Tennis-Point und lokales Service? Eine schwierige Geschichte
Vielfalt bei der Artikelauswahl im Online- und im stationären Handel? Das könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Die regionalen Spezialisten drohen auszusterben.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
16.12.2021, 06:33 Uhr
Fünf Mal HEAD (Novak Djokovic, Alexander Zverev, Andrey Rublev, Matteo Berrettini, Jannik Sinner), zwei Mal Yonex (Casper Ruud, Hubert Hurkacz), je einmal Technifibre (Daniil Medvedev), Babolat (Rafael Nadal) und Wilson (Stefanos Tsitsipas): Von den großen Tennismarken fehlt bei den Schlägerherstellern eigentlich nur Dunlop in den aktuellen Top-Ten. Wobei Dunlop auf dem Bällemarkt eine weit größere Rolle spielt als bei den Rackets.
Quintessenz aber: Unter den besten zehn Spielern der Welt ist für jeden Schläger-Geschmack etwas dabei, also einfach hineinspaziert in den nächsten Pro Shop im lokalen Tennisclub oder in ein Online-Portal unseres Vertrauens und aus der breiten Palette jenes Gerät heraussuchen, das am besten zum Spielstil passt, oder? Von wegen. Das ist auch online nicht mehr bei vielen Shops möglich. Wie derstandard.at vor ein paar Wochen in einer ausführlichen Reportage dargelegt hat, findet auf dem Tennismarkt gerade ein Verdrängungswettbewerb statt. Im Mittelpunkt dabei: Der Händler Tennis-Point.de. Und die Marken Wilson und Dunlop.
Angebote mit niedrigen Margen
Denn die Rackets von Tsitsipas und Roger Federer, die offiziellen Bälle der US Open, aber auch die Kugeln von Dunlop wird man in kleineren Läden nicht mehr finden. Wilson etwa hat dem Vernehmen nach Abnahmeverpflichtungen in den Raum gestellt, die von den stationären, kleinen Händlern nicht geleistet werden können. Wenn alleine von Wilson Waren im Wert eines ganzen Jahresumsatzes abgenommen werden müssen, um die Marke überhaupt führen zu dürfen, dann ist dies ein Ausschlusskriterium für die „normalen“ Pro Shops.
Nicht so für Tennis-Point. Der Online-Marktführer im deutschsprachigen Raum kann die Forderungen der Unternehmen problemlos erfüllen. Und führt naturgemäß alle gängigen Marken. Die Marktmacht kombiniert mit der großen Produktpalette ermöglicht es Tennis-Point, teilweise mit sehr niedrigen Margen zu arbeiten und seinen Kunden Angebote zu machen, die sich kaum ein Konkurrent leisten kann.
Beitrag zur positiven Entwicklung
Das beklagte etwa Fritz Steinhauser, der selbst einen Online-Handel führt, im Standard-Artikel. Im Moment locke Tennis-Point die Kunden noch mit Preisnachlässen. „Aber nach zwei Jahren bestimmen sie den Preis,“ so Steinhauser, der in seinem Shop ab 2022 keine Artikel von Wilson oder Dunlop mehr führen wird.
Raimund Stefanits, ehemals ÖTV-Vizepräsident und einer der größten Turnierveranstalter in Österreich, stößt ins selbe Horn. "Jedes Monopol geht letztlich auf Kosten des Letztverbrauchers, weil ohne Konkurrenz die Preise bestimmt werden. Mit extrem hohen Werbeaufwand wird der kleine und mittlere Fachandel unter Druck gesetzt. Leider spielen da ja auch die Verbände und manche Markenfirmen mit. Individuelle Betreuung und professionelles Service sind im Tennis aber extrem wichtig und brauchen den gut ausgebildeten regionalen Spezialisten."
Jannik Lütkemeier, Chief Marketing Officer von Tennis-Point, kann diesen Argumenten nicht folgen. „ Wir wissen, wie wichtig lokale Präsenz in unserer Branche ist. So ist Tennis-Point in Österreich mit Ladenlokalen in Salzburg, Wien, Graz und Linz vertreten. Dies ist Bestandteil unserer erfolgreichen Strategie. Generell gilt: die Tennisbranche konsolidiert sich weltweit. Unser Ziel ist es jedoch, den Markt insgesamt zu vergrößern. Angaben von Mitbewerbern zu unserer Strategie und unserem Geschäftsmodell können wir nicht nachvollziehen. Die Marktposition von Tennis-Point macht es erst möglich, intensiv zur positiven Entwicklung des Tennissports in Österreich beizutragen.“
Tatsache ist allerdings, dass vier Flagship-Stores über ganz Österreich verteilt keine "lokale Präsenz" begründen. Denn wenn einem Tennisspieler in Klagenfurt oder in Innsbruck eine Saite reißt, müssten ja mehrere hundert Kilometer bis zum nächsten Anlaufpunkt von Tennis-Point zurückgelegt werden. Der Tennissport braucht mehr denn je die lokalen Spezialisten und Partner der Vereine, die den Tennisboom mit ihrem Service und Know-How unterfüttern.
Marken betreiben „Channeling“
David Tews, Head of Marketing International bei Hervis, sieht in der Entwicklung auf dem Tennismarkt ein Spiegelbild dessen, was sich auch in anderen Sparten gerade zuträgt. Dass sich einige Marken mit Premium-Produkten auf bestimmte Handelswege konzentrieren, gibt es etwa auch in anderen Sportarten.. „Das ist nichts Ungewöhnliches,“ erläutert Tews gegenüber tennisnet.com. „Viele Marken betreiben „Channeling“, konzentrieren sich auf ihre präferierten Vertriebskanäle. Mit diesen Gegebenheiten müssen wir und eben auch Tennis-Point arbeiten.“
Dennoch ist Tews davon überzeugt, dass Hervis für die Masse der Tennisspieler die beste Lösung anbietet. Österreichweit finden jeder Spieler innerhalb eines Radiusses von 30 bis 40 Kilometer einen Hervis Store, in dem die meisten Wünsche erfüllt werden können.
Schwerpunkt auf das Service als Strategie
Peter Lehrner, langjähriger Begleiter von Thomas Muster und in Sachen Service und Tuning eine international anerkannte Autorität, sieht die Situation differenzierter. Er sei seit 1977 im Geschäft und habe viele Phasen erlebt, so Lehrner im Gespräch mit tennisnet.com. Tennis-Point habe mit viel Geschick eine dominante Marktstellung aufgebaut - und setze jetzt die kleineren Händler unter Druck.
Was Tennis-Point nicht leisten kann, so Lehrner, ist der Service, den man früher beim Fachhändler bekommen hat. Kein Tennisschläger sei wie der andere, in puncto Balance oder Schwunggewicht gebe es bei gleichen Modellen produktionsbedingte Schwankungen von bis zu zehn Prozent. Der Fachhandel müsste aus Sicht von Lehrner wieder in sein Personal investieren, um den Kunden einen besseren Service bieten zu können. Die Auslagerung dieser Kernkompetenz an Tennistrainer und Privatbespanner habe sich nicht bewährt.
Boom durch Thiem und Zverev
Die Erfolge von Dominic Thiem und Alexander Zverev haben einen Boom ausgelöst, wodurch die Nachfrage zusätzlich gestiegen ist. Darüber hinaus ist der Tennissport wähernd der Corona-Pandemie als eine von wenigen Sportarten gewachsen, in Österreich spielen derzeit über 600.000 Menschen regelmäßig Tennis. Dazu noch einmal David Tews: Als Fachhändler müsse man sich fragen, ob man diese Nachfrage bedienen kann und will. Hervis jedenfalls habe investiert und Flächen für den Tennissport freigeschaufelt.
Fragt man aber dort nach, wo dieser Tennisboom zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation führen sollte, den lokalen Fachhändlern und Experten nämlich, bekommt man eher das Gegenteil zu hören. "Die Umsätze sind gestiegen, aber diese bleiben nicht in Österreich", erklärt etwa Christian Walter, Inhaber des Tennis Pro Shops in Schwaz/Tirol. "Daher kürzen alle Unternehmen die Budgets für die Vertriebspartner in Österreich. Und zwar quer durch alle Marken. Der Umsatz wandert nämlich nach Deutschland. Dadurch haben in Österreich in den letzten Jahren viele Trainer und auch der Nachwuchs die Unterstützung verloren. Da ist ein kritischer Kreislauf entstanden: Der örtliche Fachhändler verkauft so gut wie keine Schläger mehr - und unterstützt dann eben auch die Vereine und die Nachwuchsspieler in viel geringerem Ausmaß als früher."