde aus, wer weiß, wie es mit ihrem Comeback in dieser ohnehin schwierigen Zeit demnächst noch weitergeht.
Aber nun macht auf einmal eine ganz andere Mama mobil auf den Hartplätzen des Billie Jean King Tennis Centers. Eine, mit der niemand gerechnet hätte, nicht einmal sie selbst. Tsvetana Pironkova, die 32-jährige Bulgarin, die inzwischen schon sensationell das Achtelfinale in New York erreicht hat, war immer so etwas wie eine Wundertüte im Profigeschäft. Über die Jahre ist sie mehr als einmal sportlich in der Versenkung verschwunden, bevor sie dann einen spektakulären Coup landete – etwa vor zehn Jahren, als sie wie aus dem Nichts den Einzug ins Wimbledon-Halbfinale schaffte.
Pironkova: Babypause seit Wimbledon 2017
Nun ist aber alles noch mal ein bisschen anders. Vor mehr als drei Jahren bestritt Pironkova ihr letztes Profimatch, es war auch im All England Club zu Wimbledon, sie verlor seinerzeit gegen die Dänin Caroline Wozniacki in der zweiten Runde. Wozniacki ist mittlerweile in Pension gegangen, und von Pironkova hätte man das auch annehmen können. Sie pausierte 2017 nach Wimbledon längere Zeit verletzt, im Frühjahr 2018 wurde sie Mutter. Das große Tennis war plötzlich weg, ganz weit weg.
Und doch ist Pironkova jetzt wieder da – gegen alle Erwartung, gegen ihre frühere Lebensplanung. „Ich dachte irgendwann: Das kann noch nicht alles gewesen sein im Tennis“, sagt die 32-jährige, „da habe ich dann die Herausforderung angenommen und mein Comeback geplant.“ Zunächst lief es allerdings dumm, denn gerade als sie diese Rückkehr verkündet hatte, ging der Wanderzirkus im März in den Corona-Stillstand über. Die Spielpause für Pironkova verlängerte sich ungewollt noch einmal um ein paar Monate.
Bei den US Open mit Siegen über Muguruza und Vekic
Was sie dieser Tage aber nicht daran hindert, für Angst und Schrecken auf den Gran-Slam-Plätzen zu sorgen. In der zweiten Runde schaltete sie die an Nummer acht gesetzte Spanierin Garbine Muguruza, immerhin eine frühere Wimbledon-Championesse, ohne erkennbare Mühe aus. Am Samstag beendete sie dann auch die Grand-Slam-Träume der an Nummer 18 gesetzten Kroatin Donna Vekic. Pironkova ist das, was man im Tennis redensartlich ein „Dark Horse“ nennt, eine Wettbewerberin, von der niemand weiß, was mit ihr und für sie passieren wird. Der nächste Überraschungscoup, ein Durchmarsch bis zum Finalwochenende – oder doch bald das erwartbare Aus?
Nach New York reiste sie an, weil eine Mutterschaftsregelung ihren Start ermöglicht. Zwölf Turniere, darunter auch zwei Grand Slams, kann sie dank dieses Schutzparagraphens nach eigenem Willen bestreiten – Weltranglistenpunkte hatte sie vor diesem Turnier genau: Null. Gewinnt sie auch ihr Achtelfinale gegen Alize Cornet (Frankreich), könnte sie danach auf Serena Williams treffen. Ihre Mission sei hier „noch längst nicht zu Ende“, sagt Pironkova: „Ich spiele hier so gut wie selten zuvor.“ Nach mehr als drei Jahren Pause.